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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

aller Deutlichkeit entsinne, gleich lange weiße und ebenso lange braune Stücke mit einander ab, jedes etwa einen Viertel Zoll lang, also etwa wie bei den Borsten des Stachelschweins.“

3) Höchst merkwürdig ist die Mittheilung, welche eine Dame aus Philadelphia über sich macht: „Der Kopf, auf dem beifolgende Haare gewachsen sind, ist achtundzwanzig Jahre alt und zu Zeiten fast ganz grau, wenigstens so stark melirt, daß es sofort auffallen muß, während zu anderer Zeit das Haar dunkelbraun erscheint und man selbst bei genauer Prüfung kein weißes Haar entdecken kann; dabei findet sich unter den ausgefallenen Haaren nie ein weißes resp. graues und die Frisur ist stets dieselbe. Schon in meinem siebenzehnten Jahre fand ich häufig ganz weiße Haare in meinen Flechten, die jedoch immer wieder verschwanden, ohne daß sich weiße Haare in dem Ausfall fanden. Nach jedem Anfall meines nervösen Kopfwehes gleicht mein Haar dem einer Frau in höheren Jahren, so stark melirt erscheint es, allein schon nach einigen Tagen ist nur hier und da ein weißes Haar zu finden.“

Ich habe die mitgeschickten Haare sehr genau mikroskopisch untersucht, sie unterschieden sich in Nichts von den Haaren bei gewöhnlichem vorzeitigem Ergrauen. Die Mittheilung ist mir unerklärlich; ich habe von einem solchen Wechsel der Erscheinung bisher nie gehört und die gesammte medicinische Literatur enthält keinen solchen Fall. Wenn hier nicht eine erhebliche Selbsttäuschung der Dame vorliegt, würde es sich um etwas ganz Außergewöhnliches handeln. Ich habe die Dame um weitere Mittheilungen und Haarsendungen ersucht und hoffe über das Resultat später hier noch berichten zu können.

Berlin.

Dr. Pincus.




Zur gefälligen Notiznahme für deutsche Eisenbahn-Verwaltungen. Die Union-Pacific-Eisenbahn, die – wir haben unseren Lesern über dieselbe früher schon einmal ausführlich berichtet – wie Nichts den kolossalen Unternehmungsgeist der Amerikaner bekundet, verfolgt eine sehr nördliche Richtung durch Nebraska, Wyoming, Utah und Nevada bis nach Californien, und die deshalb schon anfänglich gehegten Befürchtungen, daß die Bahn während eines großen Theiles des Winters durch Schneestürme und Windwehen unfahrbar gemacht, oder doch ihr Betrieb sehr gehindert werden könnte, haben sich in diesem Winter leider nur zu sehr bestätigt. Verschiedene deutsche Zeitschriften haben darüber schon Mittheilungen veröffentlicht; dieselben stammten aber nur von einzelnen Reisenden, welche eben nichts Anderes zu erzählen wußten, als was sie selbst gelegentlich erlebt hatten. Ein anschauliches und zusammenfassendes Bild von der staunenswerthen und für unsere Begriffe geradezu riesenhaften Thätigkeit, welche die amerikanischen Eisenbahnverwaltungen diesem Naturereigniß gegenüber entwickelt haben, erhielt man aus jenen Berichten nicht und gerade aus diesem Grunde glauben wir für die nachstehende Schilderung immer noch das besondere Interesse unserer Leser voraussetzen zu dürfen.

Der verflossene Winter war, sowohl was seine Dauer als auch seine Strenge anbelangt, selbst für nördlichen Staaten der Union auch diesmal ein außerordentlicher. Er hat sehr früh begonnen und lange angedauert. Wie heftig und einschneidend die Kälte zeitweise gewesen sein muß, kann man daraus entnehmen, daß in den ersten Tagen des Februar in Chicago, welche Stadt in ungefähr gleicher Breite mit Rom liegt, die Kutscher der Pferdeeisenbahnwagen den Dienst verweigerten, nachdem mehrere dieser Leute Hände und Füße erfroren hatten. Schon am 12. October war der Betrieb der Linie über die Felsengebirge durch einen bedeutenden Schneefall – selbst da, wo keine Windwehen stattfanden, lag der Schnee vierundfünfzig Zoll tief – zeitweilig gestört, und von dieser Zeit an bis in die Mitte des Monats Februar folgten sich Schneefälle und rauhe Winde in kurzen Zwischenräumen.

