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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Geschäftsführer der neuen Buchhandlung eingeführt und diese selbst mit frischem Muthe im Gewandgäßchen Nr. 620 (jetzige Straßennummer 2) eröffnet. Der Miethzins für das Local betrug anfangs acht Thaler für das Vierteljahr, stieg aber, wahrscheinlich durch Vermehrung der Räumlichkeiten, bald auf vierzehn Thaler für drei Monate an; auch für eine gemüthliche Ausstattung der Stube wurde gesorgt, denn aus dem Ausgabebuch ersieht man, daß, wohl als einziges Inventarstück, eine Schreibcommode angeschafft und mit sechsundeinhalb Thaler bezahlt wurde.

Außer verschiedenen kleinen Verlagsunternehmungen des jungen Geschäfts war es natürlicher Weise das Conversationslexikon, welches seine hauptsächlichste Thätigkeit in Anspruch nahm. Der erste Baud desselben, welcher auf vierhundert Seiten die Buchstaben A bis E umfaßte, lief 1796 unter dem Titel „Conversationslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten“ glücklich vom Stapel. Das ganze Werk sollte aus vier Bänden bestehen und der Preis eines jeden derselben einen Thaler betragen. In wie viel Exemplaren das Buch gedruckt wurde, läßt sich aus den übriggebliebenen wenigen Actenstücken nicht genau ersehen; nach der noch vorhandenen Berechnung der Ausgaben für das Papier dazu wurden wahrscheinlich anfänglich tausend Exemplare gedruckt. Der Preis für das Papier betrug für den (aus fünftausend Bogen bestehenden) Ballen zehn Thaler; das Honorar für die Verfasser wurde auf vier Thaler für den Druckbogen festgestellt. Wahrlich ein trauriger Lohn für die mit unendlicher Mühe, mit großem Zeitverlust und vielem Wissen bearbeitete erste Zusammenstellung eines Werkes von solchem Umfang und von solcher Bedeutung! –

Das Geschäft war also nun im vollen Gange; über die Einnahmen, die es machte, schweigen unsere Actenstücke gänzlich, aber wohl gewähren sie uns einen Einblick in die Ausgaben. Aus denselben ersehen wir nun hinreichend, daß die Herren Besitzer von einer geregelten Geschäftsführung keine Idee hatten. Es waren beide Gelehrte, die sich um solche Dinge nie gekümmert hatten; wer Geld in der Tasche hatte, der bezahlte und befriedigte die Gläubiger, und so ist es bald Löbel, welcher Buchdrucker oder Papierhändler bezahlt, bald ist es Franke, welcher Autoren, Miethe und sonstige Schulden deckt. Nach Ablauf des Jahres machte jeder seine Rechnung und glich sich darnach mit dem Andern aus, wobei aber Beide die schlimme Erfahrung machten, daß die Ausgaben stets größer waren, als die Einnahmen. Daß es unter solchen Umständen großer Opfer bedurfte, das Werk fortzusetzen, ist hiernach sehr erklärlich; trotz aller Schwierigkeiten aber wurde 1797 der zweite und 1798 der dritte Band davon ausgegeben.

Wahrscheinlich durch Geldverlegenheit veranlaßt, hatte Löbel am 19. October 1797 seinen Antheil am Geschäft an den Advocaten Chr. Gottfr. Rothe in Lauchstädt für achthundert Thaler – und zwar ohne Vorwissen Franke’s verkauft; als nun Löbel zwei Jahre später im Februar starb, blieb seinem Geschäftsgenossen nichts anderes übrig, als jenen Antheil von Rothe zurückzukaufen und sich hierdurch in den alleinigen Besitz des Geschäftes zu setzen. Abgesehen von den mit schweren Sorgen gebrachten pecuniären Opfern lag nun die ganze Last der Fortführung des Conversationslexikons auf Franke’s Schultern; er hatte nicht nur die Fortsetzung desselben zu bearbeiten, was um so schwieriger war, als sich in Löbel’s Hinterlassenschaft fast gar keine Vorarbeiten fanden, sondern er hatte auch die für einen in solchen Dingen wenig erfahrenen Gelehrten doppelt drückenden Sorgen für den mercantilen Theil des Geschäftes zu tragen. Da nun außerdem die Einnahmen wahrscheinlich immer geringer wurden, so war Franke, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, darauf angewiesen, einen großen Theil seiner Zeit seiner Advocatur und einigen anderen übernommenen Aemtern zu widmen.

