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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Namenszug von sicherer Hand geführt, denn man merke wohl, das große Hirschhorn ging eben im Kreise herum, und Jeder und Jede erhielten ihre Censur, je nachdem sie nun bestanden – oder nicht. Ganz bescheiden, unter einer sehr kühnen und halb verwischten Handschrift, bemerken wir ein sehr klein geschriebenes „Frédérik“ – es ist der Namenszug Friedrich des Großen, der, damals kaum siebenzehnjährig, mit seinem Vater den sächsischen Hof und auch Moritzburg besuchte. Napoleon des Ersten Handschrift hat einst ein kühner Sammler nebst mehreren Seiten herausgerissen, weshalb man im Vorzeigen gedachter Bücher mit Recht behutsamer geworden ist. Noch eines Gastes, wenn auch nicht fürstlichen, doch nicht minder edlen Geblüts, darf ich wohl noch hier erwähnen und ihn bezeichnen als den eigentlichen Stammgast von Moritzburg. Es ist dies unser gemeinschaftlicher Freund, Ihr geschätzter Mitarbeiter Guido Hammer, der mit einer Liebe und Pietät diese stillen Forsten durchstreift, als wären die Bäume seine Schutzbefohlenen und die Hirsche und Rehe seine Kinder. Hier besonders entwirft er seine trefflichen Jagdstudien in Bild und Wort, hier entstand und spielte auch sein „Buschlieb“, eine der trefflichsten Schilderungen einsamen, beschaulichen Waldlebens.

Doch es wird Abend und es ist Zeit zu scheiden. Die Wasserrosen haben sich schon längst mit Sonnenuntergang geschlossen, noch rauscht ein aufgescheuchter Vogel im Rohre, und die Zinnen und Firsten des alten Schlosses beleuchtet schon der Mond. In mächtigen Umrissen hebt sich der Bau aus den Wassern – wie ein Schatten einstiger Herrlichkeit.

H. Kg.




Blätter und Blüthen.


Die Quellen einer deutschen Nationalanstalt. Es ist in der That von Bedeutung und gewiß ein gutes Zeichen für den großen Sinn des deutschen Volkes, wenn man sieht, wie großartige Unternehmungen durch gemeinsame Bestrebungen zu Stande kommen. So wird jetzt seit siebenzehn Jahren das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg durch gemeinsame Gaben der ganzen Nation erhalten und erweitert sich von Jahr zu Jahr. Bereits steht es in schöner Blüthe und läßt ahnen, was es künftig sein wird. Wir hatten Gelegenheit, bei einem Besuche die bereits umfangreichen, vortrefflich geordneten und lehrreich zusammengestellten Sammlungen zu sehen, und waren erstaunt, welche Fülle von Belehrung bereits gewonnen werden kann. Da wir natürlich auch erfahren hatten, daß allenthalben Gaben für das Museum gesammelt werden, und uns die Sammelmethode ziemlich kleinlich vorkam, so nahmen wir Veranlassung, uns auch im Geschäftsbureau über die Art und Weise zu erkundigen, wie die Mittel zusammenkommen, und wir gestehen, daß wir darüber fast noch mehr überrascht waren, als über das, was die Sammlungen den Besuchern bieten. Wir hatten schon bei Durchsicht der Rechnungen, die man uns gütigst gestattete und die Jedermann zur Einsicht offen stehen, uns gewundert; geradezu lehrreich aber wurden sie durch die Erläuterungen, die wir erhielten; wir lernten da ein echtes Stück Naturgeschichte des deutschen Volkes kennen.