Man war allerdings auf solche Vorkommnisse von vornherein gefaßt; denn schon vor drei Jahren war dieser Theil der Bahn während eines Zeitraumes von einundzwanzig Tagen durch Schnee versperrt oder, wenn es erlaubt ist, den amerikanischen Ausdruck zu gebrauchen, „blokirt“. Im vorigen Sommer wurden denn an allen jenen Punkten, wo die Bahn durch Windwehen versperrt war, und ebenso an solchen Plätzen, wo Leute, die mit den Ortsverhältnissen und der Meteorologie der Gegend vertraut sind, es für rathsam erklärten, starke Bretterwände, oft in doppelter, ja drei- und vierfacher Reihe errichtet und namentlich an den Erdeinschnitten Wetterdächer erbaut. Da im Winter die Winde in der Regel von Nordwesten kommen und auch die Schneestürme vor drei Jahren aus dieser Richtung gewüthet hatten, so wurden alle diese Vorrichtungen auf der nördlichen Seite der Bahn mit der Richtung gegen Nordwesten angebracht. In den zwei folgenden Wintern haben sich denn auch, trotz mehrfacher Schneestürme, diese Schutzwehren als hinreichend bewiesen, und der Verkehr auf dieser großen Straße litt nur verhältnißmäßig unbedeutende Störungen. Allein in diesem Winter wurden alle auf die Windrichtung gegründeten Berechnungen über den Haufen geworfen; denn schon nach der ersten Schneeblokade kamen drei ganz heftige Schneestürme gerade von der entgegengesetzten Richtung, so daß also alle jene gegen Nordwesten aufgerichteten Schutzwehren, Bretterwände und Bretterdächer nicht den geringsten Schutz gewährten. Man mußte demnach mitten im Winter an das Erbauen ähnlicher Schutzwehren, diesmal auf der südlichen Seite der Bahn, denken und deren Ausführung sofort in Angriff nehmen. Allein was ist dies für unternehmende, vor keinem Hinderniß zurückbebende Amerikaner! In Omaha, an den Ufern des Missouri, sechshundert Meilen von dem Orte, wo die Schneeanhäufungen die Bahn versperrten (also in einer Entfernung, die etwa derjenigen von Danzig nach Triest gleichkommen dürfte), wurden alle Hände in Bewegung gesetzt, um Bretterwände und Wetterdächer zu zimmern. Tag und Nacht war die Zimmermannssäge in Bewegung und Tag und Nacht ertönte der Hammer des Schreiners. Sobald eine gehörige Anzahl solcher Schutzwehren fertig war, um einen Bahnzug zu befrachten, sauste die Locomotive mit den „hölzernen Mauern“, wie einst das Orakel zu Delphi den Athenern zu bauen angerathen hatte, als es ihnen die Nothwendigkeit einer Kriegsflotte begreiflich machen wollte, über die schneebedeckte Ebene den Felsengebirgen zu. Mit unsäglicher Mühe wurde die hart gefrorene Erde aufgegraben, um die Pfosten darin zu befestigen, welche den Bretterwänden die nöthige Unterstützung geben mußten.

Ein im November von Südwesten herbrausender Schneesturm kümmerte sich wenig um die „hölzernen Mauern“, und bald war die Bahn unter tiefen und undurchdringlichen Schneeschichten begraben. Jetzt wurden schwere eiserne Schneepflüge, deren die Eisenbahngesellschaft dreizehn Stück besaß, und deren man sich in den zwei vorhergegangenen Wintern mit gutem Erfolge bedient hatte, um die Bahn in fahrbarem Zustande zu erhalten, angewendet. Hinter den Pflug wurden drei starke Locomotiven angespannt, und in Zeit von einer Woche waren fünfundzwanzig Locomotiven dienstuntauglich geworden. Der Schnee war nämlich so fest und undurchdringlich, daß die Locomotiven anstatt die Schneepflüge vorwärts zu treiben, durch die Gewalt des Anpralls vom Geleise geschleudert wurden. Nur dadurch, daß man in Zwischenräumen von acht bis zehn Fuß den aufgewehten Schnee bis zu den Schienen hinab durchgrub, machte man es dem Schneepfluge möglich, die Windwehen zu durchdringen. Aber auch diese Hindernisse alle schreckten die muthigen Amerikaner nicht ab. Wo Dampfkraft und Maschinen allein nicht fertig werden konnten, mußte die Kraft des Menschen helfend dazwischen treten. Und nun wurden sieben Bahnzüge in aller Eile ausgerüstet, um Arbeiter mit Schaufel und Hacke an Ort und Stelle zu bringen. Selbstverständlich mußten dieselben mit hinreichendem Proviant, für ungefähr sechshundert Mann und für zwei Wochen, sowie mit dem nöthigen Brennmaterial beladen werden. In jedem Bahnzuge befanden sich außer den Bahningenieuren und dem Aufseherpersonal fünfundsiebenzig Mann, die natürlich auch in den Waggons schlafen mußten. Man kann sich vorstellen, was diese Menschen zu erdulden hatten, wenn man bedenkt, daß sie von allen Seiten dem über eisige Schneefelder dahergepeitschten Sturme ausgesetzt waren, und daß die Arbeit fast ununterbrochen Tag und Nacht fortgesetzt wurde. Nach den Angaben der Bahnbeamten wurden viele der Leute durch Erfrieren einzelner Glieder dienstuntauglich, und es ist daher nicht zu verwundern, wenn Männer, die sonst an die härtesten Arbeiten gewöhnt sind und vor keiner Gefahr erzittern, vor der Natur in ihren Schrecken sich entmuthigt zurückzogen und die weitere Arbeit verweigerten.