Berücksichtigt man ferner, daß er von Haus aus mittellos war und daß eine schwächliche Gesundheit seiner sonst so außerordentlichen Thätigkeit oft Grenzen setzte, so wird man es mehr als erklärlich finden, wenn er sich unter allen Umständen eines Theiles seiner Sorgen zu entledigen suchte. Er verkaufte deshalb seine Buchhandlung an den seitherigen Verwalter derselben, Leupold, für den Preis von 2150 Thaler, nachdem er nach seinen eigenen Worten „auf diese verunglückte Entreprise 3500 Thaler aufgewendet hatte“. Leupold war ebenfalls mittellos, denn der ganze Kaufpreis blieb gegen Verzinsung von fünf Procent auf dem Geschäfte stehen, und erst nach Verlauf von drei Jahren sollte er jährlich 400 Thaler auf seine Schuld abbezahlen. – Ob Leupold überhaupt nicht der rechte Mann war, ein solches Geschäft zu leiten, oder ob die damaligen politischen Verhältnisse zu ungünstig auf dasselbe einwirkten, bleibt unentschieden; genug, das Geschäft, welches jetzt in seinem alleinigen Besitze war, ging immer schlechter, und seine Klagen darüber wurden gegen Franke immer lauter. Dieser kam ihm freundlich entgegen und ermäßigte den Kaufpreis – seine letzte pecuniäre Stütze – freiwillig auf 1800 Thaler, wie aus einem Actenstücke vom 1. September 1801 hervorgeht.

Im Jahre 1800 war unterdessen der vierte Band des Conversationslexikons erschienen; derselbe hatte eigentlich das Werk zu Ende führen sollen, aber der Stoff wuchs unserm Franke unter den Händen so gewaltig an, daß dieser Band nur bis zum Buchstaben R reichte. Leupold’s geringe Geldmittel waren durch die Ausgaben für denselben wahrscheinlich gänzlich erschöpft, und bei dem langsamen Erscheinen des Werkes verringerte sich der Absatz immer mehr. Der Druck des Conversationslexikons gerieth mehr und mehr in’s Stocken, und über Leupold’s Thätigkeit und Wirken in den nächsten Jahren fehlt jeder Anhalt. Daß Franke mit ihm nicht mehr als nöthig zu thun haben wollte, scheint daraus hervorzugehen, daß er ein 1804 von ihm bearbeitetes Werkchen, „Dramatische Kleinigkeiten“, bei einem andern Verleger (Sommer) erscheinen ließ.

Um dieselbe Zeit wahrscheinlich verkaufte nun Leupold das Conversationslexikon, sowie seinen übrigen Verlag an J. K. Werther in Leipzig; wenigstens erschien in dessen Verlage im Jahre 1806 der fünfte Band jenes Werkes. Der Herausgeber entschuldigt sich in der Vorrede wegen der langen Verzögerung und spricht von höchst unangenehmen Hindernissen, die sich hauptsächlich dem Verleger entgegenstellten. Indem er ferner um Nachsicht bittet, daß der bei der ersten Entstehung des Werkes zu Grunde gelegte Plan in mancher Beziehung erweitert worden ist, fährt er wörtlich fort:

„Es würde überflüssig sein, hier viele Erläuterungen aufzuführen, nur Eine mag statt aller dienen. In dem Buchstaben B konnte damals, als der erste Theil unsers Lexikons erschien, noch keine Ahnung von dem Helden des Tages (Bonaparte) sein, der seitdem die ganze Welt in Erstaunen und – in banges Erwarten der Dinge, die noch kommen sollen, gesetzt hat. Und welche Veränderungen der Reiche und Staaten, welche neuen Verhältnisse in Rücksicht der Regenten und Regierungsverfassungen sind seitdem eingetreten! Alles das bedarf in den künftig zu liefernden Nachträgen Zusätze, Abänderungen etc.“

Das sind für die Verzögerung in der Herausgabe und für die Ausdehnung des Werkes gewiß Gründe, die stichhaltig sind und denen man seine Anerkennung wohl kaum versagen konnte. Obgleich nun Franke in seinem Vorworte die schleunige Fortsetzung und Beendigung des Conversationslexikons versprach, so stellten sich ihm doch neue Hindernisse entgegen. Dasselbe war nämlich abermals in andern Besitz übergegangen, und zwar hatte es Werther an J. G. Herzog in Leipzig verkauft, welcher nun den sechsten und letzten Band zum Druck beförderte. Derselbe erschien endlich im October 1808, und in einem kurze Vorworte, in welchem er seinem gedrückten Herzen Luft macht, nimmt der Herausgeber Franke von seinen „gütigen Lesern und Leserinnen, wenn auch nicht für immer,“ Abschied.

So sehen wir denn endlich, nach Verlauf von zwölf Jahren, das mühsame Werk vollendet. Mit welchen unendlichen Mühseligkeiten, Sorgen und Widerwärtigkeiten namentlich der letzte Herausgeber Franke zu kämpfen und welchen wahrhaft jämmerlichen Lohn er für die angestrengteste Arbeit, für allen Kummer und für so viele schlaflose Nächte hatte, geht aus der bisherigen Darstellung wohl zur Genüge hervor. Der öftere Wechsel der Verleger, dem das Conversationslexikon fast vom Anfange an unterworfen war und der der Verbreitung desselben unendlich schadete, blieb ihm aber bis zum Ende treu. Der auf dem sechsten Bande als Verleger genannte Herzog hatte denselben nämlich bei Friedrich Richter, dem Besitzer des „Leipziger Tageblatts“, drucken lassen. Wahrscheinlich war der Erstere mit der Zahlung in Rückstand geblieben und hatte dafür dem letzteren die sämmtlichen Vorräthe des Conversationslexikons als Pfand übergeben.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 707. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_707.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)