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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

v. P. und ihm, dem Zeugen, auch ein alter Mann, welcher Hermann als Führer gedient hatte, zugegen. war. Das mehrstündige Gespräch drehte sich immer um das gleiche Thema: Hermann wünschte die Wiedervereinigung mit Albertinen, und diese berief sich auf den Willen ihres Vaters, welcher derselben entgegen sei. Es wurde Mittag, Hermann ließ Erfrischungen auspacken. Er trank immer mehr von dem feurigen Weine und wurde heftiger, bis zur Brutalität. Albertine warf ihm einen strafenden Blick zu und sagte endlich: „Herr v. N., ich gehe.“

„Also Du gehst?“ schrie Hermann in höchster Erregung. „Wohlan, geh’ hin, verstoße mich, wirf mich zurück in dieses Leben, das mir eine Hölle ist! Leben? Nein! in den Tod wirfst Du mich! Geh’, aber erst sieh mich sterben!“ erhob das Messer gegen seine geöffnete Brust, stieß zu und – lag blutend und leblos am Boden.

Albertine war neben ihm hingesunken, ihre rechte Hand blutete. Im Momente des Todesstoßes hatte sie in das Messer gegriffen, eine ausspringende Klinge hatte sie verletzt. Der Gedanke, daß ihr Mann ohne Segen der Kirche in ungeweihter Erde vermodern sollte, war Albertine schrecklich und hätte ihr selbst, wie sie versicherte, den Tod gegeben. Der alte Führer hatte den Einfall, daß man den Schein hervorrufe, als habe den Unglücklichen ein Anderer erstochen, und so wurden der Leiche die Pretiosen und das Geld abgenommen, mit Ausnahme des ohne Verstümmelung nicht zu erlangenden Ringes. Die Oberkleider wurden in eine Grube hinter der Ruine gebracht, die Leiche aber zur Capelle geschafft, wo sie eher dem Zugang der Menschen erreichbar schien. Der Alte führte Albertine zu einem Arzt. Auf dem Wege durch die menschenleere Wildniß äußerte Albertine, daß ihr theurer Vater nie erfahren dürfe, wie sehr sie an ihm und ihrem gegebenen Worte gefrevelt habe; sie werde schweigen bis in’s Grab und bis auf’s Blutgerüst. Er, Zeuge, und der Führer Florian K. im Dorfe Z. mußten ihr versprechen, zu schweigen, so lange der Vater lebe.

Albertine, vom Präsidenten vernommen, erzählte nun den Hergang in vollster Uebereinstimmung mit den Angaben ihres Retters; auch der alte Führer lebte noch und bestätigte diese Angaben. Selbst die Oberkleider des Todten fanden sich in der Grube. – Das späte Erscheinen des Bergraths rechtfertigte sich durch die Verhältnisse seiner Lebensschicksale. Er nahm im Herbste jenes Jahres seinen Abschied und kehrte zum Bergfach zurück, zeichnete sich aus, erhielt den Ruf, eine bergmännische Expedition nach Brasilien zu begleiten, von welcher er eben zurückkehrte, als die Zeitungen verkündeten, daß vor den Assisen die Anschuldigung der Albertine v. P. (deren Vater eben gestorben) wegen Gattenmord verhandelt werde.

Wir haben den vorstehenden Criminalfall in Kürze, aber actengetreu wiedergegeben, weil er verdient, der Vergessenheit entrissen zu werden, und weil er geeignet ist, das Interesse des großen Publicums für das Rechtsleben anzuregen und zu nähren.

Dr. Rudolf Haas.




Blätter und Blüthen.


Entgegnung zum „Aberglauben des Soldaten im Kriege“. In mehreren Artikeln der Gartenlaube haben wir die Behauptung gefunden, der Soldat habe den Besitz von Karten für verhängnißvoll gehalten und diese vor dem Gefecht weggeworfen.