Doch solche Muthlosigkeiten sind immer nur von kurzer Dauer. Der Amerikaner ermannt sich bald wieder und mit einem „Let us try it again!“ – laßt es uns nochmals versuchen – greift er wieder wacker an, und es ist diesen ungeheueren Anstrengungen auch gelungen, große Strecken der Bahn fahrbar zu machen. Um den Lesern einen Begriff von der Störung des Verkehrs durch die Schneestürme, wie solche nach Angabe der in jenen Gegenden lebenden Ansiedler in den letzten fünfundzwanzig Jahren nicht gewüthet hatten, zu geben, wollen wir nur anführen, daß am 14. Februar sieben nach Westen gehende Passagierzüge an der Station Separation im Territorium Wyoming lagen, von denen einer bereits vor achtundzwanzig Tagen von Omaha, im Staate Nebraska, abgefahren war, während zwei nach Osten gehende Personenzüge in Green River warteten, bis die Bahn fahrbar gemacht werden konnte. (Ein Blick auf die Karte zeigt, daß die unfahrbare Strecke damals kaum noch hundert englische Meilen betrug.) Außer diesen Personenzügen waren dreihundert Frachtwagen nach dem Westen und zweihundert solche nach dem Osten mit ihrer Ladung an den verschiedenen Stationen aufgehalten, und es ist daher nicht zu verwundern, wenn die Handelswelt in Newyork die massenhaft dort aufgehäuften, für die Länder des stillen Meeres bestimmten Waaren in sofort zu diesem Zwecke gemietheten Schiffen befördern ließ.

Die Bahnverwaltung wurde durch all dieses Ungemach nicht entmuthigt. Jedem Personenzug, den sie aussendete, wurde ein mit Schneepflug versehener und mit Arbeitern gefüllter Zug, und ebenso ein Extrazug mit Nahrungsmitteln und Kohlen für dreißig Tage vorausgeschickt, so daß, so unangenehm es auch für Reisende sein mag, Tage und Wochen lang auf einer unabsehbaren Schneefläche oder in eingeschneiten Bergschluchten campiren zu müssen, jedenfalls für die Ernährung und Erwärmung des Körpers gesorgt war, und es ist gewiß ein Zeugniß, das die Bahnverwaltung mit großem Stolze sich ausstellen darf, wenn sie sagt, daß, so groß auch die Unannehmlichkeiten eines solchen Aufenthaltes für die Reisenden gewesen sein mögen, doch kein Passagier Mangel an Nahrung oder Wärme gelitten hat.

Die Bahningenieure sprechen jetzt schon die Ueberzeugung aus, daß sie in diesem Winter Erfahrungen gesammelt haben, die es ihnen möglich machen, selbst noch heftigeren Schneestürmen, als sie eben erlebt worden, Trotz zu bieten und ähnliche Störungen in dem großen Weltverkehr zu verhüten. Möge es dem menschlichen Geiste auch hier gelingen, im Kampfe gegen die empörte und entfesselte Natur den Sieg davon zu tragen!




Druckfehler. In Nr. 9 unseres Blattes, Seite 138, erste Spalte, Zeile 9 lies anstatt den tausendsten Theil den „hundertsten“.




Nicht zu übersehen!


Mit dieser Nummer schließt das erste Quartal unserer Zeitschrift. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das zweite Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Verlagshandlung.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_216.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)