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verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Friedrich Schiller als Rathsherr und Heirathscandidat in Schweinfurt. In dem trefflichen und bisher vom deutschen Publicum noch nicht nach Verdienst gewürdigten Briefwechsel Schiller’s mit Körner ist eines Heirathsantrags an Schiller gedacht, von dem bisher in keiner Biographie Erwähnung geschehen. Schiller selbst berichtet in einem Briefe an seinen Freund Körner (Bd. I.. S. 288, d. d. Weimar 25. April 1788) darüber Folgendes:

„Einen Spaß muß ich Dir doch erzählen, wenn es noch nicht geschehen ist. Vor einigen Wochen ist durch die vierte Hand die Anfrage aus der fränkischen Reichsstadt Schweinfurt an mich ergangen, ob ich dort nicht eine Rathsherrnstelle mit leidlichem Gehalte, verbunden mit einer Frau von einigen tausend Thalern, die, setzt man hinzu, an Geistes- und äußerlichen Vorzügen meiner nicht unwerth sei, annehmen wolle. Die Stelle soll mich wöchentlich nur zwei oder drei Stunden kosten und dergleichen Vortheile mehr. Wie ich mich dabei benommen, magst Du Dir leicht denken; doch möchte ich eigentlich wissen, wie man auf mich gefallen ist.

Da die ganze Sache mehr der Gedanke einiger Privatleute ist, und man eigentlich nur sagt, daß, wenn ich mich melden würde, sie mir nicht schwer fallen sollte, so erkläre ich es mir so, daß das Ganze eine Idee der Person sein mag, die ich heirathen sollte. Diese hat vielleicht einige Lectüre, die ihr der Menschencirkel um sie herum verleiden mochte, und da mag sie nun denken, daß sie mit ihrem bischen Geld und der Lockspeise einer Stelle einen Menschen fischen könnte, der auch andere Forderungen befriedigt. Der Zufall hat ihr von meinen Schriften einige vielleicht in die Hände gespielt, an denen sie Geschmack gefunden hat, und für einen Juristen hält sie mich ohne Zweifel. So muß ich mir das Räthsel erklären, und der Meinung ist auch Wieland“ etc.

Durch die thätige Unterstützung des mir befreundeten Herrn Jens Sattler (Fabrikbesitzers in Schweinfurt und Mitglied der k. k. Leop.-Carol. deutschen Akademie der Naturforscher) bin ich in den Stand gesetzt (ohne Verletzung der üblichen Discretion, da die Betheiligten nebst näheren Verwandten längst todt sind), folgendes Authentische mittheilen zu können.

Die Liebende, welche Deutschlands Lieblingsdichter angetragen wurde, war die Tochter eines in Schweinfurt lebenden Bürgermeisters. Der damalige Consulent Elias Stepf machte bei Schiller den „Freiersmann“. Er nahm die Sache sehr ernst, und war keinen Augenblick über das Gelingen seines „vortheilhaften Geschäfts“ in Zweifel. Um so größer war später seine Enttäuschung. Er konnte sich nicht genug wundern, daß Schiller „eine so gute Partie“ ausschlug, ja, er wurde geradezu verstimmt durch Schiller’s lakonische Antwort, aus der nicht zu entnehmen war, ob der Dichter für oder gegen die Sache sei, oder ob er nur Zweifel am Gelingen derselben hege. „Was er (Stepf) dem Dichter versprochen, das würde er ohne Zweifel durchgesetzt haben.“

Interessant ist dieser Elias Stepf, der später als Regierungsrath nach Bamberg versetzt wurde, für die Literatur noch insofern geworden, als ein Sohn von ihm, Heinrich Stepf, nach der Hand durch verschiedene schriftstellerische Arbeiten eine wirkliche und nicht gewöhnliche Begabung für die Poesie bethätigte. Heinrich Stepf war mit Rückert, den er 1811 in Jena kennen lernte, auf das Innigste befreundet und stand mit seinem berühmteren Zeitgenossen in unausgesetztem Briefwechsel bis zu seinem Tode, der leider allzu früh erfolgte.

Dr. C. Bayer.

