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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


innigste und beste Ueberzeugung sein, wollte ich Ihnen den gewünschten Wiedehopf senden. Ich würde damit nur einem schädlichen und schändlichen Aberglauben Vorschub leisten; ich würde in Ihnen Hoffnungen unterstützen helfen, welche sich niemals erfüllen können. Lassen Sie sich es gesagt sein mit vollem Ernste: Wenn die Kunst und Wissenschaft der Aerzte Ihnen nicht hilft, ein altes Weib oder ein sogenannter kluger Mann helfen Ihnen mit Sympathie gewiss nicht. Beide wollen Sie nur betrügen und Geld von Ihnen ziehen; Ihr Leiden heilen können sie nicht. Ich will Ihnen einen andern Rath geben, wenn Sie wollen: Wenden Sie sich an einen Ihrer besten Aerzte, fragen Sie ihn, ob er glaube, daß, wenn nicht er, so doch ein hiesiger Augenarzt Ihnen helfen könne, und dann lassen Sie sich entweder von dem dortigen Arzte behandeln, oder kommen Sie hierher nach Berlin, um sich behandeln zu lassen. Ich werde, da Sie arm sind, Sie unterstützen und bei meinen Freunden für Sie bitten, damit Sie, wenn irgend möglich, von Ihrem Leiden befreit werden. Einen Wiedehopf aber sende ich Ihnen nicht, obgleich ich mehrere davon besitze. Denn das Leben eines so schönen Vogels raube ich nicht eines blinden, unsinnigen Wahnes halber. Noch einmal: Wer Ihnen sagt, daß er Ihr Augenleiden durch Sympathie heilen könne, der betrügt Sie und verdient Ihre Verachtung, nicht aber Ihr Vertrauen.“

A. Brehm.



Kleiner Briefkasten.

F. G. in Br–g. Ihre Befürchtung, der Roman „Das Haideprinzeßchen“ von E. Marlitt werde in diesem Jahre nicht mehr zu Ende geführt werden, war, wie Sie heute sehen, grundlos. Um das noch vorhandene umfangreiche Material zu bewältigen, waren wir allerdings schon seit mehreren Wochen gezwungen, der Erzählung in jeder Nummer weit mehr Platz einzuräumen, als dies sonst der Fall zu sein pflegt. Um aber trotzdem der Mannigfaltigkeit des Inhalts für unsere Leser keinen Eintrag zu thun, haben wir uns entschlossen, der heutigen und der nächsten, der Schlußnummer, einen halben Bogen beizulegen. Daß dies nicht ohne bedeutende Opfer unsererseits möglich ist, brauchen wir Ihnen bei der großen Auflage der Gartenlaube kaum zu sagen.

Fr. L. in Rthst. Sie irren doch in Ihren „Wahrnehmungen“ und verfallen mit Ihren Schmähungen in gehässige Einseitigkeit. Die von Ihnen so heftig angegriffene „materielle Richtung der Neuzeit“ hat keine Macht, wenn in Schule und im Elternhaus die wahre Bildung des Herzens nicht vernachlässigt wird. Die wahrhaft rührende Opferfreudigkeit, mit der man zum Beispiel den Verschütteten von Lugau, den Abgebrannten in Chicago, und vor Allen den Verwundeten, Wittwen, Waisen des letzten Krieges helfend beigesprungen, beweist doch am besten, daß trotz aller Ungläubigkeit und allen materiellen Jagens und Rennens das Mitleid und die Menschenliebe nicht gelitten haben. Wir stimmen deshalb auch vollständig dem alten Freiheitsrecken Fr. Hecker bei, wenn er von seiner Farm Summerfield etwas derb schreibt:

„Das entsetzliche Unglück in Chicago hat neben seiner Gräßlichkeit eine der großartigsten, in der Weltgeschichte unerhörten Kundgebungen verzeichnet. Innerhalb acht Tagen hat wie ein Weltpulsschlag sich das Herz der Menschheit geäußert von der Ost- und Nordsee bis zum stillen Ocean, – ein Gefühl der Solidarität der Völker; allenthalben werkthätige Herzen.

Nur ein aus der Urzeit herüberverkreppelter Gorilla mag da noch an der Menschheit verzweifeln oder stupid fortstolpern. Man wirft unserer Zeit den Materialismus vor. Nun, wenn – das Herz die Hand öffnet, kann man sich den Vorwurf schon gefallen lassen. Wenn die Hand, die erwirbt, auch giebt, wenn die Hand, die greift, auch ausstreut, so ist die Welt nicht so schlecht, als man sie macht. Ich danke dem Schicksal, daß ich noch nicht mit dem Idealismus in die Vergantung gekommen bin und noch an die Menschheit glaube.

Blos Elende sind’s, die immer nur die Dreckseite des Völkerlebens sehen und nicht die idealen Seiten der Menschheit erkennen und ihr Statuen errichten, damit der Gemeinheit die Augen schmerzen. Wenn wir nicht auch die besseren Seiten des Menschenthums hervorheben und damit zur Nacheiferung, zum Glauben an dieselben anfeuern, so machen wir aus der Menschheit nur einen Pfuhl, in dem das Genußvieh sich säuisch wälzt.“



Weihnachten der Gartenlaube.

