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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

protestantischen Schulen sind von katholischen Bischöfen genehmigte Bücher anzutreffen, in welchen der Ultramontanismus verherrlicht und jede andere Glaubensrichtung herabgesetzt wird. Ja es wurde sogar in einer evangelischen Schule durch einen Schulinspector eine biblische Geschichte in französischer Sprache eingeführt, in welcher als Anhang die Geschichte der Maria und der Heiligen steht, welche durch den Ortspfarrer nur nach schweren Kämpfen beseitigt werden konnte.

Jesuitischer Einfluß war offenbar hier zu erkennen. Die katholische Geistlichkeit, weil sie eine Macht im Lande war, wurde geschont und beschützt, die protestantische bei jeder Gelegenheit herabgesetzt; besonders wenn ein gewissenhafter Pfarrer für die deutsche Sprache in der Schule eiferte, da war gleich der Schulinspector bei der Hand, um dem Lehrer, der ganz von demselben abhängig war, zu bedeuten: ‚Nach dem Pfarrer habt Ihr nichts zu fragen.‘ Es wären hier in dieser Hinsicht zum Beweise haarsträubende Thatsachen anzuführen. Nur eine unter vielen, um zu zeigen, wie weit die Propaganda mit der französischen Sprache getrieben wurde.

In einer Dorfschule des Unterelsasses konnte wenigstens die Hälfte der Schulkinder, die den Confirmandenunterricht besuchen sollten, nicht mehr recht deutsch lesen. In den zehn, ja fünfzehn Jahren war es immer schwerer geworden für den Geistlichen, sich im Religionsunterricht verständlich zu machen – ein trauriger Nothstand, der aber fast überall anzutreffen war. In einer Unterrichtsstunde richtete einmal der Pfarrer eine Frage an einen seiner Schüler, die derselbe mit ‚Oui, Monsieur‘, beantwortete. Da solche Antworten schon öfter vorgekommen waren, so wurde der Pfarrer unwillig, und er sagte dem Knaben: ‚Rede doch deutsch! Merke Dir’s, es wird hier noch deutsch gesprochen.‘

Da versetzte der Junge: ‚Ja, Herr Pfarrer, aber der Schulmeister hat uns befohlen, nicht allein auf der Gasse unter uns Cameraden, sondern auch daheim bei unseren Eltern französisch zu sprechen.‘

Das war dem Pfarrer zu arg. Er wußte doch, daß in seiner Gemeinde nirgends in den Familien französisch gesprochen werden konnte, aus ganz einfachen Gründen. Deshalb, nachdem er sich von der Richtigkeit des durch den Lehrer ertheilten Gebots versichert hatte, sagte er einfach zu den Kindern: ‚In der Schule habt Ihr dem Herrn Schulmeister zu gehorchen. Aber so lange Eure Eltern nicht die französische Sprache verstehen, so redet mit ihnen, wie Euch der Schnabel gewachsen ist.‘

Dieses wurde dem Lehrer hinterbracht. Er klagte bei dem Schulinspector, einem Elsässer, der schon oftmals bei demselben Pfarrer herzliche Gastfreundschaft und Nachtherberge gefunden hatte. Der Inspector klagte bei dem Präfecten. Der Pfarrer mußte sich verantworten, was ihm leicht war; hatte er doch keines der bestehenden Reglements überschritten. Aber von jener Zeit an war er, mehr als je, eine persona ingrata; und nur treue Pflichterfüllung und energische Handlungsweise behüteten ihn vor Versetzung an eine geringere Stelle.

So war es im Elsaß und Deutschlothringen beschaffen, als durch die Umwälzung der neuesten Zeit die deutsche Sprache wieder zu ihrem Rechte kam. Eine seltsame Erscheinung trat hier zu Tage: die der alten Ordnung der Dinge auf das Servilste unterthänigen Lehrer, die, den besondern Instructionen ihrer Inspectoren gemäß, die deutsche Sprache am allernothdürftigsten in ihren Schulen unterrichtet hatten, sind jetzt auch die unterhänigsten Diener der neuen Ordnung der Dinge. Sie lassen jetzt mit eben der Willigkeit die französische Sprache fallen, wie sie einst die deutsche hatten fallen lassen. Ein psychologisches Räthsel ist das aber für Denjenigen nicht, der die Lage der Dinge kennt. Die Lehramtszöglinge wurden in den Lehrer-Seminarien oder écoles normales, wie sie hießen, wie willenlose Knaben behandelt. Man muß es sagen, sie wurden zum Gehorsam gegen die bestehende Behörde dermaßen dressirt, daß sie ohne Ueberzeugung der jedesmaligen Richtung der bestehenden Regierung mit Eifer dienten. Ehrenvolle Ausnahmen sind gewiß in guter Anzahl vorhanden. Aber es sind nur Ausnahmen. Wenn je, was schwer zu glauben ist, Frankreich die verlorenen Länder wieder erränge, so wären die oben Bezeichneten, weil ohne Charakterbildung und Ueberzeugung, die Ersten, die mit derselben Geläufigkeit der früheren Ordnung der Dinge huldigen würden.“

Soweit die Mittheilungen meines Freundes, der mir, als ich sein gastliches Haus verließ, das Versprechen gab, von seinen Erfahrungen noch mehr an die Gartenlaube gelangen zu lassen – eine Zusage, die er hoffentlich bald erfüllen wird.