Streifzüge eines Feldmalers. Nr. 5. (Mit Abbildung.) Unser fleißiger Mitarbeiter, Herr Christian Sell, hat heute abermals in seine Kriegsmappe gegriffen und aus derselben die Darstellung eines „Adjutantenrittes in den Ardennen“ hervorgeholt, den ihm der befreundete Officier, der ihn bestanden, mit folgenden Worten geschildert hat:

Bekanntlich hatte die Beschießung und der Fall von Mezières in den letzten Decembertagen des vorigen Jahres darum besondere Wichtigkeit, weil die genannte Festung einen nicht zu unterschätzenden Stützpunkt für die Franctireurs bot, die sich in hellen Haufen in den Ardennen herumtrieben und von hier aus die deutschen Truppen beunruhigten. Ich selbst gerieth auf eine nicht ungefährliche Weise mit ihnen zusammen, und zwar war dies der Fall, als die Landwehrdivision Senden nach der Einnahme von Mezières gegen die nördlich davon gelegene Festung Rocroy vorging. Um nämlich dieses Unternehmen zu decken, wurde ein kleines Detachement, wozu auch mein Bataillon gehörte, gegen die noch weiter nach Norden gelegene Grenzfestung Givet vorgeschoben. Dieser Marsch bot aber, da er ununterbrochen durch gebirgiges und schluchtenreiches Terrain führte, der Mühseligkeiten gerade genug und war auch sonst nicht ohne Gefahr, da sich die Franctireursbanden ziemlich nahe heranwagten, uns neckend, nie Stich haltend und doch stets beunruhigend. Wir hatten endlich unsern Bestimmungsort erreicht und mit den Anderen freute ich mich eben, mich einer relativen Ruhe hingeben zu können, als mir der Auftrag wurde, nach dem etwa drei Meilen entfernten Stabsquartier zu reiten und weitere Befehle einzuholen. Als Bedeckung wurden mir drei Husaren mitgegeben.

Der Weg führte uns durch schneebedeckte Schluchten und Wälder, an steilen, felsigen Abhängen vorbei, über eisglatte Wege, an rauschenden oder halb im Frost erstarrten Wasserfällen vorüber, und selbst Verhaue und andere Hindernisse blieben uns nicht erspart, die der Feind mit gefälliger Hand aufgethürmt hatte, uns wenn nicht ab-, doch wenigstens aufzuhalten. Aber vermöge meiner vorzüglichen Karte erreichte ich dennoch glücklich das Hauptquartier, wo ich leider ziemlich lange auf die zu empfangenden Befehle warten mußte. Was mich aber noch peinlicher berührte, war, daß man mir, als ich meinen Rückweg durch die inzwischen hereingebrochene stockfinstere Nacht antrat, auf höheren Befehl zwei Husaren abnahm, so daß ich meinen Weg in Begleitung nur eines Husaren fortsetzen mußte, obwohl, wie schon gesagt, die ganze Gegend voll Franctireurs steckte. Es war schneidend kalt geworden. Um mein Detachement möglichst bald zu erreichen, ritt ich, wo es nur irgend ging, Carrière, selbst über Gatter und Verhaue hinweg, meinen wackern Husaren immer treu zur Seite. Ich verfolgte meinen Weg auf gut Glück, denn von meiner Karte konnte ich der vollständigen Finsterniß wegen keinen Gebrauch machen. Eben hatten wir einen ziemlich großen Wald passirt, vor uns eine weite glatte Schneefläche, jenseits wieder von Wald begrenzt; da, indem ich den Weg zu erspähen suchte, gewahrte ich an der gegenüberliegenden Waldlisière dunkle Gestalten sich hin- und herbewegen. Das konnten nur Franctireurs sein! Der Mond, inzwischen aufgegangen, beschien uns hell, unsere Gestalten hoben sich nur allzu deutlich von der lichten Schneedecke ab, wir durften nicht säumen.

