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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Blätter und Blüthen.


Luther’s Trauring. Eine Anfrage hinsichtlich des vielbesprochenen echten Verlobungs- und Traurings Martin Luther’s veranlaßt uns, die von einem Abkömmling der Lutherfamilie uns gewordene Auskunft mit einer Illustration zu verdeutlichen.

Luther’s Verlobungs- und Trauring.

Immer ist von Neuem die Frage aufgeworfen worden: „Wo befindet sich der echte Lutherring?“ Eben deshalb ist’s nothwendig, diese Frage endlich mit der wohlbegründeten Antwort zu ewigem Schweigen zu bringen: Es ist nicht mehr möglich, den echten Ring zu bestimmen. Derselbe war nicht nur ein Geschenk des Kurfürsten, sondern auch ein Meisterstück der Goldarbeiterkunst jener Zeit; nimmt man dazu die hohe Verehrung, in welcher Luther selbst stand, so wird die Wahrscheinlichkeit sehr nahe liegen, daß nicht erst 1817, sondern schon zu Luther’s und seiner Katharina Lebzeiten Nachahmungen dieses Ringes, oder beider Ringe, des größeren Luther’s und des kleineren der Katharina, gemacht worden sind.

Luther’s Ring ging ohne Zweifel in den Besitz seiner Gattin über, und sie bewahrte ihn sicherlich als ihr werthvollstes Kleinod. Aber mit Luther war die Ruhe ihrer Tage dahin. Schon ein Jahr nach seinem Tode mußte sie, als der Schmalkaldische Krieg (1547) des Kaisers Heer gen Wittenberg führte, mit ihren Kindern fliehen. Sie verweilte in Magdeburg und Braunschweig und kehrte erst im folgenden Jahre nach Wittenberg zurück. Als aber im Sommer 1552 dort die Pest ausbrach, entfloh sie abermals mit ihren Kindern. Auf dem Wege nach Torgau hatte sie das Unglück, daß der Wagen umfiel und sie in’s Wasser stürzte. Von Schrecken und Erkältung krank, kam sie nach Torgau und starb dort schon am 20. December. Wohin ist ihr Nachlaß gekommen? Wer weiß es? Besaß sie die Ringe noch? Oder gingen sie bei dem Unfall verloren? Niemand giebt Antwort – und welche Kriegszeiten sind seitdem zerstörend über deutsches Hab und Gut dahingegangen!

Auch zu Freiburg im Breisgau befindet eine Dame sich im Besitz eines Lutherringes, welcher auf das Genaueste der Abbildung entspricht, die im fünften Stück des zweiten Bandes von des Weimarischen Landes-Industrie-Comptoires[WS 1] allbekannten „Curiositäten der physisch-literarisch-artistisch-historischen Vor- und Mitwelt“ dargestellt ist und die wir hier ebenfalls danach mittheilen.

Freuen wir uns, daß uns die Abbildung der Ringe treu bewahrt ist; wir geben dieselbe auch in der Gartenlaube wieder, damit jeder Besitzer eines solchen Ringes weiß, was er besitzt. Die Beschreibung lassen wir nach den „Curiositäten“ hier folgen.

Der ziemlich breite goldne Ring von durchbrochener und erhabener Arbeit besteht aus einem verzierten Hauptreif (Fig. 1.) in der Mitte, auf welchem ein Rubin steht, und zwei Nebenreifen zu beiden Seiten (Fig. 2.), ebenfalls mit Figuren verziert. Diese drei Reifen sind aber fest mit einander verbunden, und keineswegs aus einander zu nehmen. Der Hauptreif, welchen der in einen Kasten gefaßte Rubin in zwei Hälften theilt, stellt in der einen Hälfte einen Baum vor (Fig. 3.), wie verschiedene Aeste unten und oben anzeigen, mit einem Querbalken, dicht unter dem Rubin, so daß der Baum ein der Natur des Ringes wegen gekrümmtes Kreuz bildet, auf welchem die bis zu den Muskeln ausgearbeitete Figur des Gekreuzigten erscheint. Am Baume unten, dicht zu den Füßen Christi, befindet sich ein Würfel, und weiter unten noch einer in den Aesten. Diese Würfel sind durch drei mit Punkten versehene Seiten kenntlich gemacht.

Die andere Hälfte des Hauptringes (Fig. 4.) enthält, diesseits des Rubins, noch die obere Spitze des Kreuzbaumes mit Geäste, unter welchem man die Inschrift: I. N. R. I. (Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum) deutlich lesen kann. An die Spitze des Kreuzbaums schließt sich in dieser andern Hälfte des Hauptringes die durch Gesims und Architektur kennbare, natürlich ebenfalls gekrümmte Säule der Geißelung oder Krönung an (vielleicht die, welche nach Chateaubriand, in der Kirche des heiligen Grabes die Abyssinier betrachten). Diese Säule ist mit Stricken umwunden, an denen unten, wo der Ring zusammengeht, ein dritter Würfel sich befindet, und oben eine Figur, wie ein großer Hammer, querüber gelegt ist.

