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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

und Streit zwischen zwei Männchen, zu einer Absonderung der Paare und gegenseitigem Schönthun zwischen Männchen und Weibchen: das aber ist auch Alles.

Im April des vorigen Jahres zeigte sich unter der ziemlich starken Gesellschaft der Sultanshühner des Berliner Aquariums eine besonders auffallende Unruhe, welche bald zu einer gehobenen Stimmung einzelner Stücke und sodann zu ungewöhnlicher Kampflust führte. Namentlich eines der Männchen that sich in absonderlicher Weise vor den übrigen hervor, stolzirte mit kühnerhobenem, zuweilen wippend bewegtem Schwanze im Käfige auf und nieder, gesellte sich inniger denn je zuvor zu einem Weibchen, begleitete dasselbe auf Schritt und Tritt, ließ es nicht eine Minute aus den Augen und betrachtete alle übrigen Männchen mit entschieden feindseligen und herausfordernden Blicken. Der Lockruf und vielleicht einzige Stimmlaut unserer Vögel, ein eigenthümlich dröhnendes und dabei doch klagendes „Tröö“, wurde jetzt öfters als sonst vernommen und erhielt, wie wir uns bald überzeugen sollten, die Bedeutung des Schlachtrufes, mindestens der Aufforderung zum Kampfe. Denn ohne eigentlich erklärliche Ursache stürzte sich das rufende Männchen urplötzlich auf ein anderes, welches seine Eifersucht erregt haben mochte, verfolgte es, mit weit ausgeholten Schritten dahinlaufend, durch den ganzen Raum, brachte es endlich zum Stehen und begann nun den Zweikampf nach der bei den Meisten Sumpfhühnchen üblichen Art auszufechten: es prügelte mit seinen langläufigen und langzehigen Füßen tüchtig auf den Gegner los und erhielt in derselben Weise seine Tracht Prügel zurück. Da nun aber die Liebe bekanntermaßen ganz absonderliche Fähigkeiten und Kräfte weckt, war es nicht zu verwundern, daß der angegriffene und wider seinen Willen zum Kampf gestellte Gegner stets nach kurzer Prügelei zu Boden geworfen wurde, die Stellung jedes Besiegten einnehmen mußte und sich sodann, endlich glücklich wieder freigekommen, in eine entfernte Ecke des Raumes flüchtete, ohne seinerseits auch an „Revanche“ zu denken. In demselben Maße, wie sein Muth abnahm, erhöhte sich das Selbstgefühl des siegenden Männchens, und es betrachtete sich fortan als entschiedenen Selbstherrscher im Käfige, fand auch keinen Gegner mehr, welcher es wagte, die Herrschaft ihm streitig zu machen.

Das Gebühren der Vögel, insonderheit des in Rede stehenden Männchens, hatte in mir lebhafte Hoffnung erweckt, und als nun das Pärchen sogar begann zum Neste zu tragen, wußte ich, woran ich war. Unsere Vögel hatten sich eine Niststelle erwählt, auf welche wir mit unserem erhabenen Menschenverstande gewiß nicht gekommen wären, und welche trotzdem als die günstigste des ganzen Käfigs erscheinen mußte. Abweichend von ihrer Gewohnheit, im freien Sumpfe sich eine möglichst vom Wasser umgebene Kaupe zur Niststelle zu suchen, erkoren sie sich in dem Gefelse des Käfigs die höchstgelegene Nische aus dem einfachen und auch für uns schlagenden Grunde, weil sie bei der täglichen Spülung des Käfigs und der Felsen insbesondere am meisten von dem reinigenden Wasser verschont blieb. Zu dieser Nische hinauf trugen sie in Ermangelung geeigneter Niststoffe zunächst die ihnen zur Nahrung gereichten Pflanzentheile, und als ihnen allerlei Baustoffe geboten wurden, diese letzteren. Hierbei betheiligten sich beide Geschlechtern und das streitlustige Männchen vergaß über der Arbeit allen Kampf und Streit. Schößlinge unseres gewöhnlichen Schilfes, welche ich reichen ließ, wurden dankbar angenommen und verbaut; indessen schien mir die Arbeit denn doch zu lange zu währen, und ich beschloß, helfend einzugreifen, nämlich mit eigener Hand ein Nest zu errichten. Einige gröbere Reiser als Unterlage, darauf Strohhalme und endlich aus grobem Heu die Nestmulde, das war der Bau, welchen ich errichtete. Zum Schutze gegen die übrige Bewohnerschaft des Käfigs, unter der sich ein amerikanischer Löffelreiher und ein Scharlachibis durch nicht zu zügelnde Neugier und muthwillige Zerstörungslust des Nestes, oder richtiger vielleicht durch unnütze Spielerei mit den Stoffen desselben, hervorthat, ließ sich durch Dornengeflecht eine schützende Decke über die Nische anbringen und wartete des Erfolges nicht ohne Besorgniß; denn das Nest war, so sehr es der rohen Menschenhand auch Ehre machen mochte, im Grunde genommen doch nichts Anderes, als ein Heuhaufen mit eingedrückter Mulde.

