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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Kriege eine Rolle gespielt, darüber ist nichts Zuverlässiges vorhanden. Auch die Sage von dem Ritter, der heute noch in Stein gehauen über dem Schloßthore steht, entbehrt jeder historischen Begründung. Man erzählt sich nämlich vom Fahnenträger der Besatzung Scharfenbergs im dreißigjährigen Kriege, der sich mit der Fahne lieber vom Thurme herabgestürzt (und noch dazu glücklich entkommen sei), als den Schweden übergeben habe. Das Steinbild des Ritters spricht schon für eine viel frühere Zeit. Auf den Trümmern eines vom Blitz zerstörten großen Thurmes mit Capelle hat Dietrich von Miltitz das sogenannte „Burggärtchen“ anlegen lassen, einen der schönsten Punkte unseres an herrlichen Fernsichten schon so reichen Elbthales.

Das Elbdampfschiff führt uns unmittelbar bis an den Fuß der alten Burg, die aus waldiger Höhe auf uns herabschaut, und ungefähr eine Meile von Meißen liegt. Wir steigen durch eine Allee alter Linden hinauf und betreten das Schloß durch das Portal, welches unser Bild zeigt; dasselbe führt in den malerischen Hof, der am Ende von einer mächtigen Linde beschattet wird.

Hinter einem eisernen Gitter sind Reste von Schädeln und anderen menschlichen Gebeinen aufbewahrt, die theils im Burgverließ, theils in den Burggräben aufgefunden wurden. Das Burgverließ, von dem wir eine getreue Copie liefern, was allerdings ohne die leuchtende Castellanstochter in diesem nächtigsten Dunkel nicht möglich gewesen wäre, liegt außerhalb des Schlosses zur Rechten. Es ist kaum zehn Schritte im Durchmesser und von rohen Steinen im Kuppelbau aufgeführt. Man steigt durch eine sehr enge und niedrige Pforte ungefähr zwölf Stufen hinunter und gelangt mittelst einer Leiter in die grausige Oede. Eine traurige Reliquie, ein Schädel, liegt noch auf einer Bank, und die in die Wände und an den Fußboden befestigten eisernen Haken und Ringe sind nur zu beredte Zeugen einer furchtbaren Justizpflege.

Die ebenfalls unterirdischen Gefängnisse, im Schloßhofe rechts gelegen, sind theilweise, wie die Pferdeställe, in Felsen gehauen. Zu diesen Gefängnissen führen ebenfalls sehr niedrige Thüren, und die Fensterlöcher sind so eng, daß sie eine Vergitterung überflüssig machen. In einer Vorhalle befinden sich noch die Ketten, Fesseln und Ringe, die hier gefunden wurden; es ist in der nämlichen, wo der alte, aus braunen Fliesen zusammengesetzte Schenktisch steht, der mit sehr guten Medaillon-Bildnissen der Kaiser Albrecht des Zweiten, Rudolph des Ersten, Maximilian des Ersten, Ferdinand des Zweiten, Friedrich des Dritten und Vierten und Maximilian des Zweiten verziert ist, die ebenfalls in Thon gebrannt sind. Ausdrücklich sei hierbei aber bemerkt, daß alle zu diesem Schenktisch verbrauchten Fliesen Reste eines riesigen Ofens aus Meißen sind.

Eine enge gothische Pforte am Ende des Schloßhofes führt in genanntes Thurmgärtchen, von wo aus man eine der entzückendsten Fernsichten genießt. Die Worte, die über dem Spitzbogen in lateinischer Sprache eingehauen sind, geben keine geringe Meinung von der Gesinnung des damaligen Schloßherrn, denn sie heißen auf deutsch:

Mag sie in Trümmern zerfallen, die vielgepriesene Veste
 Eines edlen Geschlechts, wenn nur der Edelsinn bleibt!

Die sonstigen Räumlichkeiten des Schlosses bewahren nur zum Theil einen eigenthümlichen Charakter und sind wegen ihrer großen Anzahl auch nur theilweise bewohnt. Zwei Zimmer mit schön gerippten gothischen Decken, sowie eine Treppe aus letzter Renaissance-Zeit sind von besonderm Interesse; ebenso ein Ofen von 1688, auf dessen Platte steht: „Fortuna ut luna“, „Das Glück ist wie der Mond“, das heißt, gleich wechselvoll.

Auf der Rückkehr stiegen wir thalwärts über das Gerölle, das neuerdings wieder aus dem Silberschacht „Güte Gottes“ zu Tage gebracht wurde, und warfen noch manchen Blick auf das alte Scharfenberg da oben, das wie ein Adler aus seinem Horste schaut. Mögest du immer so pietätvolle Herren haben wie jetzt! Das war der Wunsch, mit dem wir von der alten Burg schieden.

