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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


dürfe, wenn es die Betheiligung eines jeden Andern an seinem Unternehmen ausschließe und die Aufnahme in seine Wohnungsschiffe allzu particularistisch beschränke.

Darum beschlossen die Fünf, das Unternehmen auszudehnen, einstweilen zehn Wohnungsschiffe zu bauen und auszurüsten und Antheilscheine auf den Namen im Betrage von je hundert Gulden süddeutscher Währung auszugeben, wovon fünfzig Procent bei der Zeichnung, der Rest aber vierzehn Tage nach Ausschreibung zu entrichten sei. Im Umsehen war der Bedarf weitaus überzeichnet.

Die österreichische Regierung begrüßte das Unternehmen mit Freuden. Sie räumte dem Ulmer Comité für seine Wohnungsschiffe einen Platz ein, der gar nicht günstiger gelegen sein könnte; ja sie hat wiederholt den Wunsch ausgesprochen, daß die Zahl der Schiffe womöglich bis auf dreißig vermehrt werde. Was geschehen kann, wird geschehen.

In Neu-Ulm auf dem Schwal, dem Hauptstapelplatze der Ulmer Schiffsleute, wird indessen mit rastloser Thätigkeit gearbeitet. Einige dieser Wohnungsschiffe sind fertig und zur Abfahrt bereit. Es sind die gleichen Ordinarischiffe, Ulmer Schachteln, wie sie seit jeher gebaut wurden, mit fünfhundert Centner Tragkraft, 27,30 Meter lang, 6,20 Meter breit. Den ganzen Raum, mit Ausnahme des freien Platzes, sowohl am Kiel wie am Steuer, bedeckt eine lange Kajüte, durch welche in der ganzen Schiffslänge vom Steuer bis zum Kiel hin ein Gang von 1,20 Meter Breite hindurchführt. Zu beiden Seiten des Ganges liegen die Cabinen und zwar auf jeder Seite dreizehn bis fünfzehn. Die Cabinen sind numerirt wie die Zimmer in jedem Gasthause. Gegenüber der Thür ist das kleine Fenster. Die Cabinen sind theils mit einem, theils mit zwei Betten versehen. In der Höhe und Länge sind sie selbstverständlich alle gleich, nur in der Breite sind sie verschieden. Die Höhe beträgt bei allen 2,50 Meter, ebensoviel die Länge; dagegen sind die Cabinen mit einem Bett 1,75 Meter breit, während die mit zwei Betten 2,75 Meter breit sind. Alle Cabinen sind mit Stoff tapezirt, alle mit Teppichen belegt. Ebenso mit Teppichen belegt ist auch der Gang. Die in den Cabinen befindlichen Betten bestehen aus einem Bettrost mit galvansirten Kupferfedern, einer Roßhaarmatratze, einem Polster, zwei Federkissen und einer rothwollenen Decke, einem Ober- und Unterleintuch, Bettwäsche aus weißem Stoff. Es befindet sich ferner in einem jeden Zimmer ein verschließbarer Waschtisch mit vollständiger Einrichtung und außerdem Spiegel, Klappstuhl, Handleuchter und Stearinlicht, ein Rechen zum Aufhängen der Kleider etc. In den Cabinen mit zwei Betten ist die Einrichtung doppelt enthalten. Außer den Cabinen befindet sich auf jedem Schiff ein Gepäckraum und zwei Abtritte.

An dem ausreichenden Personal, das die Bewohner der Cabinen zu bedienen und für die sorgfältigste Reinlichkeit einzustehen hat, wird es nicht fehlen. Als eine willkommene Annehmlichkeit muß noch erwähnt werden, daß auf den Schiffen Briefschalter angebracht werden sollen, die dem nach Hause Schreibenden den Weg nach der Post ersparen.

Die Kosten des Unternehmens sind nicht unbedeutend. Sie belaufen sich bei jedem Schiff mit vollständiger Einrichtung auf 4845 Gulden am Ort Ulm. Dazu kommen die laufenden Kosten. Noch sind die Unternehmer über die Höhe des Preises nicht schlüssig geworden, den sie für die Benutzung ihrer Cabinen verlangen sollen. Man spricht von einem Thaler pro Tag, höchstens zwei Gulden – ein Preis, der im Verhältniß zu den übrigen Preisen während der Ausstellungszeit annehmbar erscheint, der aber sicherlich genügt, um eine gute Rente in Aussicht zu stellen. Etwas Bestimmtes kann ich hierüber noch nicht mittheilen. Wer kann wissen, ob nicht auch hier, wie sonstwo, der Appetit während des Essens wächst?

