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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

wohnen. Vorher mußte er den Pferdestall passiren, in welchem die kleinen javanischen Pferdchen in einer stattlichen Reihe ihrer Verwendung harren. Das Gebell der Pudel darf nicht zurückschrecken, denn selbst der größte, welcher später Frau v. Pompadour vorzustellen hat, kommt dabei nicht aus seinem Verschlage heraus. Geschoren sind sie alle, so daß bei manchem die röthliche Haut in etwas überflüssiger Weise durch die Haare schimmert, die nicht mehr da sind. Geht man nun durch die Thür am Ende weiter, so ist man sofort auf dem hintern Räume der Bühne und kann bis an den Vorhang vortreten. Beiläufig gesagt, ist die Bühneneinrichtung des Affentheaters, möge dasselbe sich da oder dort befinden, überall genau dieselbe, nicht blos etwa wegen des Passens der mitgeführten Dekorationen, sondern auch, damit die dressirten Thiere durchaus nicht durch eine andere als die jahrelang gewohnte Umgebung irre gemacht werden. Jeder Stuhl, jede Kiste, jedes Fenster, kurz Alles ist stets nach einem Wechsel des Orts in der neuen Bude wieder an derselben Stelle.

Die Vorstellungen fast aller Affentheater beginnen mit dem bekannten Gastmahl, welches zwar, um neu zu erscheinen, immer andere Namen auf dem Zettel bekommt, aber gleichwohl dasselbe bleibt und zwar mit vollem Recht. Wir sehen also, wo der Vorhang uns noch von den Zuschauern trennt, die Affen bereits vor ihrer Tafel sitzen, alle auf Stühlen angebunden, und mit großem Ernst die Fresserei erwartend. Noch wird ihnen hier und da Etwas an ihren, Costüm zurecht gezupft, der schief gerutschte Hut wieder ordentlich aufgestülpt etc. Bei den letzten Vorbereitungen zur Vorstellung kommt das gemüthliche Verhältniß zu den Untergebenen noch zur Geltung, besonders das zu dem schon erwähnten großen Mandrill. Dieser hat als Vorsitzender quervor an der Tafel seinen Platz und empfängt als Günstling noch die besondere Liebkosung des älteren oder jüngeren Broekmann in aller Form einer inbrünstigen Umarmung, die er seinerseits freundlich grinsend erwidert, wobei man nicht weiß, ob er jetzt besser oder noch scheußlicher aussieht. Während dies geschieht, sitzt rechts hinter der hintersten Coulisse bereits ein Geschäftsbeflissener, um den die Tafel bedienenden Hausknecht nebst Kellnerin anzukleiden und auszustatten. Dem ersteren ist sein Paviansgesicht bereits mit Kreide weiß bemalt, weiße Hosen hat er auch an, nebst Jacke und Zipfelmütze, er sitzt ruhig auf seinem Bänkchen und sieht schon jetzt, ehe er seinen jammervollen Gang zum Besten giebt, ungeheuer dumm aus, während sein College, der Kellnerinaffe, in seinem bebänderten Kleid und dem schnippischen Hütchen einen grotesk-koketten Eindruck macht. Ganz ruhig, denn sie wissen wie der Schauspieler, der auf das Stichwort wartet, auf das Genauste alles Kommende, sitzen sie, ohne angebunden zu sein, dicht hinter der Coulisse, selbst nachdem der Vorhang aufgegangen ist und der Director das einleitende Gespräch mit der Tischgesellschaft angefangen hat. Jetzt aber ruft derselbe nach der Speisekarte. Schnell wird dieselbe der Affenkellnerin von dem jüngeren Broekmann oder dessen Onkel, die dieses Amt haben, in die Hand oder Pfote gedrückt und hinaus trippelt sie, aufrechten Ganges und unter dem Gejubel der Kinderwelt. Sie bringt auch sämmtliche Eßwaaren hinaus, die immer in einem Körbchen bereit stehen und ihr im nöthigen Augenblick gereicht werden.

Dann aber kommt die Rolle des Pavian-Hausknecht zur Geltung; derselbe erhält eine Flasche und mit mühsam aufrecht gehaltenem Gang humpelt er mit gebogenen Knieen an den Tisch, jede Gelegenheit zum Ausruhen benutzend. Während dies geschieht, werden bereits hinter den Coulissen die nöthigen Vorbereitungen zur zweiten Nummer der Vorstellung getroffen, und zwar wollen wir annehmen, es sei dies der Spaziergang der Madame Pompadour. Es dürfte schwer nachzuweisen sein, seit wann diese ehrwürdige Dame schon zur Affenschande geworden ist, ein guter Gedanke war es jedenfalls, ihr Andenken auf diese Weise zu ehren. So liegt denn Madame Pompadour, bereits angekleidet, an ihrem Platz dicht hinter der Coulisse, die Schnauze in die Falten des sammtnen Kleides gesteckt, während vielleicht ihr Begleiter, ebenfalls ein Pudel, aber um Vieles kleiner, noch angekleidet wird. Der Diener-Affe, bestimmt, Schleppe und Laterne zu tragen, ein schweres Amt für einen kleinen Affen, sitzt mit Ergebung und einem Bedientenmantel bekleidet schon bereit, und es kann nun losgehen. Frau Pompadour wird mit dem schnöden Hundenamen Caro oder dergleichen aufgerufen, bekommt eine große Lockenperücke aufgesetzt und hinaus geht es in der Reihenfolge, wie es bildlich dargestellt ist, mit stattlicher Haltung von Dame und Cavalier und trübseliger Sclavenmiene ihres Bedienten.

