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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


in Preußen der Gesammtbevölkerung von Belgien, Holland und Luxemburg;
in Oesterreich der Gesammtbevölkerung von Baiern und Württemberg;
in England der Gesammtbevölkerung von Spanien.

Ehe ein Reisender zu Schaden kam, mußten fahren:

in Preußen die Bevölkerung des Königreichs Sachsen;
in Oesterreich die Bevölkerung von Baden;
in England die Bevölkerung von Braunschweig.

Aber nur die Bevölkerungen weit kleinerer Länder, ja sogar nur von Mittelstädten, brauchten transportirt zu werden, um beim Eisenbahnbetriebe einen Menschen überhaupt zu Schaden kommen zu lassen, und zwar:

in Preußen die von Chemnitz oder Schwarzburg-Rudolstadt;
in Oesterreich die von Wiesbaden oder Schaumburg-Lippe;
in England die von Hamburg oder Anhalt.

Das aber wäre der größte Meister des Eisenbahnwesens, der in dieser Beziehung einen dieser Kleinstaaten zu einem großen reich bevölkerten Königreiche machen könnte, ja – werth, selbst dessen Krone zu tragen!




An strömenden Gebirgswässern.

Das Angeln wird in Deutschland noch für einen geistlosen Zeitvertreib und die Angel für ein Instrument gehalten, an dessen einem Ende sich ein Köder, am andern ein Tagedieb befindet. Dieses Urtheil hat einige Berechtigung, wenn jene Beschäftigung ohne Kunst und in stehendem oder ruhig fließendem Gewässer betrieben wird.

Tritt man dagegen, mit allen Mitteln der Kunst ausgerüstet, durch Wissenschaft oder Erfahrung über die Eigenthümlichkeiten und die Natur des lebendigen Salmengeschlechtes belehrt, in einer reizenden Gebirgsgegend an ein lebhaft dahinrauschendes klares Gewässer und wirft hier, stromauf oder stromab wandernd, kunstgerecht seine Angel, so ist dies ein hohe Reize gewährendes Vergnügen und steht zu jener Tagedieb-Angelei in dem Verhältniß wie das Reiten auf einem feurigen Renner zu dem Hocken auf einem störrischen Esel.

Allerdings läßt sich auch jenem Angeln in ruhigen Gewässern der Ebene bei Kenntniß der Natur der Fische und sachgemäßer kunstgerechter Behandlung ein reges Interesse abgewinnen und ein nicht unerheblicher Vortheil dabei erzielen; jedoch gehört dies einstweilen nicht in diesen Aufsatz, der dazu bestimmt ist, den vielen Reisenden, die alljährlich Gebirgsfrische aufsuchen, eine Anleitung zu geben, wie sie den längern Aufenthalt an einem Orte, der Gelegenheit dazu bietet, durch eine der Gesundheit zuträgliche, sehr reizvolle und den Tisch mit einer gesuchten Speise versorgende Unterhaltung sich noch angenehmer gestalten können, sowie auch denen zu dienen, deren Wohnort ihnen die Ausübung dieses Vergnügens gestattet.

Diesen praktischen Zweck verfolgend, soll hier keine ausführliche Abhandlung über das Angeln überhaupt und die Kunst des Fischens mit Kunstfliegen insbesondere gegeben werden; es wird genügen, außer einer kurzen Beschreibung des Aeußern und der Gewohnheiten der Bachforelle, der Lachsforelle und der Aesche das auf eigene Erfahrung basirte Verhalten beim Angeln auf diese Fische anzugeben, vermöge dessen man eines lohnenden Erfolges sich versichert halten kann, und daran noch dasjenige anzuschließen, was über die Ausrüstung zum Angeln und die am leichtesten zu beschaffenden natürlichen und künstlichen Köder zu wissen nothwendig ist.

Die gemeine Bachforelle hat bekanntlich keine Schuppen; ihre Haut ist auf dem Rücken dunkel-olivenfarbig und an den Seiten mit blutrothen Punkten in dunklem Felde bezeichnet; der untere Theil des Leibes ist gelblich – die Flossen sind gelb, in’s grünliche spielend; die Schwanz- und Bauchflossen haben einen weißlichen Rand. Sie laicht im Spätherbst und wird höchstens drei Pfund schwer.

