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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Ist das Faß glücklich im Keller angelangt, so wird das Zwickloch verstopft und der Spund geöffnet, damit die Hefe austreten kann. Sobald die Hefe abgestoßen hat, d. h. wenn keine mehr austritt, und das geschieht ebenfalls je nach der Temperatur langsamer oder rascher, so läßt man die Gose in Wannen laufen und füllt aus diesen sie in die Flaschen über.

Liegt endlich die Gose auf Flaschen im Keller, so gilt es für den Gosenwirth, nun die rechte Zeit des Reifwerdens derselben abzuwarten, und reif ist sie, sobald sie die Weinsäure angenommen hat. Dies geschieht natürlich ebenfalls im Sommer rascher, als im Winter, wo oft zehn bis zwölf Wochen dazu gehören, ehe aus der Birnbrühe Limonade geworden ist. Die größte Gefahr für die Gose jeden Grades ist die Gewitterschwüle: ein einziges starkes Gewitter kann alle Gose des Gewitterstrichs in Essig verwandeln, und es kommen auch diese Fälle vor, daß man das so mit einem Schlage verdorbene Getränk massenhaft fortlaufen lassen muß. In dem langhalsigen großen Bocksbeutel steigt nun die Hefe nach oben und verschließt die Flaschen, indem sich ein starker Hefenstöpsel bildet, der auch der ferneren Entweichung der in der Gose reichlich enthaltenen Kohlensäure einen Damm setzt. Wie diese Art Flaschengose in Leipzig, herrscht in Halle die sogenannte Stöpselgose vor. Um nämlich von dem Kohlensäurereichthum der Gose nichts entweichen zu lassen, füllt man dort die Birnbrühe in Champagnerflaschen und bringt sie unter festen Korkverschluß. In diesem Kerker entwickelt sie sich zur feinsten „Limonade mit Geist“, die ebenfalls ihre Anbeter hat und verdient.

Der Leipziger lobt sich die freie Tochter der langhälsigen Flasche und behauptet, daß selbst der Luftzug im Keller von Einfluß auf den Inhalt der Flaschenreihe sei, über die er hinstreiche. Giebt es doch Gosentrinker von so feiner Zunge, daß sie den Platz im Keller angeben, an welchem ihre Gose gestanden, ob im scharfen Zug, ob daneben oder im Winkel.

Mehr als jeder andere Wirth muß der Gosenwirth auf ein bestimmtes Publicum rechnen können, und von großem Werth ist für ihn ein wohlbesetzter Stammtisch. Die Gäste an diesem erhalten die Gose stets nach ihrem Geschmack, und dieser Geschmack ist wieder sehr verschieden: er reicht von der Grenze der Birnbrühe bis zu der des Essigs, hält sich aber vornehmlich an die edle Mitte, die ihm allezeit gesichert bleibt. Der Wandel- und Sonntagsgast wird auch in die beiden ersteren Gebiete verwiesen, und das allein trägt die Schuld daran, wenn an solchem Sonn- und Kirmestage die Gose einmal nicht der Friede ist.

Betreten wir, zu unserer Belohnung nach diesem Gange durch die Geschichte und Charakteristik der Gose, den alten Gosentempel selbst, die Stube im Erdgeschoß der alten Gosenschenke, die den schlimmsten Rest des dreißigjährigen, den siebenjährigen und den Franzosen- und Preußenkrieg überstanden hat. – Wir gelangen in die alte niedrige, aber sehr geräumige Schenkstube durch die Thür, welche sich im Hintergrunde unserer Illustration rechts neben dem großen Wappen öffnet. Gleich zur Rechten, durch einen Bretterverschlag gegen den Luftzug geschützt, thronen um den mächtigen ehrwürdigen Eichentisch und unter dem Uhrschranke die Braven des Stammtisches. In der Ecke links führen einige Treppen auf die Empore des Schankcabinets, welches die Gaststube mit der Küche verbindet. Von dem gediegenen Manne am Tische zur Linken, der soeben seine Stange füllt, kann der Neuling etwas lernen. So hält der Sachverständige seine Flasche, um genau sehen zu können, wann die Hefe auf dem Flaschengrunde sich in Bewegung setzt. Neigte der Einschenkende die Flaschenmündung nur noch ein Weniges tiefer, so würde die Hefe sich auf den Weg machen und mit ihrer Trübe und Dicke Farbe und Geschmack der ganzen Stange verderben. Auf dem Tische zur Linken liegt eine Zeitung, deren Redacteur einen Ehrenplatz am Stammtische behauptet. An eine geschäftliche Sitte des Hauses erinnert uns Bruder Studio neben der Säule des Vordergrundes. Es hilft dem Gedächtnisse nach und erleichtert die Rechnung, daß der Kellner keine unbezahlte Flasche vom Trinkertisch wegnimmt. Wir sehen daher, daß der akademische Zecherkreis vor der Hand „sieben Gosen“ vertilgt hat, falls nicht an der andern Tischseite eine ähnliche Niederlage bestehen sollte. Das schon erwähnte Wappen im Hintergrunde ist ein Carnevalsgeschenk; auch die Gosenbrüder erschienen einmal im großen Leipziger Narrenfestzug, und die Inschrift ihres Wappens, „Gosi fan duttig“, belehrt die Menschheit, daß die Gose den Verstand wackelig mache.

Wer aber ist’s, den die alte Dorfkneipe so hoch verehrt, daß sie sein Bild aufhängt? Da seht ihn, den alten Dessauer, da schaut er herab von der Säule, wie er leibte und lebte, und freut sich der braven Jungen, die zu seinen Füßen so kräftig in seinem Leibtrunke arbeiten, und der lieblichen Schönen, denen derselbe ebenfalls so gut schmeckt, und der Alten am Stammtische und der ganzen gosefröhlichen Welt. Es giebt viele Denkmäler, die mehr kosten als dieses Oelbild; aber nur wenige sind harmloser verdient und werden von fröhlicheren Menschen in Ehren gehalten, als dieses des Stammvaters der Gosenbrüder in ihrem Eutritzscher Paradiese.




