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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Schilde auffängt. Dies der Sage nach der Ursprung der Rose im Geschlechtswappen; aber auch die Geschichte erzählt früh von diesem Geschlechte.

Mitten zwischen das fürstbischöflich bambergische, burggräflich nürnbergische und brandenburgisch-baireuthische Gebiet eingeschoben, konnte es nicht fehlen, daß die Aufsässer, obschon des Reiches freie Ritter, bald von diesem, bald von jenem mächtigeren Nachbarn Lehn und Dienst nahmen. Schon 1114 kommt Herolt von Ufsaeze im Gefolge des Pommernapostels Bischofs Otto von Bamberg vor, unter seinen Nachkommen finden sich wohlbestallte Bamberger Fürstbischöfe, Prälaten und Canonici, denn zu jener Blüthezeit der Kirchen und Klöster „gabt’s gut wohnen unter’m Krummstab und zumal das Amt der Erbschenken des Stifts Bamberg, das die Aufsesser bekleideten, war fürnehm und lustirlich zugleich“. Unter Otto dem Ersten von Aufseß tritt ein Wendepunkt ein in der Hauspolitik, „es ward durch freie Verbindung mit dem burggräflichen Hause der Zollern der Grund gelegt für das Jahrhunderte fort bestehende, immer enger sich ziehende Band der Treue“, denn ein gleichnamiger Sohn desselben war es, der, als Burggraf Friedrich der Vierte sich gegen den Oesterreicher Friedrich für den Papstfeind Ludwig, den Baiern, erklärt, sich am 24. August 1315 verbriefe, „für den Burggrafen als Burgmann und Diener zu kämpfen ob besonderer Gnade, die er ihm erzeigt“, und stritt er auch wirklich, da es am 28. September 1322 bei Mühldorf daran war, unter dem Burggrafen Schweppermann mit den fünfhundert fränkischen auserlesenen Rittern, die durch Umgehung die Schlacht entschieden. Otto war dann auch mit König Ludwig und dem Burggrafen in Rom, als Jener, kein Mann von Canossa, sich ketzerischer Weise am 17. Januar 1328 von dem römischen Bürger Sciarra die Kaiserkrone auf das von zwei gebannten Bischöfen gesalbte Haupt setzen ließ. Da erhielt auch Otto’s Sohn Ulrich auf der Tiberbrücke vom Kaiser selbst den Ritterschlag, wovon der alte Poet Suchenwirt singt:

„Der edel auf der Teyfer bruck machet stolzer ritter vil.“

Nachdem der Burggraf ihn noch um zweitausendsechshundert Pfund Haller für treue Dienste gelohnt, legte sich der rührige Mann Otto im Jahre 1338 in seiner Burgcapelle zu St. Pancratii und Blasii zur ewigen Ruhe nieder. – Es ginge zu weit, wollte ich die Stammgeschichte der Freiherren von Aufseß in engerer Genealogie verfolgen, aber noch eine Richtung muß bei denselben hervorgehoben werden – es ist die religiöse.

Ein solcher tiefer Zug geht von Beginn durch das ganze Haus, ein Zug, edel christlich und wohlthätig, dabei von gewaltiger Kraft und Ausdauer, ein Zug, der am stärksten, fast fanatisch vorleuchtet, sobald im Hause selbst die Gegensätze, Protestantismus und Katholicismus, weniger sich berühren, als aufeinanderplatzen. An diesem Schauplatz auf der unvermarkten religiösen Grenze zwischen lutherischem Markgrafenthum und päpstlichem Bischofthum lag der Conflict nahe. So gute Katholiken die alten Aufsesser gewesen als Prälaten und Bischöfe, Meß- und Klösterzustifter, so offen hatten sie die Augen gegen die Mißbräuche von Rom, und bereits Wolf Heinrich von Aufseß, Zeitgenosse Luther’s, trat der Augsburger Confession bei. Damals war ja selbst Bischof Georg von Bamberg kein Widersacher der Reformation, ließ offen die Grundsätze derselben in seinen Kirchen predigen und ungehindert Schriften für die Reformation drucken. Kein Wunder, wenn auch Peter von Aufseß, Domdechant in Würzburg, der jedoch schon 1523 starb, mit Luther und Ulrich von Hutten in persönlichem Verkehr stand. So waren denn die Herren von Aufseß gute Protestanten geworden und geblieben.

Da gab’s Ende des siebenzehnten Jahrhunderts zwei Brüder im Schlosse zu Aufseß, Friedrich und Karl Heinrich, so spinnefeind, daß sie zuletzt aufeinander schossen. Karl Heinrich, der Friedlichere, wanderte um eine Viertelstunde das Aufseßflüßchen aufwärts und baute auf einem Hügel das Castrum Carolsburg, als Ober-Aufseß, heute noch von einem Zweige der Familie bewohnt, obschon es Friedrich einmal mit bewaffneter Hand stürmte.

