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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

basischen Stoffe der Asche sind: Alkalien Kalium (K) und Natrium (Na), und alkalische Erden: Kalk (Ca) und Bittererde (Mg) – und ein einziges schweres Metall, das Eisen (Fe).[1]

Die letzten Verbrennungsproducte der Pflanzen- und Thierkörper sind also: einige Mineralsalze, Wasser, Kohlensäure und Ammoniak – sämmtlich unorganischer Natur.

Diese Endproducte, welche die Verbrennung liefert, liefert noch ein anderer – den organischen Körpern aber ausschließlich zukommender Zersetzungs- oder Zerstörungsproceß – die sogenannte Fäulniß. Auch durch die Fäulniß zerfällt der pflanzliche und thierische Körper zuletzt in Kohlensäure, Wasser, Ammoniak und Mineralsalze.

Hiermit haben wir nicht nur eine Uebersicht der letzten Zersetzungsproducte unorganischer Natur, in welche die Organismen zerfallen, sondern zugleich auch eine Uebersicht der sämmtlichen wichtigsten Elementarstoffe, aus denen in letzter Instanz alle pflanzlichen und thierischen Gebilde bestehen. Es sind ihrer nur etwa vierzehn: Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O), Stickstoff (N), Schwefel (S), Phosphor (Ph), Chlor (Cl), Fluor (Fl), Kiesel oder Silicium (S), Kalium (K), Natrium (Na), Calcium (Ca), Magnesium (Mg) und Eisen (Fe).

Zunächst sind es also der Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, dann der Schwefel, der Phosphor und allenfalls noch das Eisen, welche, in den mannigfaltigsten Anordnungen und Verhältnissen zu höheren chemischen Einheiten verbunden, alle die zahllosen eigentlich sogenannten organischen Stoffe bilden. Diese, gemischt oder in chemischer Verbindung mit Stoffen unorganischer Natur, namentlich Wasser und einigen Mineralsalzen, treten dann zu den eigenthümlichen Substanzen zusammen, welche die organischen Formen des Thier- und Pflanzenleibes annehmen und die Erscheinungen des Lebens manifestiren!

Sehen wir uns nun um, wo und wie die genannten vierzehn Elementarstoffe, die letzten Endes zum Aufbau aller der Organismen dienen, im Stoffvorrath der unorganischen Natur, im Mineralreich, sich vorfinden.

1) Freier Sauerstoff und freier Stickstoff, im Verhältniß von einundzwanzig zu neunundsiebzig Raumtheilen gemengt, bilden die atmosphärische Luft, welche den Erdball von allen Seiten umgiebt.

2) Der Kohlenstoff, mit Sauerstoff verbunden zu Kohlensäure, mischt sich in dieser Gasform der Luft und dem Wasser bei, oder bindet sich in den kohlensauren Salzen, welche im Wasser gelöst sind, oder feste Bestandtheile des Erdbodens darstellen.

3) Aus der Verbindung des Wasserstoffs mit Sauerstoff geht das Wasser hervor, welches überall in festem, flüssigem oder dampfförmigem Zustand verbreitet ist.

4) Eine andere Verbindung des Wasserstoffs, die mit Stickstoff, bildet das Ammoniak, welches sich in der Damm- oder Ackererde und in sehr wechselnden Mengen in der Atmosphäre findet.

5) Endlich sind Schwefel und Phosphor in den schwefelsauren und phosphorsauren Salzen vorhanden, und diese sowie alle anderen Mineralien, welche die übrigen der genannten vierzehn Elementarstoffe, wie Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium u. s. w. enthalten, kommen in gelöster oder fester Form als Bestandtheile in den Gewässern und im Erdboden vor.

Erwägen Sie diese fünf Punkte im Zusammenhange mit den obigen Mittheilungen über die letzten unorganischen Verbrennungs- und Fäulnißproducte der Substanzen des Thier- und Pflanzenkörpers, so wird Ihnen unzweifelhaft die große Thatsache vor Augen stehen, daß die unorganische Welt unseres Planeten in Form von Wasser, Kohlensäure, Ammoniak und einigen Salzen alle die Elementarstoffe enthält, welche die lebenden organischen Wesen in letzter Instanz zusammensetzen, während der freie Sauerstoff der atmosphärischen Luft beim Verbrennungs- und Fäulnißproceß im Stande ist, die Thier- und Pflanzenleiber in dieselben einfachen mineralischen Formen von Wasser, Kohlensäure, Ammoniak und Salzen zu zerlegen, und als solche der unorganischen Welt wiederzugeben.