H. Kg.




Ein Stillleben in der Havel.


Von Georg Horn.


(Schluß.)


Bevor wir den eben geschilderten Theil der Pfaueninsel verlassen, um uns nach einem noch schlichteren und einfacheren Hause an ihrem östlichen Ende zu wenden, werfen wir einen letzten Blick auf das durch die Königin Luise für immer geweihte Schlößchen und werden noch einer erhebenden Erinnerung gerecht, nicht nur darum, weil sie sich als die neueste und jüngste an diese Stätte knüpft, sondern mehr noch, weil sie mit den bedeutungsvollen Ereignissen des vorigen Jahres im Zusammenhange steht.

Es war am 23. Juni 1871, sieben Tage nach dem Siegeseinzug der Truppen in Berlin, nach dem Rausche und Klange jener Feste, die sich als eine persönliche Huldigung für den neuerstandenen deutschen Kaiser gestalteten, da zog es den Sohn Friedrich Wilhelm’s und Luisens mitten aus dem Siegesrausch und Volkesjubel hinaus in die grüne Einsamkeit der Pfaueninsel. Nur von seiner engern Familie, von seinen Kindern, dem Kronprinzen und der Großherzogin von Baden und seinen Enkelkindern umgeben, nahm er zuletzt seinen Weg nach dem Schlößchen und stieg die Treppe hinauf nach den Zimmern seiner Eltern, nach dem Thurmgemache, wo er vielleicht oft die Thränen seiner Mutter über die Erniedrigung Preußens hatte fließen sehen, nach dem Saale, wo das altmodische Spinet stand, aus dessen Tönen sich die Königin oftmals Trost und Stärke für ihre gebeugte Seele geholt haben mag, und nun setzte sich die Urenkelin, die siebenjährige Prinzeß Victoria von Baden, an das Spinet, auf den Stuhl der Urgroßmutter und stimmte vor dem aufmerksam lauschenden, auf’s Höchste überraschten Großvater das „Heil Dir im Siegerkranz“ an.

Halten wir noch unser Auge auf das prachtvolle Bild vor uns gerichtet, auf die spiegelklare Havelfluth, über die sich in kühnen Bogen die Brücke von Glinicke wölbt; jener rechts aus dunklen Kiefern emporschauende Campanile ist der Glockenturm der Heilandskirche am Port, weiterhin nach links ragen Thorzinnen des Parks von Glinicke aus dem Baumdickicht auf; jenseit der Brücke, auf waldiger Höhe wird ein Thurm des Schlosses von Babelsberg sichtbar, der Schöpfung und dem Lieblingsaufenthalt des Kaisers; die hochwehende Fahne zeigt an, daß derselbe augenblicklich dort weilt, jene imposante Kuppel, die den Horizont begrenzt, ist die Kuppel der Nicolai-Kirche in Potsdam, der schlanke Thurm rechts derselben gehört zur dortigen Garnisonkirche, der Ruhestätte Friedrich’s des Großen; die beiden durchbrochenen Thürme mit den sie verbindenden offenen Galerien rechts im Vordergrunde, dem Babelsberg gegenüber, auf grüner, waldiger Höhe, dem Pfingstberge gelegen, sind der äußerste vorgeschobene Posten der Gärten von Sanssouci. Das dunkle Grün der märkischen Fichten vermischt sich mit den lichten Tönen des Laubholzes und löst sich, in die Ferne sich verlierend, in Nebelblau und Sonnenduft auf – es ist ein Bild voll idyllischer Ruhe, voll stillen Reizes und bewegten Lebens – aber trennen wir uns davon und nehmen wir unseren Weg landeinwärts nach dem östlichen Ende der Insel. Derselbe geht erst durch Blumenanlagen, dann durch einen Parkwald von jungen Eichen auf einer sanftansteigenden Höhe der Insel immer am Wasser entlang, nach einer Weile thalwärts, an das Ufer derselben.

Ein bescheidenes Haus taucht vor unseren Blicken auf, es besteht aus Parterre und einem Giebelgeschoß, es ist von der Havel nur durch einen kleinen Vorgarten getrennt und rings von Reben eingehegt, so daß die Trauben einem fast die durstigen Lippen berühren – eine gute Vorbedeutung. Das Haus gemahnt uns, als stände darüber geschrieben: „Tritt nur frischen Muthes ein, hier grüßt dich eine gastliche Pforte“. Wir sind bei Mutter Friedrich. Die Genannte ist die Frau des Maschinenmeisters Friedrich. Dieser ist auch sonst Meister in eingelegten kunstvollen Arbeiten aus Schildpatt, Elfenbein, Perlmutter, Gold und Silber; er hat darin prachtvolle Sachen gearbeitet, er hat sich das Prädicat

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_027.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)