Die Nebenreife werden in der einen Hälfte (Fig. 3.), den Gekreuzigten zur Linken und Rechten, durch zwei Marterinstrumente, wie Speere oder Schwerter, oder von einer in entgegengesetzter Richtung der Hauptfigur liegenden Geißel oder Ruthe gebildet. Die andere Hälfte der Nebenreife, welche die Säule des Hauptreifs umgiebt, stellt diesseits eine gekrümmte Leiter (Fig. 4.), die nach dem Kreuze zu geht, und jenseits ein Schwert dar, oder eine Lanze. Aus noch einer Verzierung neben dem Kreuze könnte man den Kopf und das Gesicht eines Kriegsknechts herausstudiren.

Inwendig im Hauptreife stehen ausgeschrieben die Namen der Verlobten (Fig. 5.), und innerhalb des Nebenreifes, mit kleiner Schrift, der 13. Juni 1525. (Fig. 6.) Dieses ist das Datum der Verlobung und Verheirathung zugleich.




Ein kritischer Augenblick. (Mit Abbildung S. 660). Warum soll nicht auch ein Kriegsbild hier Platz finden, dessen Werth mehr auf seinem künstlerisch glücklichen Gegenstand, als auf dem Erfolgreichen des dargestellten Ereignisses beruht? Uebrigens gewinnt der, wie unser Künstler sich ausdrückt, „für den Schlachtenmaler so dankbare Moment“ durch die Hauptperson gerade jetzt besonderes Interesse, und immerhin kann die Gefahr, in welcher der französische Oberfeldherr damals stand, wenigstens mit Recht ein kritischer Augenblick nicht blos der Schlacht, sondern des ganzen Kriegs genannt werden; denn hätten die Husaren unseres Bildes ihren vornehmen Gegner festpacken können, wer weiß, wie anders dann gar Manches gekommen wäre.

Marschall Bazaine hat in seiner Schrift über den „Feldzug der Rheinarmee vom 12. August bis zum 28. October 1870“ den Vorfall zwar nur kurz, aber doch so erwähnt, daß die wirkliche Bedeutung desselben zwischen den Zeilen zu lesen ist. Er sagt:

„Den 16. August früh trafen die Spitzen der preußischen Colonnen auf die Cavalerie-Division de Forton, die auf das zweite Armeecorps zurückweichen mußte, und nahmen Mars-la-Tour ein. Um halbzehn Uhr war die Schlacht gegen das zweite und sechste Armeecorps aufgenommen. Um diese Zeit hatte die Armee den beabsichtigten Marsch nach Verdun noch nicht angetreten, weil ich erst das Heranrücken des dritten und vierten Armeecorps abwarten wollte und Marschall Leboeuf mich deshalb um Aufschub gebeten hatte. Gegen Mittag trieben die Deutschen so nachdrücklich zum Angriff, daß ich die Garde in’s Gefecht eintreten lassen mußte. Während dieser Bewegung wurde ich in einen Sturmritt braunschweigischer Husaren verwickelt und von meinem Stabe getrennt, der mir mehrere Stunden fehlte.

Genaueres geben die deutschen Kriegsgeschichtsschreiber. Am klarsten zeigt uns den Gang in der Schlacht bis zu diesem Augenblick A. Niemann in seiner „Militärischen Beschreibung des französischen Feldzugs von 1870 bis 1871.“ Er erzählt den betreffenden Vorgang so:

„Das dritte Armeecorps behauptete sich um Mittag in den errungenen Stellungen von Flavigny und Vionville und wies mit Hülfe von Theilen der sechsten Cavaleridivision, welche um ein Uhr Nachmittags, Flavigny links lassend, in der Richtung gegen die Chaussee attakirte, alle Versuche des Feindes, Vionville wiederzunehmen, erfolgreich zurück. Der französische Divisionsgeneral Bataille ward um halb Eins verwundet, seine Division begann zu weichen, und diese Bewegung zog einen Theil der Division Bergé mit zurück. Um diese Lücke auszufüllen, ließ der Marschall Bazaine vom dritten Lancierregiment und von den Kürassieren der Garde einen Choc gegen die feindliche Infanterie machen. Der Angriff der Lanciers ward abgeschlagen, und auch die Kürassiere, in drei Echelons anstürmend, vermochten die Quarrés nicht zu erschüttern. Eine Schwadron des braunschweigischen Husarenregiments von der Division Rheinbaben gelangte bei

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Landes-Industie-Comptoires
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_667.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2020)