Wir Unterzeichnete, den verschiedensten Armeecorps während des Feldzugs angehörend und durch monatelanges Zusammenleben genau mit der Anschauungsweise der Soldaten bekannt, halten die obige Behauptung für unrichtig und können es nicht unterlassen dagegen anzukämpfen, daß man unserm Volke einen Aberglauben andichtet, welcher in der That wohl nur bei Wenigen existirt.

Es wurden nicht nur die Karten während des Gefechts sorgsam verwahrt, sondern Einer der Mitunterzeichner hat sogar gesehen, wie einzelne Soldaten ihren verwundeten Cameraden im Feuer die Karten zum späteren Gebrauch abgenommen haben. Ein Anderer bezeugt, daß er vor Metz, wenn er nicht durch Dienstgeschäfte verhindert war, täglich zwölf Stunden lang gespielt habe. Am siebenten October, dem Tage des bekannten großen Ausfalls, wurden er und seine Cameraden in dem Augenblick, als gerade die Karten ausgegeben waren, durch das Alarmsignal gestört. Es hinderte dasselbe jedoch nicht im Geringsten, daß Jeder seine empfangenen Karten aufbewahrte und mitnahm, um das Spiel nach der Schlacht fortzusetzen, was auch wirklich geschah.

Wenn etwa da und dort Karten weggeworfen wurden, so geschah es meist wohl deshalb, weil so ungefähr die Hälfte der Blätter fehlte, und der erfinderische Geist der Soldaten nicht mehr ausreichte, das Spiel wieder zu ergänzen.

Von der Erfahrung Ihres geehrten Berichterstatters, des Herrn Christian Sell, welcher im Felde nur einmal Soldaten Karten spielen sah, weicht die unsrige auch insofern ab, als wir die Soldaten tagtäglich und unter allen Umständen nicht nur im Cantonnement, sondern auch auf Feldwache, vor und nach Gefechten mit Kartenspielen beschäftigt gesehen haben, und im Interesse der Wahrheit bezeugen wir, daß das Spiel beim Soldaten schließlich zur wahren Leidenschaft wurde, weil es fast das einzige Mittel war, ihn die Jämmerlichkeit und Langeweile seines Lebens vergessen zu machen. Einer der Unterzeichner, der früher einen entschiedenen Widerwillen gegen das Kartenspiel hegte, hat es sogar nothgedrungen im Felde erlernt, und wir glauben deshalb, daß diese beiden letzten Punkte der Bemerkung Ihres geehrten Herrn Correspondenten „und es ging auch so“ (d. h. ohne Kartenspiel) jedenfalls den Charakter einer in der ganzen Armee gemachten Erfahrung nehmen dürften.

Mit der Bitte, obige Zellen nicht als müßige Bemerkungen, sondern als aus der Quelle ernster Wahrheitsliebe entsprungen ansehen und den betreffenden Artikel gütigst modificiren zu wollen, zeichnen wir

Hannoverisch Münden, den 18. Februar 1872.

 hochachtungsvoll

W. Martin, hess. Feld-Art.-Reg. Nr. 11, 11. Armeecorps.
H. Paar, 1. hess. Inf.-Reg. Nr. 83, 22. Div.
W. Dettmar, 3. hann. Inf.-Reg. Nr. 79, 10. Corps.
T. Gieße, hess. Füsilierreg. Nr. 80, 21. Div.
K. Roth, 1. bad. Grenadierreg. Nr. 109, 14. Corps.
E. Paulus, 22. Div., 11. Corps.
L. Wellendorf, 8. Div., 4. Corps.
R. Schladitz, 4. M. Jägerbat., 7. Div.
W. Klingemann, 7. westph. G.-Reg. Nr. 56, 10. C., 20. Div.
Studirende der Forstakademie zu Münden.