Hinter den Coulissen ein immer neues Leben. Der Mandrill, dessen erste Rolle eine ziemlich passive war, hat jetzt erst seine Kunst zu zeigen, vielleicht an dem schlaffen Seil. Er sitzt auf seinem Ankleidestuhl, immer demselben und, wie schon gesagt, stets an derselben Stelle stehend, neben der großen Garderobekiste, und wenn man sich nicht gerade mit ihm beschäftigt, so nimmt er wohl einstweilen die einzelnen Garderobestücke heraus, besieht und beriecht sie, ob Alles in Ordnung ist. Das bringt ihm aber gewöhnlich eine strenge Zurechtweisung oder sogar eine Ohrfeige ein, die er ruhig als wohlverdient einsteckt; sodann geht das Ankleiden in aller Form vor sich, beginnt zuerst mit den Unterbeinkleidern, denen die übrigen Kleidungsstücke folgen, bis endlich das silberglitzernde Tricotcostüm den Schluß macht, und der elegante Künstler fertig ist. Hat er recht ruhig gehalten, so bekommt er aus derselben Kiste ein Stückchen Feige, Dattel oder dergleichen, worauf er dann an der Hand des Directors in aufrechter Haltung hinausschreitet, um durch seine in der That überraschenden Leistungen Kenner und Nichtkenner zu überraschen. Selbstverständlich herrscht aber auch jetzt hinter den Coulissen die immer gleiche Thätigkeit. Eins der schon vorübergehend erwähnten Pferde ist bereits im Stall gezäumt und gesattelt worden und soll nun von dem Affen-Stallmeister der Gesellschaft, einem Babuin-Pavian, geritten werden. Sieht man diesen Kerl, genau in dem Reitcostüm, wie es der Circusbesitzer Renz beim Reiten der hohen Schule trägt, auf seinem Pferdchen frei sitzen und im Wesentlichen diese Beiden alle Leistungen ihres berühmten Vorbildes nachahmen, besonders wenn dann der Affe, man weiß kaum, ob mit mehr Ernst oder Gleichgültigkeit, den Hut abnimmt, so macht dies wirklich eine erschütternd komische Wirkung.

Natürlich kommen hinter den Coulissen manchmal auch unbeabsichtigte Scenen vor, zum Beispiel wenn ein Affe, dem das Warten auf seinem Posten zu lang wird, einen vorüberlaufenden Pudel in den Schwanz beißt oder zwickt, was der Gebissene durch großes Geheul anzeigt; oder wenn ein andrer unglücklicher Pudel seine Sache nicht gut gemacht hat und nun gerechte Vorwürfe empfängt, bei welchen ihm vielleicht der Stiefelabsatz seines Herrn aus Versehen etwas näher kommt als sonst. Am ernstesten geht es hinter den Coulissen zu, wenn ein Thier, und zwar kommt das nur ausnahmsweise bei den Affen vor, sich geradezu widerspenstig zeigt, wie ich das einmal bei dem schon erwähnten Drill sah, dem allerdings dann der Kopf gründlich gewaschen wurde. Dahingegen ist der erwähnte Mandrill ein wahres Muster von Folgsamkeit und Gutmüthigkeit, und man mochte vermuthen, daß dieser Affenart überhaupt mehr Bösartigkeit nachgesagt wird, als sie verdient.

Dieser Mandrill hat in seiner Dressur eine so große Vielseitigkeit, daß es mir schwer würde, alle seine verschiedenen Leistungen aufzuzählen. Unter Anderem exercirt er sehr gut; und zwar sah ich ihn, als das Affentheater im Herbst 1870 in Leipzig war, seine Uebungen als französischer Liniensoldat zeigen. Mir fiel dabei ein, daß eigentlich die Turcos, jene viehischen, von der großen Nation uns entgegengestellten Horden, noch mehr verdienten zur Affenschande zu werden, als Frau Pompadour, die wenigstens uns gleichgültiger sein kann, als den Franzosen.

Auf meinen Vorschlag ließ daher Herr Broekmann seinem großen Mandrill einen Turcoanzug fertigen und er mußte mir darin Modell sitzen. Ein Holzschnitt kann natürlich die grelle Färbung dieses Turcos, besonders seines blau-rothen Gesichtes nicht schildern, indessen wird das Grotesk-Komische der ganzen Erscheinung doch vielleicht in Etwas wiedergegeben sein.

Auf einige zum Zweck dieses Aufsatzes brieflich an Herrn Broekmann gerichtete Fragen habe ich folgende Auskunft erhalten, die ich wörtlich hier mittheile zum Besten derjenigen, welche sich vielleicht ein kleines Affentheaterchen anlegen wollen. Herr Broekmann schreibt mir: „Ich bin bereits siebenzehn Jahre im Besitze des Mandrills, er lebt heute noch und freut sich des besten Wohlseins. Ich halte denselben für zweiundzwanzig Jahre, da ich jetzt noch Gelegenheit habe, an einem andern kleineren Mandrill, der seit vierthalb Jahren in meinem Besitze ist, das spärliche Wachsthum zu beobachten. Am leichtesten sind Magot, Rhesus, Bären-Paviane zu dressiren. Mandrills sind deshalb schwer zu erhalten, weil man sie erst vollständig acclimatisiren muß,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 758. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_758.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)