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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Eugen Gura.
Originalzeichnung von Adolf Neumann.

und wie Diejenigen zugeben werden, welche der folgenden, nach Möglichkeit treuen objektiven Schilderung Glauben schenken wollen.

Er trat zum ersten Mal in Leipzig auf am 5. November 1870 als Wolfram von Eschenbach in Wagner’s „Tannhäuser“. Einen größeren Beifall, als er an jenem Abend fand, kann es nicht geben. „Aber Herr, wie lange?“ fragt der Theatererfahrene bei solchen Gelegenheiten, und wenn er ein gutes Herz hat, nicht ohne Anflug von Mitleid. Solche, mit dem lärmendsten Beifall aufgenommene Debuts sind in der Bühnenwelt nichts so gar Seltenes. Da zeigt der Schauspieler oder Sänger seine beste Seite, das heißt die Rolle, die den Culminationspunkt seines relativen Könnens bildet. Eine oder ein paar gute Rollen bringt allenfalls auch ein mäßiges Talent fertig, wie ja, nach Lichtenberg’s Versicherung, jeder Mensch einmal im Jahre ein Genie ist. Was wird man aber sagen, wenn ich bemerke, daß Eugen Gura in allen Partien, die er seit zwei Jahren ausgeführt hat, ohne Ausnahme dieselben glänzenden Erfolge, denselben enthusiastischen Beifall fort und fort genossen hat und genießt!

Die hauptsächlichsten Rollen, welche derselbe bis jetzt in Leipzig gespielt, sind folgende: Hans Heiling, Vampyr, Templer, Tristan d’Acunha (Jessonda), Jäger (im Nachtlager zu Granada), Pizarro (Fidelio), Fliegende Holländer, Hans Sachs, Almaviva (in Mozart’s Figaro’s Hochzeit), Don Juan, Jakob (Mehul’s Joseph in Aegypten), Graf Rudolph (Nachtwandlerin), St. Bris (Hugenotten), Graf Telramund (Lohengrin) Wolfram von Eschenbach (Tannhäuser), Wilhelm Tell, Relusko (Afrikanerin), Graf Lima (Troubadour), Seneschall (Johann von Paris), Belisar (in der gleichnamigen Oper), Hanmet (Thomas), Graf Lysian (Euryanthe), Kühleborn (Undine). Ueber alle diese Rollen lauten die öffentlichen Urtheile ohne Ausnahme ebenso günstig, wie die beim ersten Auftreten. Freilich ist Eugen Gura von Leipzig aus als dramatischer Sänger auf keiner einzigen auswärtigen Bühne wieder aufgetreten, wohl aber in verschiedenen anderen Städten als Concertsänger, vorzüglich mit dem Vortrag von Liedern und Balladen. Aber auch in diesem Punkte lauten die Kritiken aus allen Orten, wo er gesungen, Frankfurt a. M., Köln, Düsseldorf etc., ganz ähnlich. In Zürich sang er am […] und 7. November 1871 in Schumann’s „Faust“; die in dem Bericht darüber ihn betreffende Stelle lautet:

„In Herrn Gura lernten wir einen Bariton kennen, der Eigenschaften eines vortrefflichen Sängers in sich vereinigt: metallreiche und doch weiche und elastische Stimme mit gleichmäßigem Anschlag in allen Lagen, eine so deutlich, articulirte Aussprache, daß man in den entferntesten Theilen den Saales jede Silbe versteht, dazu einen fein durchdachten und fein nüancirten Vortrag voll Wärme und Innigkeit. Seine Darstellung des Faust war unübertrefflich schön und an manchen Stellen geradezu bezaubernd.“ Als eben so unübertrefflich schön und charakteristisch wird überall,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_109.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)