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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

im Stande ist, über die ganze Theorie der Farbenwahrnehmung ein wunderbar klares Licht zu verbreiten. – Young nimmt an: Es giebt im Auge drei Arten von Nervenfasern. Reizung der ersten erregt die Empfindung des Roth, Reizung der zweiten die des Grün, Reizung der dritten die des Violett. – Die von außen in’s Auge dringenden Farben erregen nun je nach ihrer verschiedenen Wellenlänge ausschließlich die eine oder andere Fasergruppe, oder zwei derselben zugleich.

Das einfache Roth also wirkt nur auf die noch empfindenden Fasern (oder wenigstens auf die beiden anderen Faserarten nur sehr schwach). Das einfache Gelb erregt die roth und grün empfindenden Fasern und erzeugt daher die Empfindung des Gelb (da Roth und Grün im Spectrum gemischt Gelb ergeben). Das Grün wirkt auf die grün empfindenden Fasern. Das Blau erregt die grün und violett empfindenden und macht ebendaher den Eindruck des Blau. Violett endlich erregt besonders die violett empfindenden Fasern. Erregung aller Fasern von ziemlich gleicher Stärke giebt die Empfindung von Weiß.

Jetzt werden wir verstehen, warum die negativen oder Ermüdungsnachbilder farbiger Objecte in den Complementärfarben erscheinen. Durch das Hinstarren auf die rothe Oblate werden die roth empfindenden Fasern ermüdet und gelähmt, und wenn das Auge nun von gleichmäßig hellgrauem Licht getroffen wird, so vermögen an der ermüdeten Stelle nur die grün und violett empfindenden Fasern dasselbe aufzunehmen und es erzeugt sich daraus die Empfindung des Blaugrün da, wo vorher das rothe Licht eingewirkt hatte; die übrigen nicht ermüdeten Theile der Netzhaut geben uns von dem weißlichgrauen Papier ein unverändertes Bild.

Es haben die negativen Nachbilder farbiger Objecte auch eine praktische Bedeutung, auf welche ich besonders meine freundlichen Leserinnen aufmerksam machen möchte. Beim Auswählen farbiger Stoffe in einem Modewaarengeschäft passirt es nämlich nicht selten, daß durch langes Anschauen bestimmter Farben die Empfindlichkeit gerade für diese gelähmt wird und in Folge dessen diese Farben scheinbar an Lebhaftigkeit verlieren, andere Farbentöne dagegen, zu welchen diese Farben einen Mischbestandtheil bilden, eine ganz andere Nüancirung zu haben scheinen, weil eben die eine Farbe in ihnen schwächer oder gar nicht gesehen wird. Um das Auge wieder völlig empfänglich zu machen, genügt es in der Regel, einen in der Complementärfarbe gefärbten Stoff kurze Zeit zu betrachten.




Beim Goldmacher in Arabien.


Von Heinrich Freiherrn von Maltzan.[WS 1]


Die edle Kunst der Goldmacherei, der sich in Europa im Mittelalter so viele Gelehrte oder Pseudogelehrte ergaben, die aber in unserm aufgeklärten Jahrhundert bei uns dergestalt in Mißcredit gekommen ist, daß heutzutage wohl schwerlich Jemand eingestehen wird, sich mit ihr zu beschäftigen, erfreut sich bei den Arabern noch immer einer gewissen Blüthe. Adepten, das heißt Männer, welche ein unedles Metall in Gold oder Silber zu verwandeln vorgeben, giebt es noch jetzt in Arabien. Sie sind nicht weniger geschickt im Betrügen ihrer Mitmenschen, als es manche europäische Goldköche im Mittelalter waren. Was ihnen dabei sehr zu statten kommt, ist der Aberglaube der Araber. Der Glaube an die Macht der Geister, Schätze aus Nichts hervorzuzaubern, macht es den Adepten meist ganz entbehrlich, sich mit großen chemischen Kenntnissen zu schmücken. Es ist gar nicht nöthig, den Stein der Weisen in der Retorte zu suchen. Man macht Gold auch ohne irgend ein chemisches Hülfsmittel, lediglich vermittelst einiger Zauberformeln, die man dem „Schlüssel Salomonis“ oder einem sonstigen Zauberbuche entlehnt. Als materielles Substrat genügen dabei einige Papierschnitzel, alte Fetzen von Kleidern und dergleichen werthlose Gegenstände, die man durch Magie in Gold verwandelt.

