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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Die Hauscapelle auf Burg Aufseß.

Das Studirzimmer Hansens von Aufseß.

Im Meingotzhause liegt gegen Norden eine mittelalterlich eingerichtete Stube, das frühere Studirzimmer Hansens von Aufseß. Der berühmte Director der Nürnberger Kunstschule, A. Kreling, hat Pfingsten 1865 dieses Zimmer nebst seinem frühern Inwohner in einer Tusche höchst charakteristisch wiedergegeben. In dieser Kemnate saß Baron Hans manches Jahr, über dicken Folianten brütend oder die Kunst des deutschen Mittelalters an ihren Werken studirend; aber sein Geist verging nicht im Kleinlichen, sondern „aus den einzelnen Theilen von innen heraus“ erwuchs ihm, dem ehemaligen Burschenschafter, seine Anschauung der deutschen Geschichte und der nationalen Idee. Es war in diesem Frühjahre, kurz vor der verhängnißvollen Straßburger Reise, als der alte Herr das letzte Mal sein Stammschloß besuchte und von da, wo er so oft des deutschen Reiches Herrlichkeit geträumt, noch einmal hinaussah auf die siegreich geeinten Gauen des Vaterlandes. Wohl dachte er in diesem Augenblicke nicht an das nahe Ende, denn er sprach die Hoffnung aus, in zehn Jahren seine schon lange begonnene Familiengeschichte und Lebensbeschreibung zu beendigen. Das Meingotzhaus, von Hans in allen Theilen stilgerecht restaurirt, ist für die Familie Aufseß eine gewaltige Steintruhe von Hausreminiscenzen: das von Hans musterhaft geordnete Familienarchiv, ferner alte Abbildungen, Christoph Ludwig’s Jagdbüchse und des Freiherrn Hans Studirflaus à la Faust, sodann Haken-Büchsen und Blechharnische füllen in geregelter Unordnung Wand und Schrein, Ecke und Winkel.

Quer über den Hof an der Gruft-Capelle vorüber gelangt man vom Meingotzhause durch die Thurmwendeltreppe in den Hauptbau, ausgezeichnet durch einen reichen Ahnensaal und alterthümliche Corridore, ausgezeichnet aber auch durch die Familiengemächer. Man thut diesen keine Ehre an, wenn man sie Prunkgemächer hieße. Im Gegentheil, sie sind in Ausstattung einfach, im Ganzen im Zustande, wie sie Hans von Aufseß 1848 nach Nürnberg übersiedelnd beließ, die Möbel meist aus den dreißiger Jahren, aber Alles gewissermaßen altritterlich. Es schwebt etwas in dieser Luft, das auf die alten Burggeister hinweist; in jenen Erker kann man sich nur die Burgfrau, auf diesen Söller nur das Fräulein denken. Wollte man dem hier herrschenden Geschmacke und Eindrucke einen Namen geben, man müßte ihn „romantisch“ nennen.

In diesen Räumen ward Hans von Aufseß am 1. September 1801 geboren, dahin führte er im Jahre 1824 die Freiin Charlotte von Seckendorf als Gattin heim, dort lebte er patriarchalisch im Kreise seiner sich mehrenden Familie, bis er nach den märzlichen Stürmen all’ das reiche auf dem stillen Bergschlosse gesammelte Material in die alte Reichsstadt übertrug. Zwar alljährlich, aber nie mehr ständig, und dann meist in Umgebung von Familienangehörigen und Geistesverwandten brachte er von jetzt an einige Zeit in Aufseß zu, bis er nun für immer da eingekehrt ist.

Wir verlassen auf derselben Wendeltreppe den Hauptbau, hier dargestellt nach einer Zeichnung Kreling’s. Auf der gegenüber liegenden freien Wand eines Nebengebäudes springt uns ein, wenn auch unvollendetes, doch meisterlich hingeworfenes Frescobild desselben Künstlers in die Augen. Ein junger Ritter, dem zwei Knappen den Aufseß’schen Helm mit den Büffelhörnern und dem Pfauenschweife vortragen, hat den Feind im Turney besiegt und schreitet zum hohen Throne der Königs-Tochter. Sie wirft ihm zum Danke eine Rose herab, die der wackere Kämpe mit dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 809. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_809.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2019)