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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

im kräftigsten Mannesalter stehenden Wirthes kennen lernte, suchte ich, denn es war schon spät geworden, mein Lager im oberen Giebelstübchen auf, um des anderen Morgens recht früh schon auf den Beinen sein und dann sofort meine Studie in Angriff nehmen zu können.

Schon mit Tagesgrauen war ich munter, und rasch mich ankleidend, musterte ich, soweit sich solches bereits thun ließ, die noch in magischem Dämmerschein und in tiefster Stille vor mir

Ein nasses Grab.
Originalzeichnung von Guido Hammer.

liegende Landschaft durch das kleine Fenster, welches von außen von den goldlaubigen Zweigen eines Birnbaumes – des einzigen Obstbaumes in der ganzen Umgegend – umrahmt war. Welch ein tristes und mich doch unsäglich ansprechendes Bild bot sich meinen ersten Blicken dar! Bleicher Morgenschimmer lag über einem eintönigen, fernherdämmernden Waldsaum, von dem sich ein fahler Moorbruch bis ans Forsthaus heran ausbreitete. Halbverschilfte Wasserlachen, deren eine ein mächtig hohes schwarzes Kreuz überragte, unterbrachen hier und da die Monotonie dieses Moorbruches. Um dieselben herum fristeten einzelne Erlenbüsche, krüppelhafte Kieferstraupen und Wachholdersträucher ein trauriges Leben. Es war eine düstere, unheimliche Stimmung, welche an diesem Morgen über der wüsten Moorlandschaft lag. Nebelschwaden dampften aus den dunklen Unkenlöchern empor, ein Schwarm von Krähen aber zog trägen Fluges hoch über dem einsam in die Luft ragenden Kreuze dahin. Wie die Nebel hin und her wogten, so irrten auch meine Blicke durch die wüste Landschaft. Und immer wieder – woher dieser magische Zug? – kehrten sie zurück zu dem hohen schwarzen Kreuze und dem im Nebel darüber flatternden Krähenschwarm. Eine eigenthümlich mystische Stimmung überkam mich.

Mit dem Ankleiden fertig, verließ ich das traute Stübchen, um der Verabredung gemäß den Kaffee in der Unterstube in Gesellschaft der Försterfamilie einzunehmen. Natürlich war nach einem gegenseitig gebotenen herzlichen Morgengruß meine erste neugierige Frage nach der Bedeutung des schwarzen[WS 1] Kreuzes am

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: schwarzes
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 689. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_689.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)