Einen Adepten, welcher dieser letzteren Art des Goldmachens huldigte, lernte ich eines Tages in Dschedda kennen. Er hieß Jussuf el Hakemi und führte in einem abgelegenen Winkel der Stadt ein mysteriöses Dasein. Fast nie ging er aus, und wenn dies geschah, so war er so verhüllt und vermummt, daß man sein Gesicht kaum erkennen konnte. Dennoch kannte ihn die ganze Stadt und erstarrte in Ehrfurcht vor dem Wundermann. Er war nicht leicht zugänglich, selbst für seine Landsleute; für einen Europäer war er vollends unnahbar. Was mich mit ihm in Berührung brachte, war ein Zufall. Jussuf besaß nämlich ein europäisches Zauberbuch, dem zwar eine arabische Uebersetzung in Handschrift beigefügt war, aber nicht Alles war übersetzt. Einige der wichtigsten Zauberformeln hatte der Uebersetzer nicht verstehen können. Diesem Mangel sollte ich abhelfen. Man näherte sich mir auf Umwegen und erforschte zuerst, ob ich auch Latein verstünde. Als man sich hierüber Gewißheit verschafft hatte, lud man mich eines Abends zu einer Versammlung im Stadttheil des Adepten ein. Um keinen Verdacht zu erregen, mußte ich mich arabisch kleiden. Zwei Männer holten mich ab und führten mich durch stockfinstere Straßen in ein abgelegenes Haus, wo ich eine kleine, aber gewählte Versammlung fand. Sie bestand aus einem halben Dutzend alter Weiber und ebenso vielen Männern von höchst ehrwürdigem Aussehen. Erstere waren, wie ich hörte, eine reiche alte Mekkanerin nebst ihrem weiblichen Gefolge. Sie war die Mäcenatin des Adepten und hatte, wie ich erfuhr, diesem nicht unbedeutende Summen vorgeschossen, um damit Zauberbücher und andere Requisiten zum Werke der Magie anzuschaffen. Man hatte sie lange unter diesem oder jenem Vorwand hingehalten, aber jetzt war ihr die Geduld ausgegangen. Sie bestand darauf, endlich einmal eine Probe der Kunst des Magiers zu sehen, ehe sie sich zu weiteren Vorschüssen herbeiließ. Diese Probe sollte nun heute Abend versucht werden, und deshalb hatte man mich geholt.

Die Männer waren die Freunde und Jünger des Adepten. Er selbst kam erst später. Jussuf war ein echter Araber,[WS 2] mit einer kräftigen semitischen Nase, einem schönen ovalen Gesicht, von langem, aber nicht sehr dichtem weißen Barte beschattet. Er sah im Ganzen ehrwürdig aus. Seine kleinen schwarzen Augen funkelten wie Kohlen und hatten einen sehr verschmitzten Ausdruck. Nach den üblichen Begrüßungen, die immer bei Arabern entsetzlich weitschweifig sind, und einem ebenso langen Einleitungsgespräch, kam er zur Sache. Er nahm mich auf die Seite und zeigte mir beim Scheine eines einzigen Oellämpchens den fraglichen Gegenstand, das heißt das Zauberbuch. Es war ein lateinisches Manuscript, auf dessen breitem Rande eine arabische Uebersetzung in ziemlich schlechter Schrift beigefügt war. Der Titel war (deutsch wiedergegeben) „Geheimniß des Schlüssels des hochweisen Salomon, Sohnes des David, Unterweisung in der Kunst ‚Rabidenadaar‘. Im Namen von Adonai, Tetragrammaton, Abiruch und Exbranor“.

Als ich das Buch durchblätterte und hier und da eine Stelle las, war ich überrascht, ja verblüfft über den Unsinn, den es enthielt. Den Anfang machte die Lehre von den Geistern. Diese besitzen eine vollständige Hierarchie. Es giebt unter ihnen Könige, Fürsten und Häuptlinge. Baalennur, unser Lucifer, beherrscht die niedrigen Geister, welche Asien und Europa bewohnen. Beelzebub beherrscht die Geister Afrikas, Elestor die der übrigen Welt. Diese Drei sind die Agenten aller energischen Handlungen. Die Menschen stehen jedoch nicht direct mit ihnen in Verbindung, sondern mit ihren Untergeistern, Klaunsch, dem Geist der Schätze und des Goldes, Irimoloch, dem Liebesteufel, Beschard, dem Wind- und Wetterbeherrscher, Raschin, dem Herrschaftsteufel etc. Da wir es hier natürlich nur mit dem Geldteufel zu thun hatten, so wurde das diesem gewidmete Capitel aufgeschlagen.

Hier befand sich ein vollständiges Recept, wie man aus Papierschnitzeln Geld machen könne. Ich will es dem Leser nicht vorenthalten. Wer weiß, ob nicht Jemand sich versucht fühlt, die Probe zu machen? Es heißt: „Willst du eine gewisse Anzahl von Geldstücken haben, seien es kupferne, silberne oder goldene, so schneide doppelt so viele kreisförmige Pergamentstücke und klebe immer zwei aneinander, eines für den Avers, eines für den Revers der Münze. Bezeichne jede Seite mit der Ziffer des Münzwerthes, welchen du zu erlangen wünschest. Mache sodann

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Friedrich Freiherrn von Maltzan
  2. Vorlage: Arber
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_757.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)