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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

verlassen sich keinen Augenblick lang, thun Alles gemeinschaftlich und theilen fortan Freud und Leid. Daß auch das Letztere nicht ausbleibt, erklärt sich von selbst; denn mit der Liebe in ihrem Herzen regt sich die Eifersucht, und jedes Männchen sieht nunmehr in einem anderen seiner Art, auch trotzdem es mit ihm im besten Einvernehmen lebte, einen Nebenbuhler, welchen es ärger hassen zu müssen glaubt als sonst ein Wesen, und mit dem es in ernster Fehde lebt, bis es die unbedingte Herrschaft errungen, oder aber entschieden besiegt worden ist. Von allen Glanzstaaren, welche ich seit Jahren pflege, habe ich nur einen einzigen an der sogenannten Darre verloren, fast ein halbes Dutzend dagegen durch nebenbuhlerische Kämpfe eingebüßt. Ehe man recht in’s Klare gekommen ist, daß ein Pärchen sich verbunden hat, liegen zwei Männchen sich in den Federn, und bevor man Gelegenheit fand, sie auseinander zu bringen, ohne dadurch das verbundene Paar zu trennen, ist das eine Männchen durch Schnabel und Klauen eines anderen bereits so zugerichtet worden, daß es wenige Stunden oder Tage später seinen Geist aufgiebt. Mit anderen Arten dagegen, und mag die Verwandtschaft derselben noch so innig, mögen sie einander noch so ähnlich sein, kämpfen die liebeglühenden Glanzstaare nicht, und somit lösen sich durch dies Betragen sehr bald etwaige Zweifel über Zusammengehörigkeit oder Verschiedenheit der Arten, Zweifel, welche bei diesen so überaus ähnlichen, ungemein schwer zu bestimmenden Vögeln recht wohl vorkommen können. Die erste Bedingung also ist, von jeder Art nur ein Paar in einem größeren Käfige zu halten, die zweite, für jedes von diesen die nöthige Nistgelegenheit zu beschaffen.

Die von mir gepflegten Glanzstaare, welche gebrütet haben oder zum Brüten sich anschickten, dachten nicht daran, freistehende Nester zu errichten, wie man nach Heuglin’s Angabe hätte vermuthen müssen, wählten sich zur Anlage ihres Nestes vielmehr Höhlungen von hinreichender Größe und passend eingerichtete Nistkästen, welche sie mit Stroh, Heu, Moos und Federn ausbauten. Das Nest ist zierlicher, als es bei Höhlenbrütern sonst der Fall zu sein pflegt; die Halme werden hübsch geordnet und theilweise so angelegt, daß sie das eigentliche Nest bis auf ein weites Schlupfloch überwölben; die innere, zumeist aus Federn bestehende Auskleidung, wird wohl geglättet, so daß die Wiege der Kinder allen Anforderungen entspricht. Beide Geschlechter betheiligen sich fast mit gleichem Eifer an dem Brutgeschäft, nur daß das Weibchen, wie üblich, mehr Verarbeiter, das Männchen mehr Zuträger der Stoffe ist, wie jenes auch länger auf den Eiern brütet als dieses. Es gewährt ein reizendes Schauspiel, beide Vögel beim Bau dieses Nestes zu beobachten. Obwohl sie sich, wenn sie zum Nisten schreiten, vollkommen sicher und wohlgeborgen fühlen, und obwohl die Höhlung, in welcher das Nest angelegt wird, vor Aller Augen liegt, arbeiten sie doch so verstohlen wie möglich, lesen eilfertig die Baustoffe zusammen, mehr als ob sie spielen, denn als ob sie dieselben verwenden wollten, fliegen mit ihnen auf diesen und jenen Zweig, nach der einen oder anderen Seite des Käfigs, nähern sich sodann plötzlich und unerwartet dem Eingangsloche zu ihrer Höhle und verschwinden in dieser, wobei regelmäßig das eine der Geschlechter, meist wohl das Männchen, Wache zu halten pflegt, als wolle es den Gatten vor jeder vermeintlichen oder wirklichen Gefahr rechtzeitig warnen. Sobald der eingeschlüpfte Glanzstaar innen die Stoffe richtig verbaut hat, erscheint er wieder am Eingange des Nistkastens, wirft rasch einen Blick über den ganzen Käfig, schlüpft heraus, setzt sich in der Nähe auf einen Ast, ruft dem bisherigen Wächter anscheinend ermuthigend zu, und dieser huscht nun ebenso verstohlen wie Jener in das Innere, um seinerseits die in dem Schnabel herbeigeschleppten Baustoffe abzugeben. Nachdem dies geschehen, pflegt der Zweite wiederum, diesmal mit leerem Schnabel, in den Nistkasten zu kriechen, wahrscheinlich um die von dem täppischen Männchen eingefügten Baustoffe noch zu ordnen, mindestens um sich zu überzeugen, ob dasselbe nach Wunsch gearbeitet habe. Erst hierauf begeben sich beide wieder zum Boden herab, auch von hier aus noch immer rasch einen Blick nach dem Neste werfend, um neue Stoffe zusammenzulesen und in der beschriebenen Weise wiederum dem Neste einzuverleiben. Bei gutem Wetter arbeiten die Glanzstaare außerordentlich eifrig, und das Männchen findet dabei doch immer noch Zeit, sein singendes Geschwätz vorzutragen; bei trüber und regnerischer Witterung dagegen setzen sie oft einen ganzen Tag und mehr mit dem Bauen aus oder tragen höchstens von Zeit zu Zeit einige wenige Stoffe nach dem Neste. Wie dem aber auch sein möge, in Zeit von zehn bis zwölf Tagen ist die Wiege für die kommende Brut vollständig hergerichtet, und das Weibchen beginnt nun seine Eier zu legen.

