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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Ein altes Familienbild.
Von Gustav zu Putlitz.


Den Lesern der „Gartenlaube“ bringe ich die Wiedergabe eines alten Familienbildes, das ich vor mir habe, indem ich schreibe, das in meinem Zimmer hängt, das mich seit meiner Kindheit lebhaft interessirte und das für mich manche wehmüthige Erinnerung trägt. Von denen aber will ich nicht erzählen, nur von Dem, dessen Züge es aufbewahrte, Züge, die mir so vertraut geworden sind, als ob ich das Original lebend gekannt hätte, und doch ist das Bild fast ein und ein halbes Jahrhundert alt. Freilich gelebt habe ich mit dem Bilde in mancher ernsten und heiteren Stunde und aufgeblickt in erhobener und trüber Stimmung zu den lebensfrischen Zügen, in die dunklen Augen, die so hoffnungsreich und muthig in’s Leben blickten, das noch in demselben Jahre, in dem der Maler das Bild auf die Leinwand fesselte, ein grausamer und jäher Tod beschloß. Es ist das Bild Hans Hermann’s v. Katte, des Jugendfreundes Friedrich’s des Großen. Noch andere Bilder, die zu seinem Leben, zu seinem tragischen Geschick in Beziehung stehen, hängen in demselben Zimmer: seine Großmutter, aus der längst ausgestorbenen Familie v. Capellen; sein Vater, der Feldmarschall v. Katte; seine Schwester, meine Urgroßmutter; das lebensgroße Bild Friedrich’s des Zweiten, ein Geschenk des großen Königs an den Vater seines unglücklichen Freundes.

Hermann von Katte.
Nach einem im Besitz des Herrn Gustav zu Putlitz befindlichen Oelgemälde.

Wie die Bilder in meinen Besitz kamen, ist leicht erklärt. Katte’s Stiefschwester (rechte Geschwister hatte er nicht und seine Mutter, Tochter des Grafen Wartensleben, Minister unter Friedrich dem Ersten, starb früh) war meine Urgroßmutter, und die Bilder kamen aus der Nachlassenschaft einer alten Großtante, die ich noch gekannt habe, in unser Haus. Deutlich noch erinnere ich mich des Tages, als sie mit vielem anderen veralteten Hausgeräth ausgepackt wurden, und ich weiß noch von dem großen Eindruck, den sie dem Knaben machten, denn ich kannte die Geschichte Katte’s, die mir von der alten Großtante als eine Familientradition oft erzählt war. Das einsame, abgeschlossene und meist ereignißlose Leben jener Zeit erhielt die Familiengeschichten durch Generationen lebendig und gab ihnen besondere Wichtigkeit. Diese Geschichte wurde noch durch eine doppelte Empfindung getragen, durch den Schmerz über Katte’s unverdientes und so leicht abzuwendendes Geschick und durch den Stolz auf die Freundschaft des großen Königs, durch die Katte ohne diese tragische Katastrophe eine glänzende und einflußreiche Zukunft gehabt hätte.

Noch ein anderes Andenken bewahre ich von dem Hingerichteten: eine kleine silberne Zuckerdose, auf der sein Wappen, aufgelegt auf das Kreuz des Johanniterordens, eingravirt ist. Diese Dose hat ihn noch in sein Gefängniß begleitet, und mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 633. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_633.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2020)