Seit etwa siebenzehn Jahren sind jährlich im Durchschnitte dreißigtausend Gulden eingegangen. In den letzten Jahren hat sich die Einnahme gehoben und für 1870 rechnete man auf vierzig- bis fünfundvierzigtausend Gulden. Darunter sind verhältnißmäßig nur wenig größere Summen, die von den Regierungen und Fürsten Deutschlands gegeben wurden oder von einzelnen wohlhabenden Privaten. Die weitaus überwiegende Mehrzahl der Einnahmsposten beträgt einen Gulden oder einen Thaler, selbst solcher mit fünf Groschen sind genug vorhanden. Dieser kleinen Posten aber sind es viele Tausende und die Jahresrechnungen bilden deshalb in der Einnahme dicke Folianten. Fast in jeder Stadt Deutschlands ist ein Sammler, Pfleger genannt, der die vielen kleinen Posten jährlich sammelt und stets neue Beitragende zu gewinnen sucht. Von oft merkwürdigen Zufällen scheint die Einnahme da und dort abzuhängen; am meisten jedenfalls von der Thätigkeit der Pfleger. So liefern einzelne Städte relativ viel, andere in gleichen Verhältnissen unendlich wenig, fast nichts. So leistet zum Beispiel Ulm jährlich ca. dreihundertfünfzig, Mannheim hundertfünfundsiebzig, Heidelberg hundertfünfundzwanzig, Regensburg hundertdreißig, Nürnberg tausend, München zweihundert, Leipzig vierzig, Berlin dreihundert, Wien hundertfünfundzwanzig Gulden etc. Manche Stadt liefert nur fünf bis zehn Gulden, oder auch nur ein bis zwei Gulden. Da aber die Sache so wohlorganisirt ist, so kommt trotz der Kleinheit denn doch im Ganzen etwas heraus. Allerdings bedarf es steter Anstrengung, die Beiträge auf der Höhe zu erhalten. Nach den Mittheilungen, die wir im Geschäftsbureau erhalten, sind etwa zwanzigtausend kleine Einzelbeiträge zu verzeichnen. Darunter sind manche, die seit siebenzehn Jahren ausgehalten haben. Viele aber geben ihre Gulden nur ein- bis zweimal und der Durchschnitt kann nicht höher als fünf bis sechs Jahre berechnet werden.

Eine fast unermeßliche Correspondenz in gedruckten oder lithographirten Circularen, Geschäftsbriefen, wo nöthig auch Privatbriefe des Directors und der Beamten, halten die Pfleger wach, welche einer Ermunterung bedürfen, oder auch viele Einzelne der Beitragenden. Die Klage der Pfleger ist fast allgemein dieselbe. Die Mehrzahl berichtet, daß eben in der Stadt A. oder B. so viel Interesse sei, wie sie wünschen; Andere sagen, die Leute meinen, auf ihre Gulden komme es nicht an. So wechseln denn auch die Pfleger ziemlich häufig, allein durch die Energie der Centralleitung bleibt doch die Sache im Geleise. So zeigt gerade die Thatsache, daß durch die vielen kleinen Gaben, von denen jede (einzelne oft zwei- oder auch dreimal) erbeten oder eingefordert werden muß, ein großes Gesammtresultat erzielt wird, wie falsch die so oft gemeldete Meinung ist, es komme auf einen einzelnen kleinen Beitrag nicht an. Welche Summe müßte zur Verfügung stehen, wenn alle diejenigen ihre kleinen Beiträge hergeben würden, welche glauben, es komme auf ihren Beitrag nicht an!

Nicht uninteressant war es auch, zu erfahren, welche Gegenden Deutschlands das Meiste beitragen. Die großen Städte leisten überhaupt wenig. Je größer die Stadt, um so kleiner im Verhältniß die Leistung. Die überwiegende Mehrzahl der Gaben ergiebt sich aus den Sammlungen der kleinen Städte Norddeutschlands. Auch Würtemberg trägt viel bei, Baiern so ziemlich, Baden mit Ausnahme Mannheims und Heidelbergs wenig. Oesterreich soll früher bedeutende Summen geleistet haben, jetzt ist die Leistung sehr gering. Eine sehr große Zahl deutscher Städte liefert auch Beiträge aus der Stadtcasse, meist gleichfalls sehr kleine. Da sind sehr viele, die jährlich einen Gulden oder einen Thaler zahlen, im Durchschnitt etwa fünf Thaler; und was das Merkwürdigste ist, auch bei den Stadtcassen findet fast derselbe Wechsel der Beitragenden statt wie unter den Privaten. Da sind es „Ersparnißgründe“, welche eine Stadt mit einem Budget von dreißig- bis vierzigtausend Gulden veranlassen, zu melden, daß sie künftig nicht mehr fünf Gulden im Jahre zahlen kann, dort auch der Hinweis, daß es auf den Thaler nicht ankommen könne, nachdem jetzt der norddeutsche Bund sechstausend Thaler pro Jahr zahle; anderswo hat einfach die Gemeindevertretung den Posten gestrichen, wieder anderswo glaubt man nun seine Pflicht gegen die Nationalanstalt gethan zu haben, nachdem man fünf Jahre lang zwei Thaler gezahlt, jetzt sollen andere auch zahlen; auch findet sich die Stadt B. bewogen, ihre Zahlung einzustellen, „nachdem die Stadt A. sie eingestellt hat“. Doch hat Deutschland so viele Städte, daß auch da immer wieder Ersatz gefunden wird. Die großen Städte stehen auch hier zurück. So hat das deutsche Wien seit 1866 zum erstenmal wieder im vorigen Jahre hundert Gulden österr. Währung beigetragen; die Stadt Berlin hat sich endlich zu einer Zahlung von zweihundert Thalern herbeigelassen; am meisten geben verhältnißmäßig die Mittelstädte; der höchste Stadtbeitrag kommt von Nürnberg und beträgt zweihundert Gulden; München zahlt fünfzig Gulden, Augsburg und Regensburg (Stadtcasse) ebensoviel, Köln und Breslau je fünfzig Thaler, Frankfurt am Main hundert Gulden, Danzig zwanzig Thaler etc.