Durch Wurzel und Blatt entnimmt die Pflanze fortwährend Stoffmaterial aus dem Boden, aus dem Wasser und aus der Atmosphäre. Diese großen Vorrathskammern unorganischen Stoffes liefern der Pflanzenwelt alle Elemente zu ihrer Bildung, Erhaltung und Entwicklung in Form von Kohlensäure, Wasser, Ammoniak und Mineralsalzen.

In den grünen Theilen der Pflanzen wird unser dem Beistande der Sonnenstrahlen die angenommene Kohlensäure reducirt, das heißt der Sauerstoff wird vom Kohlenstoff gewaltsam abgetrennt und in freiem gasförmigen Zustand an die Atmosphäre abgegeben, während der Kohlenstoff in neue Verbindungen organischer Natur mit den Elementen des Wassers und Ammoniaks tritt und im Pflanzenkörper zurückbleibt.

Durch diese innere chemische Arbeit fabricirt die Pflanze jedes Stück ihrer Gewebs- und Säftebestandtheile, die ihr eigenthümlich sind; mit diesem Baumaterial rein unorganischer Natur setzt sie unter Sauerstoffentwicklung oder Desoxydation alle die sogenannten organischen Verbindungen zusammen, welche sich vor den unorganischen durch ihre Verbrennlichkeit und ihre complicirte Constitution auszeichnen.

So verbinden sich die Elemente der Kohlensäure und des Wassers unter gleichzeitiger Desoxydation oder Verminderung ihres Sauerstoffgehaltes zu organischen Stoffen, die nur aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehen (Kohlehydrate: Zellstoff, Stärkemehl, Gummi, Zucker etc.; Fette und Oele).

Durch Hinzutritt des Ammoniaks (NH3) kommt der Stickstoff zu den drei genannten noch als viertes Element hinzu und es entstehen vierfache, stickstoffhaltige, organische Verbindungen. Endlich wird noch der Schwefel und Phosphor, der in den aufgenommenen schwefelsauren (SO3) und phosphorsauren (PhO5)[WS 1] Salzen steckt, vom Sauerstoff befreit und in die neuen Gruppirungen miteinbezogen und es kommt zur Herstellung der am höchsten complicirten organischen Verbindungen, namentlich der eiweißartigen Stoffe.

Diese eigenthümlichen und noch lange nicht im Detail erforschten Vorgänge nennt man die organische Synthese oder progressive Stoffmetamorphose.

Von der unansehnlichen Flechte, welche den feuchten Felsblock überzieht, bis zu den eleganten Zierpflanzen unserer Treibhäuser und den mächtigen Baumriesen der Wälder ist somit die Pflanze als ein natürliches chemisches Laboratorium zu betrachten, welches, durch die Sonnenstrahlen geheizt und in Thätigkeit versetzt, Sauerstoff entbindet und sauerstoffarme, aber hochcomplicirte organische Stoffe producirt und somit der organischen Synthese oder progressiven Stoffmetamorphose dient.

Damit soll jedoch nicht etwa gesagt sein, daß in den Pflanzen keine anderen, ja die geradezu entgegengesetzten chemischen Vorgänge vorkämen oder vorkommen könnten, allein die eben geschilderten sind weitaus die wichtigsten und charakteristischesten für die Bedeutung der Pflanzenwelt im Haushalt der Natur. Die Rolle und Bedeutung der Pflanzenwelt im großen Haushalt der Natur muß nämlich in der That dahin formulirt werden, daß sie es ist, welche aus einfachem unorganischem Stoffmaterial unter Sauerstoffentbindung organische Substanz erzeugt.

Das Thier hat ganz andere Beziehungen zur Außenwelt als die Pflanze.

Das Thier bedarf zum Aufbau und zur Erhaltung seiner Körpersubstanzen schon fertiges organisches Stoffmaterial, da ihm alle Fähigkeit abgeht, aus den einfachen unorganischen Verbindungen irgend welche Stoffe von organischer Natur und Zusammensetzung herzustellen.

Diese Fähigkeit besitzen von allen Gebilden der organischen Welt nur die vom Sonnenlicht bestrahlten grünen Pflanzentheile.


  1. Das Eisen bildet einen integrirenden Bestandtheil jener äußerst zusammengesetzten, in einen Eiweißkörper und einen eisenhaltigen Farbstoff zerfallenden organischen Verbindung, welcher das Blut der Thiere seine Scharlachfarbe verdankt.


(Schluß folgt.)




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: (Ph O5)
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_340.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)