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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

im Laufschritt zurück. Aber auch die Dänen zeigten sofort, daß sie auf Alles gefaßt seien. Die entsendeten Regimenter hatten bald wieder den Weg nach den Schanzen zurückgelegt, und Gewehrkugeln wie Kartätschen sausten auf die Heranstürmenden herab. Palissaden und Sturmpfähle gähnten den Angreifenden entgegen und diese mußten die Pionniere erst mit gewaltigen Streichen zerhauen. Dabei erfüllte wohl Jeder getreu seine Pflicht, aber Einer that sich doch besonders hervor. Vor Schanze Nr. 2, in welcher der in jener Zeit oft rühmlich genannte dänische Lieutenant Anker befehligte, ging es besonders heiß her, und die Pionniere vermochten hier gegen die Palissaden nichts auszurichten. Da trat der Pionnier Wilhelm Klincke mit einem Pulversack vor und rief: ‚Durch müßt Ihr, Cameraden, und koste es auch mein Leben!‘ mit diesen Worten hängte er den Pulversack an eine Palissade, entzündete ihn und stürzte gräßlich zerstümmelt nieder – ein zweiter Winkelried! denn er hatte den Nachstürmenden eine Gasse eröffnet. Grausig wütete nun der Kampf in dieser Schanze, denn hier war von Pardonnehmen oder Pardongeben nicht die Rede. Die dänischen Soldaten wehrten sich – zu ihrem Ruhme sei es gesagt – mit äußerster Bravour und verkauften ihr Leben theuer, aber unter den Kolbenschlägen der Angreifer sank einer nach dem Andern hin, und auch Anker würde diesem Schicksal nicht entgangen sein, wenn preußische Officiere ihm nicht das Schwert mit Gewalt entrissen und ihn gerettet hätten.

Siegesdenkmal zu Arnkiel am Alsensunde.
Nach einer Photographie.

Doch nicht blos hier wüthete der Kampf, denn auch bei den anderen Schanzen schritt der Kriegsgott grimmig einher, und Todte und Sterbende bezeichneten seine Pfade. Schanze Nr. 6 kostete namentlich viele Opfer, und hier fand auch Major von Beeren den Heldentod. Er hatte schon in den Jahren 1848 und 1849 für Schleswig-Holstein gefochten und gelegentlich geäußert: ‚Für dies Land möchte ich sterben!‘ Dieser Wunsch wurde hier erfüllt, aber Schleswig-Holstein wird des Braven auch nie vergessen!

Nur zweiundzwanzig Minuten waren verflossen, als schmetternde Fanfaren verkünden konnten, daß die Schanzen Eins bis Sechs genommen seien; das Tagewerk war damit aber noch nicht beendet. Es waren vier dänische Regimenter aus dem Brückenkopf hervorgebrochen, und diese suchten die Schanzen hinter Nr. 4 wieder zu erobern. Diesen frischen Truppen vermochten die geschwächten preußischen Compagnien um so weniger zu widerstehen, als ‚Rolf Krake‘ (das damals vielgenannte dänische Thurmschiff) mittlerweile ebenfalls herbeigekommen war und aus seinen Vierundachtzigpfündern ein mörderisches Feuer auf sie eröffnete. Zum Glück gelang es der (auf Sundewitt angelegten und mit sehr schwerem Geschütz ausgerüsteten) Gammelmark-Batterie, in die Schießscharte des Drehthurmes zu treffen, wodurch das Panzerschiff gezwungen wurde, sich aus der Schußlinie zurückzuziehen. Hierzu kam, daß die mitgenommenen Artilleristen die in den Schanzen eroberten Geschütze gegen den Feind hatten kehren können, so daß dieser nun auch aus seinen eigenen Kanonen mit Kugeln überschüttet wurde. Ein glücklicher Gedanke des Prinzen Friedrich Karl gab in diesem Moment wohl den Ausschlag. Er hatte nämlich dem Generalmajor von Goeben den Befehl ertheilt, mit seiner Brigade nach dem Alsensund vorzurücken und scheinbar Anstalten zu treffen, um nach der Insel überzugehen. Diese Kriegslist gelang, denn zwei dänische Regimenter, die schon im Begriff standen, in die Action einzugreifen, erhielten jetzt Gegenbefehl, und den im Brückenkopf kämpfenden dänischen Truppen ging die Ordre zu, nach Alsen zurückzugehen. Dies entflammte den Muth der Preußen auf’s Neue, und als nun auch die Brigaden Raven und Cannstein im Sturmschritt vordrangen, wobei sie das feindliche zweiundzwanzigste Regiment über den Haufen rannten und total vernichteten, – da war ein blutiger Sieg errungen! Nicht fähig, dem Anprall der Preußen länger zu widerstehen, suchten die Dänen nur noch zu retten, was zu retten war, und da sie die Insel Alsen als letzten sichern Zufluchtsort ansehen mußten, versenkten sie, um dem Feinde den Uebergang abzuschneiden, einen Theil der Pontons und ließen andere in Flammen aufgehen. Sie nahmen dadurch allerdings den eigenen Leuten die Möglichkeit des Rückzuges, denn bei dem Falle der vier übrigen Schanzen geriethen dreitausend Dänen in Gefangenschaft; aber sie schützten den Rest vor gleichem Schicksal, denn nach der Insel konnten die Preußen wenigstens sofort nicht gelangen.

Es mochte ein Uhr Nachmittags sein, als die preußischen Fahnen auf sämmtlichen Schanzen flatterten und kein dänischer Soldat mehr im Sundewitt stand. Außer vielen Fahnen und Geschützen verloren die Dänen an diesem 18. April an Todten, Verwundeten und Gefangenen über 5500 Mann.

Aber auch auf preußischer Seite waren schwere Opfer zu beklagen! Mit den 39 in dänische Gefangenschaft gerathenen Soldaten betrug der Verlust preußischerseits an Todten und Verwundeten 1192 Mann.

Nach dieser Niederlage und nachdem die Dänen genugsam erfahren, daß sie irrthümlich ihre Artillerie für die beste der Welt gehalten hatten, glaubte die in London sitzende Diplomatie, vom Waffenstillstand zu den Friedensverhandlungen übergehen zu können; sie stieß aber auf so unbeugsamen dänischen Trotz, daß den Waffen die letzte Entscheidung überlassen werden mußte.

Beim Wiederbeginn der Feindseligkeiten richteten die Preußen ihre Blicke nach der Insel Alsen, welche die Dänen noch vollständig inne hatten und von wo aus sie mit Hülfe ihrer Schiffe noch viel Unheil anrichten konnten. Prinz Friedrich Karl war schon im März 1864 ernstlich darauf bedacht gewesen, dieselbe durch einen Handstreich zu nehmen, aber Stürme machten es unmöglich, die wogende See auf Kähnen zu überschiffen. Auch jetzt schien ein Uebergang nach Alsen ein tolles Wagestück zu sein, denn es galt hierbei nichts weniger, als mit einer verhältnißmäßig schwachen Macht in Kähnen und Booten eine durch Schanzen, Laufgräben, Batterien mit zahlreichem Geschütz,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 729. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_729.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)