Das Riesengeweih von Amboise. Wir erhalten von einem Officier folgende pikante Zuschrift: „In Nr. 36 der Gartenlaube heißt es in einem Artikel über Moritzburg, daß sich in Amboise in Frankreich ein Riesengeweih von zehn Fuß Höhe befinde, dessen einstiger Träger unter Pipin in Schwaben erlegt worden sei. Ich selbst lag im Monat Februar 1871 mit unserem Bataillon längere Zeit in genannter Stadt und hatte hier Gelegenheit, das allerdings kolossale Geweih, welches in dem einen Rampenthurm des alten Schlosses aufgehängt war, zu bewundern. Während meiner dortigen Anwesenheit wurde das Geweih von der Stelle, an welcher es notorisch so viele Jahre gehangen, entfernt und ging in den Besitz eines hohen Jagdfreundes über. Es wurde sorgfältig verpackt nach Tours und demnächst nach Deutschland gesendet, traf aber an seinem Bestimmungsort nicht unverletzt ein. Leider stellte es sich bei dieser Gelegenheit, wie wir Officiere aus hohem Munde hörten, heraus, daß das Geweih kein natürliches, sondern aus Holz, das nunmehr morsch geworden, überaus kunstfertig und naturgetreu geschnitzt war. Dies diene den Freunden derartiger Curiositäten hiermit zur Berichtigung obiger Notiz.“




„Schön Israel in Algier“. Wir bemerken nachträglich unseren Lesern, daß das Bild in Nr. 8 der Gartenlaube, welches die diesen Zeilen vorgesetzte Unterschrift trägt, dem thätigen und durch seine echt künstlerischen Bestrebungen höchst anerkennenswerthen Verlag der „Photographischen Gesellschaft“ in Berlin entnommen ist, die schon jetzt eine große Auswahl von vorzüglichen Photographien bietet und deren eifrigstes Streben es ist, der classischen wie der modernen Kunst durch sorgfältige Reproductionen möglichste Verbreitung zu geben.




Zwei Ausnahmen von der Regel. Bisher suchten wir unsere vermißten Soldaten in Frankreich und verschollene Landsleute jenseits des Oceans; diesmal helfen wir einen vermißten französischen Soldaten und einen in Amerika Verschollenen in Deutschland suchen.

1) Moritz Mertian aus Paris, ein zwanzigjähriger französischer Freiwilliger, machte als Husar bei der 5. Escadron des 5. Regiments, der Escorte des Marschalls Bazaine, die Schlacht bei Rézonville mit und wurde durch einen Säbelhieb in die rechte Seite des Halses verwundet. Man sah ihn nach Rézonville zurückreiten, um ein Lazareth zu suchen. Von diesem Augenblick an ist er verschollen, weder im Lager vor, noch in Metz, noch auf dem Schlachtfeld ward er gefunden. Die letzte Hoffnung der Eltern ist nun die, daß ihr Sohn krank und gefangen noch irgendwo in Deutschland liege. Es wird uns versichert, daß die trauernde Mutter Beweise führen kann, an deutschen Gefangenen und Kranken in Paris treue Sanitätspflicht erfüllt zu haben. Der vermißte junge Mann schrieb sich gewöhnlich Mertian d’Anthes. Seine Monturstücke trugen die Nummer 2256. Er war sehr groß, von blondem Haar und braunen Augen. Vielleicht ist es doch möglich, den Eltern über sein Schicksal Gewißheit zu bringen, wenn auch nur die des Todes.

2) Vor etwa sechs Jahren wohnte im „Schwarzen Adler“ zu Schöneberg bei Berlin ein Schlossermeister Petri; um die jetzige Adresse desselben bittet dringend O. G. Oliver zu Vallejo in Californien.




Berichtigung. In einem kleinen Theil unserer Auflage ist in voriger Nummer auf der fünften Spalte, Zeile 21 von unten, „Messe“ statt „Vesper“ stehen geblieben. Wir bitten diesen Satzfehler zu entschuldigen.




Kleiner Briefkasten.

Ernst K…el in Hamburg. Auf Gedichteinsendungen geben wir stets zwei bestimmte Antworten: entweder das fragliche Poem wird abgedruckt, oder es wandert einfach ohne alle weitere Benachrichtigung in den Papierkorb. Wir haben dies in der Gartenlaube vielleicht zwanzig Mal schon erklärt und verbitten uns nunmehr ernstlich alle Reclamationen.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_184.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)