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verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Waren etwa noch an Ort und Stelle Spuren zu entdecken, aus denen der Gang der Ereignisse zu erklären war? – Aber Nürnberg bietet bekanntlich, was die Oertlichkeit betrifft, keine Erinnerung mehr an seine alten Burggrafen. Nachdem im Jahre 1420 der bairische Pfleger des benachbarten Städtchens Lauf, Christoph Leininger, in der Fehde mit dem Baiernherzog Ludwig das Schloß des Burggrafen zu Nürnberg niedergebrannt hatte, verkaufte letzterer die Ruinen sammt den zugehörenden Besitzungen nebst Rechten und Ansprüchen an die Stadt und ließ den Kauf vom deutschen Könige bestätigen. Aber schon lange vorher hatte das nach Selbstständigkeit strebende Geschlecht zu der vier Stunden westlich liegenden Kadolzburg seinen Sitz verlegt, welche, früher ein Besitzthum der Grafen von Abenberg, schon in der zweiten


Schloß Kadolzburg von Nordosten.


Hälfte des zwölften Jahrhunderts durch die Heirath Conrad’s, des ersten Burggrafen aus dem zollernschen Hause, mit seiner zweiten Gemahlin in dessen Besitz gelangt und etwa hundert Jahr später vom Burggrafen Friedrich dem Dritten zu ständigem Aufenthalt gewählt worden war.

Was der Anlaß zu solchem Wechsel gewesen, läßt sich mit geschichtlicher Gewißheit nicht mehr feststellen. Daß Gründe von merkbarer Triebkraft vorhanden gewesen, deutet die Sage an, welche die beiden Söhne des Grafen, Johann und Friedrich, auf einem Ausritt zur Wolfsjagd durch Nürnberger Sensenschmiede erschlagen werden läßt. Daß aber auch seine weiteren Nachkommen den Vortheil der nahegelegenen städtischen Blüthe aufgaben und den Glanz der häufig hier weilenden kaiserlichen Heerlager, wie der Reichstage dauernd mit der Einsamkeit des Rangaues vertauschten, hatte offenbar seinen Grund darin, daß es ihnen im unfruchtbaren Banne des Reichswaldes, den schon die Stadt nach allen Seiten zurückdrängte, zu eng wurde. Jedenfalls aber erwiesen sich die Burggrafen von Nürnberg auch auf ihrem neuen Sitze als mächtige und treue Stützen der deutschen Kaiser, deren mehrere gleich anderen vornehmen Gästen die Burg wiederholt mit ihrem Besuche beehrten.

Als der nicht unwichtigste Theil der Geschichte des Schlosses mag übrigens der Zeitpunkt gelten, wo Burggraf Friedrich der Sechste (1397 bis 1440), der Gemahl der „die schöne Else“ genannten Baiernprinzessin, von der Kadolzburg mit großem Gefolge zum Concil von Constanz auszog, um von da durch Kaiser Sigismund mit der Mark Brandenburg belehnt als Kurfürst Friedrich der Erste zurückzukehren – ein historischer Act, den die Gartenlaube bereits im Jahrgange 1866 in Bild und Text eingehend geschildert hat. Dieser erste Kurfürst Friedrich ist auch der nämliche Burggraf, bei dessen Tod der Chronist in prophetischem Tone sagte: „So entschlief er zu Kadolzburg, nachdem er den Grund zur königlichen Hoheit seines Hauses gelegt hatte – und er mußte ihn legen, weil die höchste Vorsehung seine Nachkommenschaft zu großen Dingen ausersehen hatte.“ – Erst die jüngsten Tage haben die bedeutungsvolle Wahrheit dieser Worte glänzend erwiesen und das Recht erneut, die Aufmerksamkeit des deutschen Volkes wieder auf die Kadolzburg zu lenken, wo die Hohenzollern, nachdem sie Nürnberg schon längst den Rücken gekehrt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1871, Seite 620. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_620.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)