Seite:Die Gartenlaube (1872) 247.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

in verschiedenen Perioden seines Lebens dort zugebracht hat. Dieser hat übrigens das Territorium nicht in der Gesammtheit und Ausdehnung überkommen, wie sich jetzt dasselbe vom genannten Wartthurm bis zum Griebnitzsee in der Längenausdehnung einer halben Meile erstreckt, sondern er hat es sich erst nach und nach aus verschiedenen Parcellen zusammengelegt und zu einem Ganzen abgerundet. Ein großer Theil allerdings, namentlich der Forstgrund, wurde ihm von seinem Vater König Friedrich Wilhelm dem Dritten in Erbpacht gegeben, ein Theil auch von seinem Bruder König Friedrich Wilhelm dem Vierten geschenkt, das Uebrige jedoch hat er sich von verschiedenen Privatleuten zusammengekauft, je nach Umständen und auch nach Mitteln, denn bekanntlich sind die preußischen Prinzen nicht reich, ihre Vorfahren hatten von jeher keinen Unterschied zwischen Staat und Dynastie gemacht, das Volksinteresse war auch ihr Familieninteresse, so daß auch die preußischen Könige keine Schätze für ihre Familie aufzuspeichern vermochten.

Friedrich Wilhelm der Dritte hinterließ seinen Kindern, so zu sagen, kein Vermögen; aber er vermachte dem Lande eine Million als erstes Grundstocks-Capital zu einer Eisenbahn, welche den Osten des Landes mit dem Westen verbinden sollte. Die preußischen Prinzen haben außer ihrer Apanage wenig mehr, und die Feststellung derselben datirt noch aus einer Zeit, wo, gegen die Gegenwart, der Werth des Geldes um das Dreifache höher stand. Da galt es also für den damaligen Prinzen von Preußen, sich nach der Decke zu strecken, und das hat er in den Zeiten der Noth in seiner Jugend gelernt; dafür war ihm sein sparsamer Vater ein leuchtendes Beispiel gewesen. Der Kaiser war stets ein vortrefflicher Haushalter mit den ihm zugewiesenen Mitteln gewesen. Auch in dieser Eigenschaft hat der Kaiser mit seinem Vater viele Aehnlichkeit. Ich will hier nur ein kleines Beispiel erzählen.

Mit der Herstellung des Sees, an dem der kaiserliche Herr eben vorübergefahren ist, vergingen mehrere Jahre. Jenes äußerlich langsame und stille, aber innerlich stetige und ruhige Werden und Wachsen, jene reif überdachte Vorbereitung für einen desto sicherern und gedeihlichern Erfolg und das aus diesem Bewußtsein entspringende ruhige, geduldige Zuwarten, das wir in der Persönlichkeit des Kaisers, wie in der Entwickelung des Staates unter seiner Regierung verfolgen können, das zeigt sich so recht deutlich hier auf seinem kleinen Privatbesitz, an den neuen Anlagen, an dem See, den ein anderer Eigenthümer mit den erforderlichen Mitteln vielleicht in drei Monaten hätte herstellen können. Nicht so der Kaiser. Er hatte für diese Anlagen jährlich einen bestimmten Etat ausgesetzt; war dieser überschritten, so blieben die Arbeiten bis zum nächsten Jahre liegen, und wenn der Kaiser dennoch darum angegangen wurde, wenigstens das und das noch vollenden zu lassen, so war seine Antwort: „Nein, ich habe in diesem Jahre kein Geld mehr.“

Der Kaiser hat indessen den ältern Theil des Babelsberger Parkes erreicht, den er schon vor etwa dreißig Jahren zu dem Uebrigen gekauft hat.

Je mehr sich der Weg in die Höhe windet, desto grüner wird der Park, desto dichter der Holzbestand. Es treten bereits einige recht behäbige knorrige alte Eichen an den Weg; sie breiten ihre Schatten über denselben und lassen nur noch einigen Lichtern der abendlichen Sonne ihr neckisches Spiel. Der Weg wird immer laubdunkler, mit dem Landschaftlichen vermischt sich nun schon das Architektonische, es ragen aus den Wipfeln gothische Thürme und Giebel auf, es drängen sich aus dem Laube pavillonartige, im spätgothischen Stile erbaute Gebäude, das Thorhäuschen, das Oekonomiehaus und das Cavaliergebäude. Links vom Wege eröffnen sich wunderbare Fernsichten; es ist, als ob ein Paar starke Arme die knorrigen Aeste der Bäume auseinanderhielten, um den Durchblick auf die tiefblauen Havelseen zu eröffnen, und auf den Schimmer von Rosenroth und Goldesglanz, mit denen die über dem dunkeln Waldhorizont stehende Sonne die ruhigen Wasser beglänzt. Mit der wieder zunehmenden Höhe des Weges werden auch die Baumgruppen immer höher, dichter und imposanter. Wir sind in dem ursprünglichen Forstgrunde mit seinem alten Eichenbestande. Nun zeigen sich auch gothische Thürmchen und Strebpfeiler, mittelalterliche Zinnen und hohe gothische Bogenfenster, zuletzt die Umrisse eines achteckigen, massiven, von Zinnen gekrönten Thurmes.

