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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Wie Luther zu dem Entschlusse, zu heirathen, gekommen, erzählt Scultetus in den evangelischen Annalen von 1525 folgendermaßen:

„Als Lutherus vorgehabt, die gewesene Klosterjungfrau, Katharina von Bora, an Dr. Glacium, Pfarrer in Orlamünde, zu verheirathen, kommt selbe zu Amsdorfen und klagt ihm, Lutherus wolle sie an Dr. Glacium verloben, es sei aber ganz wider ihren Willen. Weil sie nun wisse, daß Amsdorf ein vertrauter Freund von Luthero sei, so bitte sie ihn, er sollte doch Lutherum auf andere Gedanken bringen. Wenn einer von ihnen beeden, Lutherus oder Amsdorf, sie verlangte, wollte sie sich gar nicht weigern, in eine christliche Ehe einzuwilligen. Zu Dr. Glacio könne sie sich nimmermehr entschließen. – Da Lutherus hiervon Nachricht bekommen und Dr. Schurf (er war kurfürstlich sächsischer Rath und Luther’s Rechtsbeistand in Worms) gesagt: Wenn dieser Mönch eine Frau nehmen sollte, würde die ganze Welt und der Teufel selbst darüber lachen, – hat er der Welt und dem Teufel zum Trotz und sonderlich auch seinem Vater zu Gefallen den Schluß gefaßt, sich mit der Katharina selbst zu verheirathen.“

Nachdem Luther einmal den Entschluß gefaßt, schritt er unverweilt zur Ausführung. Am 13. Juni 1525 wurde er mit Katharina von Bora von Dr. Bugenhagen, dem ersten Prediger an der Pfarrkirche zu Wittenberg, im Hause des dortigen Stadtschreibers Reichenbach getraut. Zeugen waren der Maler und Rathsverwandte Lucas Cranach, der Geistliche Dr. Justus Jonas (nach einer andern Angabe, welcher der Künstler gefolgt ist, Nicolaus v. Amsdorf) und Dr. Apel, der im Bilde sinnend das Haupt auf die Hand stützt. Thumann hat noch eine Frau und ein Kind hinzugefügt, dessen liebliche Züge dem Töchterlein des Künstlers entlehnt zu sein scheinen.

Die eigentliche Hochzeit wurde erst vierzehn Tage später, am 27. Juni, gefeiert. Der Rath der Stadt schickte zum Feste vier Maß Malvasier, vier Maß Rheinwein und sechs Maß Frankenwein; der Preis ist in den noch vorhandenen Stadtrechnungen mit dreiunddreißig Gulden verzeichnet: der Malvasier kostet zwanzig, der Rheinwein sechs und der Frankenwein sieben Gulden. In die Wirthschaft, die nun erst beginnt, denn bis dahin war die junge Frau im Reichenbach’schen Hause geblieben, schickte der Rath noch ein Faß Einbecker Bier und eine Anweisung auf freien Wein aus dem Rathskeller auf ein Jahr, wofür in den Stadtrechnungen drei Thaler vier Groschen sechs Pfennige aufgeführt werden. Die Universität schenkte ihm einen prächtigen vergoldeten silbernen Kelch mit Deckel. Unter den sonstigen Geschenken sind am bemerkenswerthesten zwei Eheringe, welche der Nürnberger Rathsherr Wilibald Pirckheimer von dem berühmten Goldschmied Albrecht Dürer hatte arbeiten lassen. Der Ring Luther’s ist mit einem Diamanten und einem Rubin, den Sinnbildern der Treue und der Liebe, geschmückt und enthält außer den Buchstaben M. L. D. die Worte: WAS. GOT. ZU. SAMEN. FIEGET. SOL. KEIN. MENSCH. SCHEIDEN. Der andere, welchen Katharina getragen, hat oben einen in einen runden kegelförmigen Kasten gefaßten, ziemlich großen Rubin und besteht aus einem Haupt- und zwei Nebenreifen, die fest miteinander verbunden und ringsherum mit Vorstellungen aus der Leidensgeschichte Jesu in durchbrochener und erhabener Arbeit verziert sind, worunter sich die bis zu den Muskeln ausgearbeitete Figur des Gekreuzigten besonders auszeichnet. Der erstere befindet sich jetzt auf der Wolfenbüttelschen Bibliothek, der letztere ist in Privathänden.

Luther’s Verheirathung sanctionirte die Priesterehe mehr, als es ein vom Reichstage oder einem Concil gegebenes Gebot vermocht hätte. Sie war daher eine That von der größten geschichtlichen Bedeutung, denn die hierdurch legitim gewordene Priesterehe führte die Geistlichen wieder in das Familienleben, in das einträchtige Zusammenleben mit der Gemeinde zurück und wurde hierdurch ein Haupthebel zur Wiederherstellung sittlichen Lebens im evangelischen Deutschland. Die Culturgeschichte zeigt uns die Folgen in dem großen Contraste zwischen der protestantischen und katholischen Bevölkerung Deutschlands im siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Dort strenge, oft rauhe Zucht und Arbeitsamkeit, hier das Gegentheil.