Was uns am auffallendsten war, ist der Umstand, daß es bis jetzt gar nicht gelungen ist, die Deutschen im Auslande in irgend einer namhaften Weise, und besonders, daß es nie gelungen ist, sie zu regelmäßigen Beiträgen zu veranlassen. Die einzige Pflegschaft im Auslande, die bisher regelmäßig einen Beitrag sandte, ist Havre mit zwanzig Franken; dieselbe dürfte freilich jetzt wohl ihr Ende erreicht haben. Dafür hat sich noch eine Pflegschaft in Archangel gebildet, welche für das Jahr 1869 dreizehn Gulden berechnet hat. Sonst aber kommt aus Amerika nichts, aus England nichts, aus Rußland, der Türkei, aus Paris, aus Rom, aus Constantinopel etc. überall nichts und wieder nichts. Wiederholt wurden Pflegschaften da und dort errichtet; sie lieferten nichts ab, die Pfleger gaben oft nicht einmal Antwort auf die Anfragen, meist auch war ihnen das Resultat nicht groß genug, um regelmäßig zu sammeln. Es giebt da und dort im Auslande reiche Deutsche; zu so vielen Nationalunternehmungen haben sie beigesteuert, hier mit einzelnen wenigen Ausnahmen so gut wie gar nichts. Die Gartenlaube dürfte wohl das Organ sein, die Deutschen im Auslande zu ermuntern, auch für dieses Nationalunternehmen etwas zu thun.

Eine andere Thatsache, die gewiß erfreulicher ist, fanden wir darin, daß keine politische Partei, keine Confession Veranlassung gefunden hat, sich zurückzuziehen oder Opposition zu machen. Da finden wir Volkspartei und Fortschrittspartei, wir finden Ultramontane, Conservative und Liberale, wir finden Freidenker und Orthodoxe. Mancher hervorragende Name begegnet uns da und Männer, die in der Presse oder in der politischen Arena die verschiedensten Richtungen verfolgen und sich heftig bekämpfen, sie stehen hier friedlich nebeneinander. Da stehen katholische Bischöfe und Erzbischöfe, protestantische Consistorialräthe und Präsidenten, Ordensgeistliche, Pfarrer beider Confessionen, Rabbiner und freireligiöse Prediger; da stehen Fürsten und Grafen, Gelehrte, Kaufleute, Soldaten und Handwerker. Hier zeigt es sich klar, daß ein mächtiges Band doch alle Deutschen zusammenhält, die deutsche Wissenschaft, die deutsche Bildung; daß der König von Preußen und der von Hannover, wie der Demokrat A. oder B. in der deutschen Bildung, in der deutschen Wissenschaft, in dem Studium der Vorzeit, in Kunst und Literatur einen Einigungspunkt haben, der so mächtig ist, daß er alle anderen Zwiste eben als innere Familienzwiste erscheinen läßt.

Die nationale Aufgabe und Bedeutung der Anstalt tritt also auch hier klar heran. Sie ist ein Einigungspunkt für Alle und möge als solcher auch betrachtet werden. Mögen besonders die, welche meinen, es komme auf ihre Gabe nicht an, dessen eingedenk sein!

Die Nation aber, in der es möglich ist, Tausende und aber Tausende zu finden, die für ein ideales Werk, das sie vielleicht nie hoffen können zu sehen, sei es auch nur für wenige Jahre, unter allen politischen und religiösen Streitfragen, unter allen Klagen über Materialismus, jährlich ein kleines Opfer bringen, sie hat ein Einheitsband in sich, das mächtiger ist, als selbst politische Einheit, und wenn es auch aller Anstrengungen der Pfleger bedarf, die stets entstehenden Lücken zu ergänzen, wenn das Directorium, in dessen Händen alle Fäden zusammenlaufen, keinen Augenblick ruhen darf, so ist doch die Thatsache, daß diese Anstrengung ein Resultat hat und fortwährend wirken kann, erfreulich genug.



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