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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

„In Ihren Worten sollte doch wohl eine solche Drohung liegen,“ gab Benedict kalt zurück. „Ich habe nur diese eine Antwort darauf!“

Ottfried hatte jedenfalls geglaubt, einen ausgezeichneten Trumpf in der Hand zu haben; er sah jetzt, daß auf diesem Wege nichts zu erreichen war, und ließ deshalb den Gegenstand fallen.

„Es handelt sich nicht darum,“ sagte er scharf, „sondern um Ihre unberufene Einmischung in meine Angelegenheiten. Ich weiß, daß mein Vater Sie zu meinem Beichtiger bestimmt hat, und diese Bestimmung gab jedenfalls den alleinigen Anlaß dazu; aber ich möchte Sie denn doch darauf aufmerksam machen, Hochwürden, daß ich Ihnen außerhalb des Beichtstuhls keine Befugniß zuerkenne, mein Thun und Lassen einer Kritik zu unterziehen, am allerwenigsten in der Art und Weise, wie es vorhin geschah. Den Bauern mag dies unfehlbare Auftreten imponiren, und ihnen gegenüber mag es auch am Platze sein – ich beanspruche andere Rücksichten!“

Die dunklen Augen Benedict’s richteten sich fest und stolz auf den Grafen. „Was mir das Recht zum Einschreiten bei den Bauern giebt, wird wohl auch Ihnen gegenüber am Platze sein, Graf Rhaneck. Uebrigens handelte ich diesmal nicht in meiner Eigenschaft als Priester, ich erfüllte einfach meine Pflicht als Mann, indem ich ein junges, unerfahrenes Kind vor Einflüsterungen und Betheuerungen bewahrte, denen es wahrscheinlich geglaubt hätte, und die in Ihren Augen jedenfalls so leicht wiegen, daß sie nicht über die Zeit Ihres Aufenthaltes hier hinausreichen. Wenn Sie sich überhaupt im Rechte fühlten, warum wichen Sie dann meiner Autorität? Ihrer Bewerbung steht ja wohl der Weg nach Dobra offen, ich bezweifle aber, daß Sie eine solche beabsichtigten.“

„Ich werde Sie schwerlich zum Vertrauten meiner Entschlüsse machen!“ unterbrach ihn Ottfried hochfahrend, „und ich wiederhole es Ihnen, ich dulde fernerhin dergleichen Einmischungen nicht. Wenn ich mich diesmal fügte, so geschah es aus Rücksicht für meinen Vater und meinen Oheim, nicht aus Rücksicht für Sie.“

„Ich weiß es! Auch beanspruche ich weder, noch wünsche ich eine Rücksicht von Ihnen, Herr Graf!“

Der kalte verächtliche Nachdruck, den Benedict auf die letzten Worte legte, hätte wohl auch einen Anderen als Ottfried gereizt, den jungen Grafen, der gewohnt war, sich für unnahbar anzusehen, empörte er.

„Erinnern Sie sich gefälligst, mit wem Sie sprechen, Herr – Bruno. Sie scheinen ganz zu vergessen, daß Sie das Priestergewand, das Sie allein so kühn macht, einzig der Gnade meines Vaters danken. Ohne diese Gnade ständen Sie jetzt im Bedientenrock hinter meinem Stuhle und müßten meiner Befehle gewärtig sein.“

Ottfried hatte, als er diese verletzenden Worte hinwarf, doch wohl nicht geahnt, welche furchtbare Wirkung sie hervorbrachten. Benedict war leichenblaß geworden, seine Hände ballten sich krampfhaft und seine Augen schossen einen Blick, daß der Graf einen Schritt zurücktrat und unwillkürlich sein Gewehr fester faßte.

„Sie werden diese Beleidigung zurücknehmen!“ stieß er heraus und der kochende Ingrimm erstickte fast seine Stimme. „Hier auf der Stelle werden Sie das thun!“

Ottfried hatte inzwischen seine augenblickliche Bestürzung überwunden und sich wieder gefaßt. „Ei, Hochwürden, das ist ja ein recht priesterliches Benehmen!“ höhnte er. „Wollen Sie mich nicht lieber gleich auf Pistolen fordern? Ihr Aussehen ist ganz darnach!“

Was die Beleidigung begonnen, das vollendete der Hohn: außer sich gebracht, that Benedict einen Schritt ihm entgegen und der Ausdruck seines Gesichtes war derart, daß Ottfried’s Hand nach dem Hirschfänger an der Seite zuckte, aber er hätte nichts Schlimmeres thun können, als gerade dies. Der junge Mönch sah die Bewegung und im nächsten Moment hatte er sich auf den Grafen gestürzt, ihm mit einem einzigen kraftvollen Griffe die Waffe entrissen und ihn selbst zurückgeschleudert, so daß er gegen die nächsten Bäume taumelte.

Jetzt aber wurde Ottfried’s Antlitz auch leichenhaft. Der Schimpf, der ihm soeben widerfahren, raubte ihm alle Besinnung, er riß die Büchse von der Schulter und legte an.