Mit Recht kann man daher Thumann’s „Trauung Luther’s“ ein historisches Bild nennen, für dessen Bestellung sich bei den Verhandlungen in München der Graf Franz v. Thun-Hohenstein, seit der Begründung der Verbindung bis zu seinem am 22. November 1870 erfolgten Tode Mitglied des Vorstandes, obwohl Katholik, in der entschiedensten Weise aussprach, indem er das darzustellende Ereigniß ein „eminent historisches“ nannte. Das Thumann’sche Bild ist bereits in Weimar, Gotha, Hamburg, Kiel, Berlin, Kassel, Hannover ausgestellt worden und hat überall die größte Anerkennung gefunden. Wenn gleich der beste Holzschnitt nur unvollkommen den Eindruck, welchen das Bild selbst macht, wiedergeben kann, so gewährt er uns doch eine Anschauung von der Gruppirung und Zeichnung. Alles im Bilde ist wohl gelungen: Luther’s Portrait kann zu den besten gezählt werden, die wir von ihm besitzen. Mit Andacht schaut er auf zu Bugenhagen, dem die Wichtigkeit der Handlung, die er vollzieht, Begeisterung zu verleihen scheint. Katharina ist das Bild echter deutscher Jungfräulichkeit. Auch die Gruppe der Zeugen stimmt vortrefflich zur vorderen Gruppe.

Die Trauung Luther’s war ursprünglich vom Künstler als Gegenstand zu einem Bilde in der für die Wartburg bestimmten Reihe von Lutherbildern in Vorschlag gebracht, aber aus besonderen Rücksichten ausgeschieden worden. Nunmehr wird der Stein, der vom Baumeister verworfen, zum Eckstein für des Künstlers Ruhm.

L.




Ein Besuch bei Hermann Allmers.


Der große Krieg der Deutschen gegen Frankreich 1871 neigte seinem Ende zu. Als auch Paris sich fallend beugte vor der Ueberlegenheit deutscher Kriegskunst, deutscher Kraft und Tüchtigkeit, gewährte der deutsche Sieger großmüthig und ohne Feindeshaß den erbetenen Waffenstillstand. Bald darauf, im Februar desselben Jahres wurde ich von dem pommerschen Regimente, bei dem ich stand, im Jura-Departement mit einem militärischen Commando nach Hannover beauftragt, das mich demnächst auf einige Wochen nach Oldenburg führte. In dieser Hauptstadt des glücklichen Großherzogthums genoß ich nach den Anstrengungen des Krieges behagliche Ruhe und Erholung im Kreise liebenswürdiger Cameraden, im Genuß der Kunstleistungen der Stadt und auf Ausflügen in die Umgegend. Die schönste Seelenstärkung gewährte mir ein Besuch, den ich dem deutschen Dichter Hermann Allmers, den Lesern der Gartenlaube durch sein schönes Gedicht „An meine Mutter“ im Jahrgang 1869 schon längst bekannt, in seiner Marschenheimath Rechtenfleth abstattete.

Mitte März früh fuhr ich auf Hunte und Weser mittelst eines Dampfbootes von Oldenburg nach Sandstedt. Der Schiffer, welcher mich hier vom Bord des Dampfschiffes auf einem kleinen Nachen an das Land, das heißt zunächst an den Deich hinanfuhr, fragte mich ohne Weiteres, ob ich Herrn Allmers besuchen wollte, und fügte auf meine bejahende Antwort hinzu: „Wenn Herr Allmers das wüßte, würde er Sie gewiß hier am Deiche erwarten. Er ist ein so freundlicher Herr! Wir lieben ihn Alle hier zu Lande.“

Nachdem ich in dem naheliegenden Wirthshause ein gutes Frühstück eingenommen hatte, machte ich mich gegen zwölf Uhr Mittags auf den Weg, um nach dem eine halbe Stunde entfernten hannoverschen Dorfe Rechtenfleth zu gehen. Auf dem neben der Weser sich dorthin ziehenden Deiche trat ein einfach und sauber gekleideter Marschbewohner grüßend zu mir heran und bat um die Erlaubniß, mich nach Rechtenfleth begleiten zu dürfen, zumal er dort wohl bekannt und jetzt gerade dorthin zu gehen im Begriff sei. Wir wanderten also zusammen und kamen in munterer, zwangloser Unterhaltung bald bei den ersten Häusern des Dorfes vorbei, das neben dem Deich in der Marschebene sich ausdehnt. Von einer den Deich hinabführenden, durch wohlgefügte Mauersteine ausgezeichneten Treppe aus sahen wir wenige Schritte vor uns das bäuerliche, jedoch durch einen kunstvollen Giebelaufsatz, eine epheuumrankte Veranda und ein reichverziertes Erkerfenster geschmückte Landhaus liegen, welches Allmers bewohnt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_207.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)