Jagd-Romantik in Nordafrika.
Von Heinrich Freiherrn von Maltzan.
(Schluß.)
Bei dem Stamm der schönen Mädchen. – Aufforderung zur Jagd. – Die Wette. – Der Panther kommt. – Der Einsturz des Silos. – Unter dem Panther begraben. – Der Ausgang des Kampfes.


Das in der vorigen Nummer beschriebene Abenteuer hatte wenigstens die heilsame Folge, daß in Zukunft kein Renommist es mehr wagte, sich als „Pantherjäger“ anzukündigen. Versuchte er es, so traf ihn der Fluch der Lächerlichkeit. Bonbonnel blieb unbestritten im Besitz seines wohlverdienten Ruhmes. Man gewöhnte sich mit der Zeit daran, die Pantherjagd als eine ihm eigenthümlich zugehörige Sache anzusehen. Für die Andern hatte sie aufgehört, Modesache zu sein.

Einige Jahre waren seit dem Bekanntwerden von Bonbonnel’s Jagdabenteuern verflossen, die Pantherjagd hatte längst aufgehört die Gemüther zu beschäftigen, als sich mir durch einen Zufall die Gelegenheit bot, mich selbst in ihr zu versuchen. Ich befand mich in einer sonst fast nie von Reisenden besuchten Gegend, in der Nähe von Bu-Sada, am südlichen Abhang des Atlasgebirges, zwischen El Aghuat und Biskara, jedoch nördlicher als beide Orte und noch nicht in der Wüste. Der dort hausende Araberstamm, die Ulad Nayl, berühmt durch seine schönen Mädchen, die Tänzerinnen, Sängerinnen und Courtisanen der Wüste, bewohnt abwechselnd die niederen Gegenden am Fuße des Gebirges (oft sogar dringt er tief in[WS 1] die Wüste ein) und die Ausläufer des Atlas, im Winter die ersteren, im Sommer die letzteren. Es war Spätsommer und der Stamm lagerte noch auf den Hügeln, den letzten Sprossen der Atlaskette. Die Ulad Nayl hatten mich freundlich aufgenommen. Ich nahm Theil an ihren Falkenjagden, an ihren Gazellenhetzen. Meine europäischen Waffen und die größere Sicherheit des Schusses, die den geübten europäischen Jäger immer dem Araber gegenüber auszeichnet, erweckten ihr Vertrauen. So kam es denn, daß sie mir eines Abends beim Kußkussu ihr Leid klagten und mich aufforderten, ihnen mit meiner Büchse einen Freundschaftsdienst zu erweisen. Den Gegenstand ihrer Klagen bildeten die Verheerungen, welche ein Panther allnächtlich in einigen ihrer Herden und zwar denjenigen, die am meisten „landeinwärts“ weideten, anrichtete. Sie sagten „landeinwärts“, denn die Wüste gilt ihnen als ein „Meer“. Ihrer Aufforderung, mein Glück in der Pantherjagd zu versuchen, war ich zwar gern bereit zu folgen. Nur gestand ich ihnen, daß ich kein „Bonbonnel“ sei und daß ich eines andern Schutzes, als der Laubhütte, bedürfe. Ich hatte mich niemals in dieser Jagd versucht, konnte somit kein unbedingtes Vertrauen dazu haben, daß ich den Panther auf den ersten Schuß tödten würde. Zudem besaß ich gar keine Explosionskugeln. Es wäre also Wahnsinn gewesen, mich in einer einfachen Laubhütte der Wuth des angeschossenen Raubthieres auszusetzen. Aber da wußten die Araber Rath. Sie erboten sich, mir ein „Silo“ (Erdhütte mit Schießscharten) zu bauen.

Als das Silo fertig war, schlug ich mein nächtliches Standquartier in demselben auf. Jede Nacht wurde die Mutterziege, deren Junges mit mir im Silo war, an einen Baum festgebunden, um durch ihre Antwort auf das Schreien des von mir gezwickten Zickleins den Panther anzulocken. Die Araber ließen mich

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: in in
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_175.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)