Da auf einmal ward der Lauf des Gewehrs zur Seite geschlagen und sein Arm mit Gewalt zurückgehalten „Bruno – Ottfried – auseinander!“ tönte eine fremde Stimme, und der alte Graf Rhaneck trat zwischen sie.

Der Graf war gleichfalls im Jagdanzuge, die laut streitenden Stimmen mochten ihn wohl herbeigezogen haben, er kam gerade im Moment, um ein Unglück zu verhüten.

„Auseinander, sage ich!“ wiederholte er gebietend, aber noch bebte die Todesangst in seiner Stimme. „Was ist vorgefallen? Was gab es zwischen Euch?“

Die beiden jungen Männer schwiegen, aber das Erscheinen Rhaneck’s wirkte sehr verschieden auf sie. Ottfried, gewohnt sich der Autorität des Vaters zu fügen, hatte die Büchse gesenkt und war gehorsam einige Schritte zurückgetreten, Benedict stand noch immer da wie ein gereizter Löwe, die Waffe in der hocherhobenen Hand, das Auge sprühend und zwischen seine Brauen grub sich tief die verhängnißvolle Falte. Nicht auf der des Majoratserben, auf seiner Stirn stand der finstere Familienzug des Rhaneck’schen Geschlechts, stand jetzt auch die ganze Härte und Grausamkeit desselben: so mußte der Graf, so der Prälat aussehen, im Momente der höchsten Erregung; die eine Linie veränderte auf einmal den ganzen Charakter des Gesichts und zeichnete dort eine Aehnlichkeit, die sich sonst nie in der leisesten Spur verrieth.

Auch Rhaneck sah sie und trotz Zorn und Angst glitt doch eine Secunde lang ein Ausdruck von Stolz und Zärtlichkeit über seine Züge, aber sie wurden sofort wieder ernst, als er sich dem noch immer trotzig Dastehenden näherte.

„Bruno, was soll die Waffe in Deiner Hand?“ fragte er mit schwerer Betonung.

Der junge Priester zuckte zusammen, er verstand die Mahnung, stumm blickte er wieder auf sein Ordensgewand und langsam entsank das Messer seinen Händen.

„Ihr waret im Streite!“ begann der Graf von Neuem, „was war die Veranlassung dazu, wer von Euch hat ihn angefangen?“

Stumme Pause, keiner der Beiden regte sich.

„Bruno!“ er wendete sich vorwurfsvoll an diesen, „Du zum Mindesten hättest das bedenken sollen, was Du Deinem Stande schuldig bist. Ziemt dieser wilde Jähzorn dem geweihten Priester?“

Benedict blickte finster auf. „Legt mein Stand mir auch die Verpflichtung auf, zu dulden, daß Graf Ottfried ihn mir als eine Gnade seiner Familie vorwirft? zu dulden, daß er mir die Bedientenstelle hinter seinem Stuhle zuweist?“

Der Graf fuhr auf. „Ottfried, das hast Du gewagt?“ Ein Blick glühenden Zornes traf den Sohn, aber dieser hob jetzt auch trotzig das Haupt.

„Ich habe Herrn Pater Benedict an die Schranken erinnert, die er mir gegenüber vergessen hat!“

„Wenn Du wirklich diese Worte ausgesprochen hast, so wirst Du sie zurücknehmen und Bruno um Verzeihung bitten!“ befahl der Graf mit einer Härte, die wenig Väterliches hatte.

„Mein Vater!“

„Ottfried, Du wirst!“

„Nun und nimmermehr!“ rief Ottfried heftig und der Blick, den er dabei auf seinen Gegner schoß, war so voll Haß, daß der Graf einsah, er dürfe den Conflict nicht bis zum Aeußersten treiben. Er trat zu Benedict und legte die Hand auf dessen Arm.

„Ottfried ist jetzt zu gereizt, er wird sich besinnen und in einer ruhigen Stunde Dir die Abbitte leisten. Gieb Dich zufrieden, Bruno, ich sage Dir, es wird geschehen.“

Benedict zog kalt den Arm zurück. „Herr Graf ich verzichte auf eine erzwungene Genugthuung! Ich stand im Begriff, mir gegen eine Beleidigung selbst Recht zu schaffen, fremdem Einfluß mag ich es nicht danken.“

„Fremdem? Bruno!“

Der Vorwurf klang beinahe schmerzlich, aber der Graf richtete nun einmal nichts aus mit dieser Milde seinem Schützlinge gegenüber, in dessen Auge lag wieder der alte Widerwille, die geheime Abneigung, mit der er jede Annäherung, jede Zärtlichkeit, die von dieser Seite kam, zurückwies.

„Ich muß jetzt wohl wünschen, Sie wären mir fremd geblieben mit Ihrer Gnade und Ihren Wohlthaten, Herr Graf!“ sagte er hart. „Ich habe diese Wohlthaten von jeher gehaßt: sie wurden mir aufgezwungen, als ich noch ein Kind war, und als ich zum Bewußtsein erwachte, hatte man bereits Sorge getragen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_087.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)