Der feindlichen Brüder Söhne traten sich nicht näher, vielmehr sprangen Christian Ernst, Karl Dietrich und Johann Philipp, die drei Söhne Friedrich’s, noch bei dessen Lebzeiten 1725 zum Katholicismus über. Der älteste Sohn als Senior begnügte sich nicht mit dem Hausgottesdienste seiner neuen Confession, sondern nach dem Grundsatze „wie der Ritter, so der Knecht“ wußte er gütlich und zwangsweise das protestantische Dorf Aufseß zum guten Theil katholisch zu machen, während er die evangelische Kirche verfallen ließ. Ja, in der eigenen Familie machte er Mortaras; im Dorfe Sigrizberg paßte er mit sieben bewaffneten Leuten die Chaise ab, in der sein neunjähriger protestantischer Neffe Christoph Friedrich mit seiner Mutter Gottliebe, einer gebornen Berlichingen, daherfuhr, und nahm den Knaben der sich widersetzenden Mutter ab. Der Junge schwur auch wirklich mit neun Jahren als Domherr in Bamberg feierlich auf, ließ aber alsbald wieder davon und blieb Protestant.

Christian Ernst war unterdeß bambergisch-würzburgischer General geworden; des nach Ober-Aufseß verdrängten Karl Heinrich Sohn, Christoph Ludwig, hatte es zum markgräflichen Geheimrath und Oberforstmeister gebracht. Der war ein Mann, protestantisch fromm, markig und so abgehärtet, daß er sein Lebtag nur einen Rock trug und darin, die stets getreue Büchse im Arm, ganze strenge Winternächte im Walde zubrachte. Neben dem einen Rock hatte er nur ein Ziel, das der Wiederherstellung des evangelischen Gottesdienstes in Unter-Aufseß. Ludwig Christoph sang sein Lieblingslied „Eine feste Burg ist unser Gott“, als er gen Thurnau ritt, den Vetter Christian Ernst im blutigen Zweikampf zu treffen. Pistolen hatte der General ausgeschlagen, denn Ludwig war der beste Schütze seiner Zeit. So entschieden Degen, aber nicht gar viel, da am Brustharnisch, den Ernst unter der Weste trug, des Gegners Degenspitze brach. Trotzdem brachte ihm Ludwig eine Wunde bei und, sei’s durch diese Lection, brachte er’s mit vieler Mühsal endlich durch, daß 1742 im Aufsesser Schloßhofe die evangelische Kirche neu erstanden war.

Im Jahre 1800 starb der österreichische General Veit Karl als letzter Sprosse der katholischen Familie; er hinterließ glänzend dotirte wohlthätige Stiftungen, wie das Aufseß’sche Seminar in Bamberg für arme Studirende.

Ludwig’s einziger Sohn, der königlich preußische Regierungsrath Friedrich Wilhelm, zog nun in das alte Stammschloß Aufseß wieder ein. Von ihm überkam es dessen Sohn, Hans von Aufseß, zugleich mit der inzwischen wieder evangelisirten „Hauscapelle“. Diese blieb bis jetzt unerwähnt. Sie liegt im Erdgeschoß des Hauptbaues. Man gelangt zu ihr durch eine Thür rechts vom Wendeltreppenthurm. Geheimnißvolles Düster umfängt den Besucher in der kühlen Halle, die von einem einzigen, glasbemalten Fenster, gothisch wie die ganze Capelle, beleuchtet wird. Neben vielerlei Familiendenkmälern sieht man hier auch den grauen Stein, aus dem so viele junge Aufsesse getauft wurden, und den uralten gestickten Teppich, auf dem sie später den Trauring wechselten.

Auf dem Lesepult der Capelle liegt noch Luther’s Originalbibel von „1543 zu Wittenberg, deudsch Auffs New zugerichtt“, aufgeschlagen Buch Sirach. Vor Jahren hatte Freiherr Hans hier selbst sämmtlichen Schloßbewohnern den täglichen Morgensegen vorgelesen; seitdem blieb die Burgcapelle unbenutzt. Eine kleine Nebencapelle wird fast ausgefüllt von einem Sarge, den sich Freiherr Hans, gleich Kaiser Karl dem Fünften, vor bald dreißig Jahren hat anfertigen lassen. Vielleicht gedachte er damals einst auf seiner Väter Burg sanft und selig hinüberzuschlummern; übrigens war das hölzerne Memento mori in der Seitencapelle eher wurmstichig geworden, als der Alte selber; jetzt soll der erst-alte Mann im Dorfe, der nach ihm stirbt, statt seiner im Sarge begraben werden. –

Durch diese Capelle führt ein böser Weg: der zum Verließ im anstoßenden Eckthurm. Draußen zwitschern die Vögel, und da unten aus den dicken kalten Quadern quillt gruftige Oede. Vor dem Burgthore lacht uns aus den Blüthenbäumen der helle Mai zu. Ich wandere den Hügel hinauf, vor den nächsten Häusern schäkern geputzte Leute unverkennbaren Idioms: es ist heute Sabbath. Im Jahre 1730 nahmen die Herren von Aufseß hier eine aus dem bambergischen Burgellern vertriebene Judencolonie gegen allerlei Reichniß auf in eigens von der Herrschaft erbauten Judenhäusern, die man den Inwohnern nach und nach gegen geringe Summen käuflich überließ. Ein Theil davon ist jetzt „großer Mann“ und Privatier und lebt in Städten, die Meisten wohnen noch eng beieinander in der Judengasse nächst der Burg. Ob wohl die alten Aufsesser, als sie ihren Schutzbefohlenen den nachbarlichen Platz anwiesen, eine Vorahnung hatten, daß bald die Herren Barone Wolf und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 810. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_810.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)