Blätter und Blüthen.


Für alle Fabrikanten und Industrielle. Der letzte große und in seinen Folgen so herrliche Krieg, der dem übermüthigen französischen Volk seinen Standpunkt in außerordentlich praktischer Weise klar machte, hätte für dasselbe wohlthätig wirken können, wenn es ein klein wenig Verstand mehr und ein klein wenig Arroganz weniger besessen. Die Maßnahmen aber, die sie ergriffen, um ihrem thörichten Revanche-Geschrei Ausdruck zu geben, zeigen nur, daß sie, da sie im Großen Nichts verrichten konnten, es im Kleinen beginnen wollten. Die perfide Verfolgung der Deutschen in Frankreich, und besonders in Paris, sollte uns strafen, straft die kurzsichtigen Menschen aber nur selber, und wenn es auch den Einzelnen vielleicht hart traf, so kann und wird doch das große Ganze in Deutschland sicherlich Nutzen daraus ziehen.

Es ist eine unleugbare Thatsache, daß die Franzosen in Technik und Industrie außerordentlich weit sind und in vielen Fächern mit der ganzen Welt concurriren können, ja in einzelnen sogar unübertroffen dastehen – ebenso aber auch, daß Tausende von Artikeln ebenso gut in Deutschland angefertigt werden, und nur deshalb in Deutschland bisher noch nicht so gewürdigt wurden, weil die Fabrikanten in Selbstverblendung französische oder englische Etiquetten auf ihre Waaren setzten, und dadurch den französischen Händlern mit in die Hände arbeiteten.

Wir waren eben noch keine Nation, und das wird, seitdem wir eine solche geworden, und zwar eine der mächtigsten in ganz Europa, jetzt sicher anders werden. Nichtsdestoweniger leiden wir augenblicklich noch an den Folgen, und das können am besten unsere im Ausland lebenden und ansässigen deutschen Geschäftsleute bezeugen.

Durch die übermüthige und freche Weigerung verschiedener französischer Fabrikanten, für die Zukunft mit deutschen Häusern ihre alten Verbindungen aufrecht zu erhalten – eine Weigerung, die nur auf der bodenlosen Thorheit und Unwissenheit des Volkes basirt, das sich bis jetzt „das große“ nannte, und unverschämt genug ist, es selbst jetzt noch zu thun, kommen wir doch etwas zur Selbsterkenntniß. Besonders die Deutschen in den überseeischen Ländern suchten sich am schnellsten von Frankreich zu emancipiren. Sie hatten unsere kleinlichen Ansichten von daheim schon lange abgeschüttelt und fühlten am ersten den mächtigen Umschwung, der zu Gunsten Deutschlands draußen im Ausland stattfand, als dieses plötzlich die Mähne schüttelte, und mit der starken Pranke den frechen, ewig hetzenden Feind zu Boden schlug.

So gern sie aber auch jetzt dem Vaterland die Tausende, ja Millionen von Thalern zuwenden möchten, die sonst nach Frankreich hineinflossen, weil ihnen dort der Einkauf so erleichtert wurde, so stellte sich ihnen doch eine unerwartete Schwierigkeit in den Weg.

In Paris fanden sie früher Alles, was sie brauchten, und wenn sie es auch zuweilen etwas theurer bezahlen mußten, wurde ihnen doch das Umhersuchen im Land und damit viel Geld, besonders aber noch kostbarere Zeit erspart. Jetzt möchten sie nicht mehr nach Paris, sehen sich aber trotzdem in vielen Fällen gezwungen, die Hauptstadt Frankreichs wieder aufzusuchen, weil sie die Quellen nicht kennen, an denen sie hier in Deutschland zahllose Artikel genau so gut und viel billiger kaufen könnten.

Dazu fehlt eben ein Adreßbuch, das ihren Bedürfnissen entspricht und ihnen in faßlicher Uebersicht ein Verzeichniß sämmtlicher deutscher industrieller Unternehmungen und Fabriken nicht allein, sondern auch speciell deren Fabrikate und den Wohnort ihrer Agenten in den großen Städten Deutschlands giebt.

Ein großes Adreßbuch des Handels-, Fabrik- und Gewerbestandes existirt allerdings und ist durch die Verlagshandlung der Herren C. Leuchs und Compagnie in Nürnberg herausgegeben worden, aber für diesen speciellen Zweck in einer Hinsicht zu umfangreich, indem es, nach Regierungsbezirken eingetheilt, auch zahlreiche Fächer umfaßt, die den Kaufmann gar nicht interessiren und durch die er sich die Bahn suchen muß, andererseits aber wieder nicht ausführlich genug, da im Register der Waaren die verschiedenen Fabrikate nicht speciell, zum Beispiel Baumwoll- und Halbwollwaaren, angegeben sind und die Namen der Agenten gänzlich fehlen.

Die genannte Verlagsfirma hat sich aber jetzt entschlossen, ein allein für diesen Zweck speciell zusammengestelltes Adreßbuch herauszugeben, das aber in seiner Ausführung nicht möglich ist, wenn unsere deutschen Fabrikanten und Industriellen nicht dadurch selber die Hand mit bieten, daß sie von allen Seiten nicht allein ihre Adresse, sondern unter nachfolgendem Schema auch die Einzelheiten ihrer Artikel, wie den Wohnort ihrer Agenten einschicken.

Die Anordnung des Adreßbuchs wird nach dem Rath eines darin

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_099.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)