Mein Entschluß war im Nu gefaßt. Schnell riß ich den dictirten Befehl aus meinem Notizbuch und wickelte ihn in der Hand zusammen, um ihn, sollte ich verwundet oder gefangen werden, sofort verschlucken zu können; denn in die Hände des Feindes durfte der Befehl in keinem Falle gerathen. Nun aber, den Säbel los und die Schußwaffe hoch, die Köpfe hinter die Pferdehälse geduckt, ging es fort in sausendem Carrière und der Richtung zu, wo ich ungefähr den Waldweg vermuthete. Paff! Paff! knallte es sofort die ganze Linie der Waldlisière hin und vom Echo gegenüber hundertfach wiederholt; ich vernahm das Pfeifen einer Kugel über meinem Kopfe hin; aber wir Alle, Roß und Reiter, blieben unverwundet und wie wir den Franctireurs näher kamen, kniffen die feigen Kerle sogar aus. Zu unserem Glück erreichten wir denn auch den richtigen Waldweg und auf ihm ging es nun über Steine, Baumstämme und selbst bergan in gestrecktem Galopp vorwärts, bis unsere Pferde vor Erschöpfung zusammenzubrechen drohten. Ich gönnte ihnen eine kurze Weile Rast, deren auch wir dringend bedurften. Denn trotz der strengen Kälte lief uns der Schweiß stromweise herunter. Dafür waren wir einer fast sichern Todesgefahr oder doch der Gefangennehmung entgangen, erreichten spät Abends glücklich unser Detachement und erfuhren zwei Tage später zu unserer Befriedigung die geglückte Einnahme von Rocroy.



Bock’s Briefkasten.

An die Eltern schwachsinniger Kinder. Solche Kinder müssen sobald als nur möglich Anstalten übergeben werden, wo sie fortwährend, bei Tag und ebenso auch bei Nacht, unter der Aufsicht sachverständiger Lehrer stehen und einer passenden pädagogischen Erziehung unterworfen sind. Im elterlichen Hause und in der Schule können solche Kinder niemals, auch bei dem besten Unterrichte nicht, für’s praktische Leben richtig erzogen werden. – In Leipzig, wo eine nicht unbedeutende Anzahl schwachsinniger Kinder den Lehrern mancher Schulen das Lehren sehr erschwert und ihren Mitschülern im Lernen sehr hinderlich ist, existirt eine Anstalt für derartige Kinder nicht, da die Herren Stadtverordneten, trotz zweimaliger Aufforderung von Seiten des Stadtrathes, die Gründung einer solchen Humanitäts-Anstalt für ganz überflüssig, wohl aber die Gründung einer höheren Bürgerschule für die Kinder gebildeter Bürger für sehr nothwendig erklärten. – Mit bestem Gewissen kann der Unterzeichnete eine Anstalt kleineren Umfanges empfehlen, die von einem erfahrenen, sachverständigen Lehrer unter Beihülfe zweier tüchtiger Frauen geleitet wird und dem Unterzeichneten durch Augenschein bekannt ist. Sie befindet sich in der Nähe von Leipzig, in Dahlen, an der Leipzig-Dresdener Eisenbahn, und der Director heißt Epstein.

Bock.



Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das vierte Quartal und der neunzehnte Jahrgang unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen (zwanzigsten) Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.


Mit der ersten Nummer des neuen Jahrgangs beginnen wir den Abdruck der Erzählung

Am Altar von E. Werner,

dem Verfasser der mit so vielem Beifall aufgenommenen Novelle „Ein Held der Feder“, woran sich weitere Beiträge von L. Schücking, H. Schmid, F. Spielhagen u. A. reihen werden. Obgleich die Versicherung kaum nothwendig sein dürfte, daß wir auch den übrigen Theilen unseres Blattes die gewohnte Aufmerksamkeit zuwenden werden, wollen wir doch hier namentlich hervorheben, daß wir auf dem naturwissenschaftlichen Gebiete von Bock Beiträge über „Glaube und Wissenschaft, oder die Grundzüge des Darwinismus“, und von Carl Vogt über den „Fischförmigen Riesenfuß, ein Seegeheimniß“, bringen werden. Von den zur Veröffentlichung bereitliegenden culturwissenschaftlichen Artikeln nennen wir hier nur: „Die Fahrten der Geschwister Rainer“, von Ludwig Steub. Brehm wird uns schon in einer der nächsten Nummern mit „Bärenjagden in Kroatien“ erfreuen.
Leipzig, im Dezember 1871.

Die Redaction und Verlagshandlung.


Geschmackvolle Decken zum Einbinden der Gartenlaube sind durch alle Buchhandlungen auch zum Jahrgang 1871 zu dem billigen Preise von 13 Ngr. zu beziehen.

Die Verlagshandlung.

Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1871, Seite 878. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_878.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)