Der Wagen fährt auf einen freien Platz und hält vor einer niedrigen, mit einem eisernen Gitter verschlossenen Thür, vor dem Eingange zum Schlosse Babelsberg. Dasselbe liegt nun in seiner ganzen Ausdehnung vor unseren überraschten Blicken da. Es ist in dem Stile gebaut, den man den englischen Schloß- oder den Tudorstil nennt. Aber der finstere Name der Tudors hat nichts mit dem vor uns liegenden Gebäude zu thun. Es ist kein regelmäßiges Bauwerk. Man sieht es dem Ganzen an, daß es nicht mit einem Male, daß es nach und nach entstanden ist. Im Anfange war die ganze Schloßanlage auf ein einfaches Landhaus in dem bereits erwähnten Stile berechnet. Schinkel hatte den Plan gemacht und Persius den Bau geleitet. Im Jahre 1835 war derselbe vollendet. Es war derjenige Theil des Schlosses, der sich bei der Anfahrt zuerst gezeigt hatte. Er enthielt nur die nothwendigsten Räume für den Prinzen und seine Gemahlin. Neun Jahre hatten sich die Herrschaften mit diesem bescheidenen Sommersitze begnügt.

Unterdessen war die Schenkung König Friedrich Wilhelm’s des Vierten an Grund und Boden dazu gekommen, da wurden die Fontainen und Bewässerungsanlagen durch eine Dampfmaschine von vierzig Pferdekraft geschaffen, die das Wasser aus der Havel bis zu anderthalb hundert Fuß auf die Höhe des Hügels führte, und nachdem so durch Meister Lenné, diesen genialen Naturdenker, diesen Moltke auf dem Gebiete der Gartenkunst, die landschaftliche Grundlage der ganzen Besitzung festgestellt war, legte der damalige Prinz von Preußen auch die Hand an die Erweiterung des Schlosses. Schinkel, der den ersten Entwurf gemacht hatte, war allerdings schon todt, aber Persius zeichnete und baute in seinem Geiste weiter, und manchmal kam auch Semilasso-Pückler-Muskau und gab architektonische und landschaftliche Impromptus, die beachtet und ausgeführt wurden. Aus dem Landsitz wurde ein Fürstensitz, den Familiengemächern wurden große Repräsentationsräume, Fremdenzimmer etc. angefügt, und so entstanden diese massigen achteckigen und graziösen runden, diese hohen und niederen Thürme, diese vorspringenden und zurücktretenden Façaden, diese reich ornamentirten Pavillons, Erker und Balcons, diese Terrassen und Freitreppen, dieses Gemisch moderner Eleganz und phantasiereicher Romantik, dieser prachtvolle, imposante und dabei anmuthige und graziöse Schloßbau, auf dem die Gluth und der Friede des werdenden Abends liegen, in dessen Fenster die liebe goldene Sonne noch einmal grüßend hineinnickt und das in seinem Eindrucke gerade das Gegentheil von dem ist, was der Name Tudor sonst besagen will.

Der Kaiser ist ausgestiegen und bleibt auf dem Platze einige Minuten stehen; er knöpft sich den militärischen Ueberrock auf und seine Mienen, seine Blicke nehmen einen Ausdruck an, als ob er hier, umweht vom frischen Hauche der Natur, und auf eigener, unbestrittener Scholle stehend, sich frei und erleichtert fühle, als ob es sich hier besser und reiner athmen ließe. Einige Minuten bleibt er im Anschauen des vor ihm ausgebreiteten anmuthigen Landschaftsbildes versunken. Dann wendet er sich wieder dem Eingang des Schlosses zu. An demselben steht der Castellan Theile, um seinen Herrn zu empfangen. Dieser richtet einige freundlich grüßende Worte an den langjährigen Diener und dann die Frage:

„Sind Gäste im Schlosse?“

„Nein, Eure Majestät! Während des Vormittags und Mittags waren zwar viele da – es ist heute der Tag für die Extrazüge – aber nun sind sie alle weg.“

Unter den Gästen verstand der Kaiser Fremde, die sich das Schloß ansehen wollten. Wären solche noch anwesend gewesen, dann wäre er einen anderen Weg gegangen, als den er jetzt kommt, nur um die Besucher nicht zu stören und ihnen die Freude nicht zu verderben. Diese zarte Rücksicht ging sogar schon so weit, daß der Kaiser aus einem Zimmer, in dem er sich zufälliger Weise befand, austrat und so lange sich beiseite hielt, bis die Gäste es besichtigt und wieder verlassen hatten. Auch wenn der Kaiser auf Babelsberg anwesend ist, wird der Park den Besuchern nicht verschlossen, nur die Morgenstunden bis zehn Uhr behält sich der Kaiser ungeschmälert vor. Durch einen niedrigen gewölbten Gang betritt der Besitzer von Babelsberg das Innere des Schlosses, er kommt von demselben in die „Hall“. Wer je das Innere alter englischer Schlösser besucht hat, glaubt sich hier nach Bauart und Einrichtung in eines derselben versetzt; wer je

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_247.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)