Die Forelle ist ein gieriger Raubfischer, der nicht nur kleinere Fische anderer, sondern auch seiner eigenen Gattung verschlingt, aber ebenso erpicht ist auf allerhand Insecten und Gewürme. Die Bachforelle hält sich hauptsächlich in den oberen Theilen der Gebirgsbäche auf, wo das Wasser äußerst klar, kalt und beschattet ist und stark strömt und wo große Steine im Wasser lagern. Unter diesen und hohlen Ufern hat sie ihren Stand und schießt aus ihrem Versteck wie ein Pfeil auf den Köder los, aber ebenso schnell zurück, wenn sie den Angler bemerkt. Dieser hat also dafür Sorge zu tragen, daß, wenn er an solchen Orten angelt, wo kein Wasserstrudel ist, er dem Fische möglichst verborgen bleibe. Dazu trägt bei, wenn er der Sonne gegenübersteht, damit weder sein eigener noch der Schatten der Angelruthe auf das Wasser falle. Den Wind hat man gern im Rücken, wodurch das Auswerfen der Angel sehr erleichtert wird. In den oberen Theilen der Gebirgsbäche, wo sie noch wenig Wasser haben und großenteils flach über das Gestein fließen, suche man die sogenannten Sümpfe auf. Es sind dies die tiefen Wasserkessel, welche sich durch Hochwasser unmittelbar unterhalb einer sehr starken Strömung oder eines Wasserfalles gebildet haben. In diesen Sümpfen halten sich die Forellen bei niedrigem Wasser stets auf und stehen unter hohlen Felsen und Steinen oder in der schäumenden Strömung oberhalb des Kessels.

Das Angeln auf diese letzteren ist das am meisten zu empfehlende, weil diesen Forellen gegenüber der Angler weniger Rücksichten auf sein Unbemerktsein zu nehmen hat und die Fische dort am ehesten auf den Köder gehen. Sie können bei dem schäumenden Wasser nicht mit der Schärfe äugen wie im ruhigern. Man wirft den Köder oberhalb des Wassersturzes oder der starken Strömung ein und läßt ihn mit dem Wasser gehen; stehen Forellen dort, so wird man dies nicht oft zu wiederholen haben, ohne ein Resultat zu erzielen. Der Angler steht oberhalb des Wassersturzes und giebt der Angelschnur eine solche Länge, daß der Köder nicht allein die starke Strömung, sondern auch den darunter liegenden Kessel durchziehen kann. Er wird dann auch für die in letzterm stehenden Forellen wenig bemerkbar sein, besonders wenn er auf der Seite eines hohlen Ufers steht, und hier erlangen, was in der starken Strömung nicht glückte. Der Fang geräth am besten, wenn das Wasser angeschwollen und trübe oder die Oberfläche durch Wind gekräuselt ist. Die Manipulation des Gehenlassens des Köders mit dem Wasser wird an derselben Stelle öfter wiederholt, wobei man sich jedoch hüte, den Köder gegen den Strom zu ziehen. Dies erweckt sofort den Verdacht des schlauen Fisches. Der Köder muß, wenn die Schnur abgelaufen ist, aus dem Wasser gehoben und erst oberhalb der Stromschnelle wieder eingeworfen werden. Angelt man nur im Kessel und das Wasser strömt in demselben nicht lebhaft genug, so kann man den Köder auf der Oberfläche quer über das Wasser bewegen.

Den Schwimmer (die Flosse, Kork oder Federkiel) läßt man bei dem Angeln auf Forellen am besten ganz weg; diese scheut sich davor, und in stark strömendem Wasser zeigt der Schwimmer ohnedies den Biß nicht an, da er durch den Strudel zu stark bewegt wird. Man verlasse sich auf das Gefühl in der Hand; man wird darin bald sehr feinfühlend. Für den Anfänger empfiehlt es sich, die Angel jedesmal, wenn der Köder die Stromschnelle durchlaufen hat, durch eine sanfte Bewegung des Handgelenkes der Art anzuhauen, daß er etwa einen Fuß gegen den Strom gerückt wird. Fühlt man keinen Widerstand, so läßt man den Köder weiter durch den Kessel schwimmen. Sitzt eine Forelle am Haken, so werfe man sie ohne Weiteres auf’s Land. Das sogenannte Drillen, d. h. das Mattmachen des Fisches im Wasser, um ihn dann auf’s Ufer zu ziehen und mittelst eines Käschers oder mit der Hand aus dem Wasser zu heben, ist nur bei sehr starken Fischen nöthig, um das Abbrechen des Hakens oder das Reißen der Angelschnur, respective des Vorfaches, zu verhüten.

Bei der Bachforelle, die selten über neun Zoll lang wird, ist diese Vorsicht nicht erforderlich. Ich habe an einem tiefen, an und für sich ruhigen Sumpfe in einem Gebirgswasser des Harzes, in den der Bach etwa zwei Fuß hoch herabstürzte, jedesmal meinen lohnenden Fang gemacht, indem ich mir die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_276.JPG&oldid=- (Version vom 31.7.2018)