Wir kommen heute nur einer heiligen Pflicht nach, wenn wir den Lesern und Freunden der Gartenlaube, welche unsere Bitte für die

Beschädigten und Unglücklichen des Krieges

in so herzerhebender reichlicher Weise erfüllten, am bevorstehenden Feste der Liebesgaben und am Schlusse unserer Sammlung im Namen aller der Unterstützten unsern herzlichsten tiefgefühltesten Dank abstatten. Nicht ohne innere Befriedigung dürfen wir es sagen, daß durch die theilnehmende Hülfe unserer Freunde viel Kummer gestillt, viel Elend beseitigt, viele augenblickliche Sorge in den Familien und gar manche erschütternde Noth der heimkehrenden Kranken und Verkrüppelten gemildert worden ist. In rührender Weise ist uns dafür unter Thränen und Händedrücken und in Hunderten von Briefen gedankt worden, so oft wir auch versicherten, daß nicht uns, sondern all’ den Braven im Reich und den Brüdern drüben über dem Meere dieser Dank allein gebühre. Es sind das für uns unvergeßliche Augenblicke, die uns zugleich die Ueberzeugung aufdrängten, daß unsere treuen und tapferen Wehrmänner und deren Angehörige es niemals vergessen werden, mit welcher aufopfernden Hingebung die deutsche Nation ihnen gegenüber ihre Pflicht erfüllt hat.

Wir aber schließen nunmehr diese Sammlung und geben nachfolgend noch einen Ausweis über die Verwendung der uns anvertrauten Gelder.

Laut letzter Quittung waren im Ganzen 32,757 Thlr. 12 Ngr, 8 Pf. eingegangen. Seitdem sind an weiteren Gaben noch eingelaufen:

Freiwillige Feuerwache in Kalisch 26 Rubel; Totenweser in Birkinfeld (Ostpr.) 18 Thlr.; Gesammelt durch Clara Schuster in Marienberg 1 Thlr. 15 Ngr.; Waisen-Ersparnisse einer Weimaranerin 2 Thlr.; M. F. in Frankfurt a. M. 6 Thlr.; Frau Olga Schulz in Petersburg durch gesammelte Briefmarken 5 Thlr.; Fünfte Sendung aus Bistritz in Siebenbürgen, von den Gemeinden Tasch und Waltersdorf 18 fl. österr.; Die Deutschen in Terre Haute (Ind.), welche, nur 4000 Köpfe zählend, bereits 3800 Dollars nach Deutschland sandten, noch 236 Thlr.; Erlös aus dem Verkauf der eingegangenen Schmuck- und Werthsachen 71 Thlr. 22½ Ngr.,

in Summa also 33,131 Thlr. 16 Ngr. 3 Pf.

Verausgabt wurde dieser Betrag in folgenden Posten:

An die Frauen der Wehrmänner außerhalb Leipzigs, vom
1. Juli 1870 bis Ende Juni 1871, in wöchentlichen Gaben von 15 Ngr. bis 2 Thlr.
18,597 Thlr. 17 Ngr. 5 Pf.
Einmalige Gaben an besonders bedürftige Familien
von Wehrmännern, in- und außerhalb Sachsens
 2,419 Thlr. 25 Ngr. - ---
Einmalige Unterstützungen an hartbetroffene Gemeinden
und Kranke, laut brieflicher Eingaben
   741 Thlr. -- ---- - ---
Wittwen und Waisen    333 Thlr. -- ---- - ---
Auszahlungen an Verwundete von 2 bis 12 Thlr.  1,705 Thlr. 25 Ngr. - ---
Coursdifferenzen      3 Thlr. 18 Ngr. - ---
An die Wilhelmsstiftung zur Verwendung
für Kriegsbeschädigte aller deutschen Armeen, vorzugsweise für
Unterofficiere, Soldaten und deren Angehörige
 6,000 Thlr. -- ---- - ---
Dispositionsfond für weitere Unterstützungen,
über die später Abrechnung erfolgt
 3,330 Thlr. -- ---- 8 Pf.
in Summa 33,131 Thlr. 16 Ngr. 3 Pf.

Alle Spesen, ebenso alle Porti für ein- und ausgehende Gelder, sind von der Redaction allein getragen. – Zur etwaigen Einsicht liegen die betreffenden Bücher bereit.


Möge fortan unser nun glücklich geeintes Vaterland vor einem Geschick bewahrt werden, das uns abermals zwänge, durch Blut und Tod die heiligsten Interessen und Güter unseres Lebens gegen frevelhafte Herausforderung zu schützen. Für die wiederum bewiesene Opferfreudigkeit unserer Leser und Freunde aber nochmals unsern innigsten Dank.

Leipzig, im December 1871.

Die Redaction der Gartenlaube.
Ernst Keil.  



Zur Beachtung!

Mit nächster Nummer schließt das vierte Quartal unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, die Bestellungen auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Verlagshandlung.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 860. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_860.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)