Jetzt folgt ein Stillstand, wenigstens scheint es so. Das Männchen singt nach wie vor, baut aber nicht mehr; das Weibchen ist verschwunden, im Innern des Nistkastens mit Brüten beschäftigt. Ob es zeitweilig vom Männchen abgelöst wird, wie ich annehmen möchte, vermag ich mit Bestimmtheit nicht zu sagen, weil die Geschlechter der Glanzstaare nur an ihrer verschiedenen Größe zu erkennen sind, sich aber blos dann unterscheiden lassen, wenn man sie nebeneinander sieht. Aber auch die Brutzeit kann ich nicht angeben, weil ich mich wohlweislich stets gehütet habe, die seltenen Vögel während der wichtigsten Beschäftigung ihres Lebens zu stören, also auch nur durch Nachsehen zu behelligen. Etwa vierzehn Tage, nachdem immer nur einer der Vögel außerhalb des Nestes zu sehen war, bemerkte ich, daß beide weit dreister als sonst sich herandrängten, wenn Mehlwürmer gefüttert wurden, daß sie von diesen buchstäblich einen Schnabel voll packten und mit ihnen dem Neste zuflogen. Ueber den glücklichen Fortgang der Brut aber wurde ich erst versichert, als die sorgsame Mutter, nachdem sie mit Atzung dem Neste zugeflogen war, um mich so auszudrücken, die Windeln reinigte, d. h. ein zart umhäutetes Kothklümpchen ihrer Jungen getragen brachte und an einer entfernten Ecke des Käfigs niederlegte. Jetzt wußte ich nicht nur, daß Junge vorhanden waren, sondern auch, daß dieselben vortrefflich gediehen, mit einem Worte, daß im Neste Alles in bester Ordnung war. Nunmehr handelte es sich darum, den Jungen die nötige Atzung zukommen zu lassen. Das verursachte aus dem Grunde Schwierigkeiten, als in dem von meinen Glanzstaaren bewohnten Gesellschaftsraume mindestens noch zweihundert andere Vögel sich befanden, von denen kein einziger Mehlwürmer und Ameisenpuppen verschmähte, und unter denen es so arge Fresser gab, daß auch für mehrere Thaler dieser Larven zur täglichen Befriedigung der Gesammtheit nicht ausgereicht haben würden. Die Glanzstaare selbst halfen über alle Schwierigkeit hinweg. In ihrem Eifer, den Jungen die nöthige Atzung zu verschaffen, ließen sie jegliche Rücksicht vor größeren und stärkeren Vögeln, welche sie bis jetzt beherrscht hatte, schwinden, erschienen, sobald ich mich oder der Futtermeister mit der Mehlwürmerschüssel sich nahte, ungescheut und nahmen uns, so zu sagen, die Mehlwürmer aus den Händen weg. Schon nach einigen Tagen wußten sie genau, daß nur ihnen zu Liebe mehr als einmal täglich Mehlwürmer gereicht wurden; denn während alle übrigen Vögel des Raumes sich zurückzogen, wenn wir sie scheuchten, ließen sich die Glanzstaare dadurch nicht im Geringsten beirren, erkannten es im Gegentheile dankbar an, daß wir ihnen die lästigen Gesellen vom Leibe hielten. Beide Gatten des Paares waren mit gleichem Eifer thätig, wenn auch das Weibchen, wie erklärlich, immer voranging und sich nach Mutterart durch größere Fürsorge hervorthat. Höchst komisch sah es aus, daß jeder der Vögel sich bemühte, von den Käferlarven so viele wie immer möglich mit einem Male fortzutragen, wie er dabei zusammenraffte, so viel der Schnabel fassen wollte, seine liebe Noth hatte, zehn bis zwölf lebende Mehlwürmer ordentlich festzuhalten, ohne einen davon zu verlieren, und wie er beim Auffluge nach dem Nistkasten geschickt allen beabsichtigten Diebereien von Seiten anderer Vögel zu entgehen wußte.

Alles ging vortrefflich, und nach etwa drei Wochen erschienen drei wohlgestaltete Junge meist gleichzeitig mit den Köpfen an dem Eingange zum Nistkasten, sobald eines der Eltern sich zeigte. Etwa acht Tage später waren sie ausgeflogen und wenigstens so weit erstarkt, daß sie ihren Eltern überall hin folgen konnten. Das täppische Wesen, welches sie anfänglich noch zeigten, verlor sich ebenfalls bald, und schon nach Monatsfrist, vom Tage ihres Ausfliegens an gerechnet, thaten sie es den Alten vollständig gleich, ließen sich auch nur an dem gelblichen Schnabelrande von diesen unterscheiden, da ihr Gefieder, welches anfänglich an Pracht hinter dem ihrer Eltern merklich zurück war, bald den vollen Glanz und Schimmer des Alterskleides erhielt, ohne daß eine Mauser stattgefunden hätte. Nach Jahresfrist durften sie als vollkommen ausgewachsen, zeugungs- und fortpflanzungsfähig angesehen werden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_437.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)