Es bleibt mir noch übrig, ein Wort über den Platz zu sprechen, wo die Ulmer Wohnungsschiffe aufgestellt sein werden. In der unmittelbarsten Nähe der Ausstellung fließt der Donaucanal, der sogenannte Donaudurchstich, vorüber. Ja, es ist dieser Donaudurchstich in die Ausstellung mit hereingezogen worden, insofern als er zur „Maritimen Ausstellung“ benutzt wird. Und neben dieser Maritimen Ausstellung, welche das Schiffswesen in seinen Friedens- und Kriegsfahrzeugen vorführen soll, wird die Flotille der Ulmer Wohnungsschiffe vor Anker liegen. Von hier erreicht man die Weltausstellung mit wenigen Schritten. Doch wie nahe diese auch sei, ein paar Restaurationen liegen noch näher. Und das ist praktisch und bequem. Wer aber die Stadt besuchen will, der hat die Wahl zwischen Pferdebahn, Omnibus und Droschken, welche bis in die unmittelbare Nähe der Wohnungsschiffe von Morgens fünf Uhr bis Nachts ein Uhr ununterbrochen verkehren.

Gleich in der ersten Anzeige, die das Fünfer-Comité veröffentlichte, wurde als ein Motiv des Unternehmens der „Wunsch des Ulmer Schiffervereins“ vorangestellt, „in thatkräftiger Weise dazu beizutragen, daß bei der bevorstehenden Wiener Weltausstellung die hohe Bedeutung der Donau als Wasserstraße in ihrem ganzen Umfang zur Anschauung komme, und den Verkehr, welcher seit langen Jahren zwischen Ulm und den unteren Donauländern besteht, durch eine Anzahl der bekannten Ulmer Transportschiffe zu repräsentiren.“ Die Ulmer Flottille soll mithin als ein Theil der Weltausstellung selbst betrachtet werden, nicht als ein künstlerisches Werk, sondern als Zeugniß des Verkehrs und praktische Leistung. Und in der That, wer nach Wien die Reise machen wird, der wird gewiß nicht versäumen, zum Donaucanal zu wandern und die Ulmer Schachteln zu besuchen.

Diplomaten werden in diesen Cabinen nicht zusammenkommen, um Conferenzen zu halten; auch werden weder schwarze noch rothe Verschwörer hier irgendwelche hochverrätherische Pläne schmieden, denn die Wände haben Ohren, wohl aber wird ein gar munteres, buntes Leben und Treiben sich hier zusammenfinden.

So sendet denn Ulm in der Wohnungsnoth, die Wien bedrohen könnte, seine Hülfe. Die Donau, die alte Wasserstraße, bringt schwimmende Herbergen, die im Stande sind, Hunderte von Gästen zugleich aufzunehmen. Die Ulmer, indem sie für tausend und abertausend Andere sorgen, haben dabei sich selbst das Unterkommen gesichert. Und wenn sie ihre Reise nach der Kaiserstadt antreten, dann wird ihr altehrwürdiger „Willkomm“ und auch sein Wiener Nachbar sie begleiten zum fröhlichen Zusammenklang der Pokale und der Herzen.

„Die Parole heißt: „Auf Wiedersehen in Wien!“




Goethe.
Sein Leben und Dichten in Vorträgen für Frauen geschildert.
Von Johannes Scherr.
V.


Es war eine sonderlich gemischte Studenten- und sonstige Junggesellensippschaft, welche an dem Mittagskosttische der beiden ehrenwerthen alten Jungfern Lauth in der Krämergasse Nr. 13 sich zusammenfand und willig den wackeren Actuarius Salzmann als ihren Präses anerkannte. In Wahrheit, der gute und verständige Mann hat bei diesen frugalen Symposien die Rolle des Sokrates innegehabt. An ihn reihten sich die Studenten Lerse, Weyland, Engelbach, Meyer von Lindau, Melzer, Waldberg und der sanftmüthige, fromme Jung-Stilling, der nach Straßburg gegangen war, um sich in der Augenheilkunde zu vervollkommnen. Auch der kraftgeniemäßig sich räuspernde und spuckende Poetaster Heinrich Leopold Wagner gehörte diesem Kreise an, sowie demselben zu Anfang des Jahres 1771 der aus Lievland gekommene Reinhold Lenz beitrat, der geniale Irrwisch, der es leider im Leben und im Dichten nur bis zum Irrlichteliren gebracht hat. Alle diese Tischgenossen waren mehr oder minder von dem in die Zeit gefahrenen Sturm und Drang angefaßt und zollten, jeder in seiner Art, dieser Zeitstimmung ihren Tribut. Gemeinsam war ihnen die Begeisterung für die deutsche Sprache und ein weiteres Bindband wurde für die meisten der Enthusiasmus für

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_243.JPG&oldid=- (Version vom 21.5.2018)