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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Ausdehnung ergreife. In unserm Jahrhundert nahm man es als ebenso feststehend an, daß farbiges Haar niemals erbleichen könne, es falle vielmehr das farbige aus und an seiner Stelle entstehe ein farbloses, es komme also das Erbleichen nur auf dem Wege des typischen Haarwechsels zu Stande.

Die Frage, welche dieser beiden Auffassungen die richtige sei, läßt sich entscheiden durch Untersuchung des Haarausfalls, durch mikroskopische Untersuchung der grauen Haare und durch Beobachtung am lebenden.


Einzug im Heimaths-Dörfchen.
Originalzeichnung von B. Woltze in Weimar.


Es widerstrebt aller unbefangenen Beobachtung, anzunehmen, daß der einmal im Haar abgelagerte Farbstoff wieder verschwinden, sich auflösen könne; zwar ist es leicht, in dem vom Körper abgelösten Haar durch etwas Chlorgas oder Chlorwasser den Farbstoff zu zerstören (ein in dieser Weise behandeltes dunkles Haar erscheint sehr bald völlig farblos) – aber daß ein dem Chlor ähnlich wirkender Körper sich in der Kopfhaut selbst bilde und nun rasch in das Haar eindringe, das ist noch niemals beobachtet worden.

Es steht daher nach meinem Ansicht unzweifelhaft fest: wo die mikroskopische Untersuchung des frisch entnommenen Haares keinen Farbstoff nachweist, da ist auch nie Farbstoff gewesen.

Aber eine andere Möglichkeit liegt vor: es sind nämlich zwei Fälle ganz eigenthümlicher Haarbildung beobachtet worden, der eine in Greifswald vor vierzig Jahren, der andere vor zwei Jahren in London. Es handelte sich in jedem der beiden Fälle um jüngere Männer, deren Kopfhaar aus ziemlich regelmäßig abwechselnden Stücken gefärbten und weißen Haaren bestand; einzelne Haare waren noch vollständig (in ihrer ganzen Länge) gefärbt, keines war ganz weiß, die meisten zeigten eine Strecke hell, die andere dunkel, die folgende wieder hell und so fort. Bei Thieren findet man dergleichen geringelte Haare sehr häufig; bei Menschen gehören sie indeß zu den größten Seltenheiten; mindestens sind nur die beiden genannten Fälle veröffentlicht. Aber bei mikroskopischer Betrachtung unterschieden sich die Haare dieser beiden Fälle sehr wesentlich von den geringelten Haaren der Thiere. Sehr viele Beobachter haben diese Haare geprüft (ich selbst besitze noch durch die Liebenswürdigkeit eines verehrten Collegen zwei Haare des zweiten Falles) und sie haben übereinstimmend

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 553. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_553.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)