Seite:Die Gartenlaube (1872) 029.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

so frisch und rüstig wie ein Junger, und ihr die Hand gab und dabei sagte, daß sie zu ihm nicht Kaiser sagen dürfe, daß es zwischen ihnen Beiden beim Alten bliebe, und wie er sich da in der stillen abgeschlossenen Laube am Wasser so behaglich gefühlt und sich ihr Mahl so gut habe schmecken lassen und ihr dann mit freundlichem Lächeln gesagt:

„Ja, Mutter Friedrich, am schönsten und besten ist es doch auf der Pfaueninsel.“





Deutsche Gräber in der Fremde.


3. Der Organist von Treuen.


Es war Anno Dreißig nicht recht geheuer in den voigtländischen Bergen. „Es donnert ennet dem Rhistrom!“ singt Hebel. Es donnerte damals auch in der kleinen Stadt Treuen, hoch oben, wo der blaue Schiefer wächst, den man den Leuten „auf’s Dach giebt“, und wo damals der arme und ehrliche Weber am Webstuhl der Zeit saß und sich eine bessere Zukunft „zu Faden schlagen“ wollte.

Die jungen Leute von heute wissen nicht, mit wie wenig damals das Volk zufrieden gewesen wäre! Auch dieses Wenige, das von Anno Dreißig an allmählich kam, fast eitel Scheinbares, kostete harte Kämpfe! Da und dort ein Leben und viele Millionen Tage menschlicher Freiheit! – Der Hauptkampf, besonders an kleinen Orten, brach damals gegen die noch frohnberechtigten, meist adeligen Rittergutsbesitzer los, gegen die „Schlösser“ und die „gnädigen Herren“, die den Herrn Pfarrer creirten, den Herrn Gerichtsdirector commandirten und mit des Gerichtsdieners Stock exercirten; da war alles bei einander, weltliche und geistliche Polizei, sammt der blinden Frau Justitia. Dies war wohl auch der Feudalzettel, den die guten Bürger von Treuen abschneiden wollten und weshalb der Provinzialaufruhr durch die einzige Hauptstraße des Städtchens dahin tobte, Gerichtshaus und Gefängniß belagerte, Scheiben einwarf, daß es klirrte und „Kies und Funken stoben“ und jeder „gutgesinnte“ Bürger und „gnädige Herr“ mit sammt der „gnädigen Frau“ sich flüchtete. Nur die armen verwalterlichen und gerichtsdienerlichen oder sonst subalternen Häute hingen die kleinen Dynasten der „Volkswuth“ entgegen und dieselben wurden denn auch manchmal weidlich durchgegerbt. Die Leute rächten sich an der Ruthe, da ihnen die Hand, die sie damit geschlagen, entgangen.

So ging es denn besonders in Treuen kunderbunt her 1830. Gesetz und Ordnung waren aufgelöst, das Gefängniß, die Bastille, lag halb in Trümmern, sogar die fetten Schweine des Wachtmeisters wurden nicht geschont, wie die Volkschronik erzählt. Die Armee war fern, sie mußte die sächsischen Niederlande bewachen; es brandete und donnerte auch dort unten in den großen Städten; dazu waren die zwölftausend Mann des stehenden Heeres von dazumal ohnehin nur eine homöopathische Dosis gegen die Millionen politischer Fieberan- und -einfälle jener Zeit.

Da rückten zwei mächtige Donnerbüchsen in’s Feld, sie pflanzten sich hoch auf mitten im Steinhagel und sendeten ihre Redegeschosse gegen die wilden Bastillenstürmer; es waren zwei junge Männer: der von uns in Nr. 2 berührte Karl Todt, und der seit 1825 in Treuen angestellte Oberlehrer und Organist Karl Böhme.

Ruhestätte Karl Böhme’s in St. Manz.

Diese beiden jungen Männer machten mit der Gewalt ihrer Rede und durch das Vertrauen, das schon damals die Bürger ihnen schenkten, der „tollen Woche“ ein Ende; sie vermittelten – und ernteten, wie die Freisinnigen aller Zeiten, als die Gefahr vorüber war, schlechten Dank, sie kamen in’s schwarze Buch, das einzige Symbol deutschmetternich’scher Polizeieinigkeit, sie blieben darin ihr Lebenlang.

Die Bastillenstürmer aber wurden in ziemlicher Anzahl des Aufruhrs gegen die von Gott gesetzte Obrigkeit selbstverständlich überwiesen und in’s Correctionshaus befördert. Karl Böhme wirkte von da an Jahre lang im Stillen, wie es das politische Veilchen jener Tage nothwendig hatte, wenn es unter bureaukratischer Pfefferminze, geistlichen Disteln, feudalen Brennnesseln und polizeilichem Bitterklee noch ein ganz klein wenig duften wollte; er wurde Vorsteher der Stadtverordneten und zog sich als Schulmeister manchen braven Jungen heran.

Inzwischen wurde es „Tager“; 1848 fuhr, wie Lenore um’s Morgenroth, empor aus alten Träumen. Es bildete sich aus der liberalen Partei heraus eine demokratische, und diese sendete ihre Mannen, v. Dieskau, den alten Kämpen, und v. Trützschler, den jungen, – der später in Mannheim auf dem Sandhügel den Tod des politischen Märtyrers starb – hinauf in’s Frankfurter Parlament, zwei Edelinge des Volkes. Die erste große Volksversammlung hielten die Unter- und Obervoigtländer zusammen bei Schöneck, und dort, wie im nahen stillromantischen Waldhaus (heute nur noch berühmt wegen seiner vorzüglichen Knackwürste) und an manch anderem heimlichen Orte, durch die Wälder, durch die Auen, zogen die damaligen Führer ihre Soldaten der Freiheit und Einheit zusammen, begeisterte Reden entflammten die Herzen. Die gesammte Reaction, Bureaukratie, Adel, Militär, Absolutismus, Muckerthum und wie die Nebelgestalten alle hießen, durch die der politische Volkserlkönig dahin brauste, im schwarzrothgoldnen Mantel das schon halbtodte Kind der Einheit und Freiheit, lagen scheinbar, aber wohlberechnend zu den Füßen der jubelnden Menge. Beschlüsse auf Beschlüsse, Volksversammlungen an allen Orten und Enden, Zeitschriften aus der Erde wachsend, fliegende Blätter in allen Lüften, Karl Böhme überall dabei. In Treuen erschien unter seiner Mitwirkung der demokratische „Voigtländer“, der sich noch ziemlich lange hielt; Böhme wurde Präsident des Vaterlandsvereins.

Da kamen die Maitage von 1849. Es wurde rekrutirt und marschirt, mit Jagdflinten, Pistolen und Sensen gedachte man die deutsche Reichsverfassung zu retten. Guter Wille, schwache Kraft, wenig Leute. Einige Tage provisorische Regierung, dann politischer

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_029.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)