Beide Purpurhühner erschienen, sobald unser Bau vollendet war und wir den Käfig verlassen hatten, an altgewohnter Stelle, betrachteten anfänglich neugierig, sodann prüfend die getroffenen Vorkehrungen und fanden sich bewogen, unser Werk dadurch gutzuheißen, daß sie es einfach in Besitz nahmen. Das Weibchen ordnete die Halmen der Mulde, glättete sie bis zu einen gewissen Graden indem es sich wiederholt um sich selbst drehte, und blieb dann längere Zeit auf derselben Stelle sitzen, gleichsam als freue es sich des erworbenen Besitzes. Das Männchen saß währenddem außen vor dem Neste und verließ den gewählten Platz erst, nachdem das Weibchen ebenfalls aus dem Neste gegangen war. Seine Aufregung erreichte ihren Höhepunkt. Mit hochgestelztem Schwanze, welcher gelegentlich wippend bewegt wurde, um dem Vollgefühle geeigneten Ausdruck zu geben, schritt es durch den Käfig, und wüthend fiel es über jedes andere Purpurhuhn her, welches sich nahte, unhöflich auch über jedes andere Weibchen. Nebenbuhler, welche sich erdreisteten, jetzt noch Stand zu halten, wurden nicht allein mit den Füßen geprügelt, sondern auch mit Schnabelhieben und Flügelschlägen angegriffen. Die Folge davon war, daß es sich die unbedingteste Herrschaft zu sichern wußte, da sich schließlich kein anderes Purpurhuhn mehr getraute, dem kühnen Gesellen entgegenzutreten.

Das Weibchen legte am dreißigsten Mai das erste Ei in das Nest und so einen Tag nach dem anderen, bis das Gelege von vier Stücken beisammen war. Schon während des Legens brachte es täglich mehrere Stunden im Neste zu, vom sechsten Juni ab begann es regelmäßig zu brüten. Möglicherweise wechselten beide Geschlechter während des Brütens ab; wenigstens behaupteten die Wärter, dies gesehen zu haben, und zwar soll das Männchen niemals länger im Neste geweilt haben, als das Weibchen Zeit bedurfte, sich zu sättigen. Im Uebrigen behielt es seinen Stand in der Nähe des Nestes und ließ sofort seine dröhnende Stimme vernehmen, sobald sich ein anderes Huhn dem Neste näherte, während es der neugierigen Zudringlichkeit des gedachten Löffelreihers und Ibis nicht entgegenzutreten wagte. Nach siebenundzwanzig oder achtundzwanzigtägiger Brutzeit schlüpften zwei prächtige Junge aus – ein Ei hatten die Vögel selbst eingedrückt, ein anderes war faul. Beide Junge wurden mehrere Tage lang vom Weibchen im Neste erwärmt, während das Männchen Atzung zutrug. Da ich Störung durch andere Vögel befürchtete, ließ ich in einem andern Käfige ein Nest errichten und das Pärchen, nachdem es vorher durch Anspritzen mit Wasser gezeichnet worden war, herausfangen und mit seinen Küchlein in den andern Käfig bringen. Letztere waren in der That reizende Geschöpfchen, den Jungen unseres Wasserhuhnes in Größe und Färbung so ähnlich, daß man sie auf den ersten Blick wohl für solche hätte halten können, in ihrem Gebahren noch sehr ungeschickt und deshalb der sorgfältigsten Pflege im höchsten Grade bedürftig.

Diese Pflege gewährten ihnen nun freilich die besorgtem Eltern im vollsten Maße. Das verständige Weibchen schien, auch ohne daß wir die Jungen in das Nest gesetzt hatten, sehr bald unsere gute Absicht zu erkennen, führte die Jungen, welche mehr watschelnd als laufend unter beständigem Pipen der Mutter schwerfällig folgten, zunächst in das Nest, überdeckte sie vorsichtig mit den Seitenfedern der Brust und den etwas gespreizten Flügeln, und schien sie zunächst an den neuen Aufenthaltsort gewöhnen zu wollen. Die Atzung der unbehülflichen Kleinen geschah in einer überaus zarten Weise, anfänglich so gut wie ausschließlich durch die Mutter, später, als die Jungen etwas herangewachsen waren und den Alten bereits folgen konnten, durch beide Eltern. Wir hatten diesen ein nach bestem Wissen zusammengesetztes Mischfutter gereicht, welches sich auch als durchaus zuträglich erwies. Frische Ameisenpuppen und etwas fein gehacktes rohes Fleisch, mußten die thierische Nahrung, fein geriebene Semmel, gewiegter Salat und Teichlinsen die Pflanzenstoffe ersetzen, welche unserer Annahme gemäß von freilebenden Purpurhühnern zur Fütterung der Jungen verwendet werden, und wie der Erfolg zeigte, hatten wir uns nicht getäuscht. Beide Eltern näherten sich dem Futtergeschirr, suchten sich aus dem Gemisch das für ihre zarten Sprossen Tauglichste heraus, indem sie mit dem Schnabel das Futter durchwühlten, bald von diesem, bald von jenem Stoffe ein Bröckchen nahmen, oft auch das bereits Gefaßte wieder fallen ließen und ein anderes wählten, packten endlich ein kleines Bröckchen mit der Spitze des Schnabels so behutsam, daß es an dieser mehr zu kleben als von ihr gehalten zu sein schien, bogen sich hierauf zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 735. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_735.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)