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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Mühe nicht verdrießen ließ, den Köder mit dem Wassersturze in den Sumpf fallen zu lassen und dann ihn unmittelbar wieder herauszuziehen, um ihn auf’s Neue oberhalb des Sturzes auszuwerfen. Der mit dem Sturze kommende Köder erweckt keinen Verdacht bei der Forelle, und sie stürzt sich in der Regel sofort auf diesen Raub.

In der fortwährenden Bewegung und Thätigkeit beim Forellenangeln liegt ein großer Reiz; so wandert man von einem Sumpf zum andern, von einer Stromschnelle zur andern. Die beste Zeit zum Angeln bieten die Morgen- und Abendstunden, namentlich bei trübem, regnigem Wetter. Daß übrigens unter Umständen auch eine Forelle an den Köder geht, wenn der Angler ganz frei und sichtbar steht, habe ich selbst erfahren. Ich stand an einem tiefen, durchaus klaren Kessel, oberhalb dessen der Bach eine ziemlich lebhafte Strömung hatte. Mir gegenüber im Kessel befand sich unter Wasser ein hohler Fels, wo ich den Stand einer Forelle vermuthete. Ich ließ den Köder, eine Kunstfliege, mit der Strömung in den Kessel ziehen, und es erschien auch sofort eine sehr starke Forelle, welche ihren Versteck unter dem Felsen jedoch nur so weit verließ, um sich neugierig den Köder etwas näher zu betrachten, und dann wieder verschwand. Beim zweiten Einwerfen stürzte sie, als der Köder an ihrem Versteck vorbei passirte, mit großer Rapidität auf denselben los und faßte ihn. Ich hieb sogleich an und hob sie aus dem Wasser, um sie auf’s Land zu werfen. Der Haken mußte jedoch nicht genügend gefaßt haben, denn sie fiel noch über dem Wasser ab, kehrte in ihren Schlupfwinkel zurück und alle Bemühungen, ihren Appetit wieder zu erregen, blieben vergeblich. Die Forelle ist im Allgemeinen jedoch so gierig, daß sie auch durch eine solche Erfahrung sich nicht von neuen Angriffen abhalten läßt, wenn sie den Angler nur nicht sieht. Hätte ich am andern Ufer über dem hohlen Felsen gestanden, so würde ich wahrscheinlich doch noch meinen Zweck erreicht haben. Ich habe an einer den Angler deckenden Stelle eine Forelle gefangen, nachdem sie schon viermal angebissen und den Haken gefühlt hatte; es machte mir dies den Eindruck, als ob der muthige Fisch beschlossen habe, der Gefahr zu trotzen und seinen Willen um jeden Preis durchzusetzen. In seine Höhle war die weise Lebensregel nicht gedrungen:

Sei deiner Neigungen Herr, so wirst du das Unglück beherrschen.

Die gefangenen Forellen lebendig zu transportiren, ist sehr umständlich. Man muß zu diesem Zweck ein wasserdichtes Tönnchen zum Umhängen bei sich führen, an dessen Peripherie eine gut schließende Klappe zum Einthun der Fische, und am Boden und Deckel je ein Spundloch mit dicht schließendem Pfropfen sich befinden. Diese Spundlöcher dürfen nicht so groß sein, daß eine Forelle durchschlüpfen könnte. An dem Orte, wo man angelt, zieht man die Pfropfen heraus und legt das Tönnchen so in’s Wasser, daß dieses hindurch geht. Beim Wechseln des Ortes werden die Spundlöcher im Wasser geschlossen, und dann das Tönnchen wieder umgehangen. Der Umhängeriemen ist so angebracht, daß das Tönnchen mit seiner Achse parallel mit dem Erdboden, die Klappe nach oben, getragen wird. In dieser Weise verfahren die gewerbmäßigen Fischer, welche Fischkasten halten. Für den Angler, mit dem wir es hier zu thun haben, genügt es, um den Fisch genießbar zu erhalten und leicht zu transportiren, ihn mit dem Messer, etwas oberhalb der Schwanzflosse, nach der Länge des Fisches zu durchstechen und ausbluten zu lassen. In’s Wasser darf der getödtete Fisch nicht mehr gehangen werden. Das Fleisch der Bachforelle ist weiß, das der nunmehr folgenden Lachsforelle röthlich. –

Die Lachsforelle erreicht eine sehr erhebliche Größe; sie wird selten unter einem halben Pfund schwer gefangen, erlangt aber unter Umständen, bei hohem Alter, ein enormes Gewicht. Der Fischer aus Heiterwang, dem der in der Nähe von Reute liegende Plansee in Tirol gehört, versicherte mir, und der Mann machte nicht den Eindruck des Flunkerns, daß er einen Lachsferch, wie dieser Fisch dort genannt wird, von über hundert Pfund Gewicht im See gefangen und nach Innsbruck verkauft habe. In dem Gasthofe zu Reute zeigte mir der Wirth, ein passionirter Angler, den in Spiritus gesetzten Kopf einer Lachsforelle, die er mit der Angel im Lech gefangen. Derselbe ist so groß wie ein schwacher Kalbskopf. Das Gewicht dieses Fisches soll, so viel mir erinnerlich, dreißig Pfund betragen haben. In Bartholomäus am Königssee bei Berchtesgaden befinden sich lebensgroße Abbildungen von den größten Fischen dieser Art, die dort gefangen wurden.

Die Lachsforelle ist ohne Schuppen. Ihr Rücken ist schwarzblau; die Seiten sind grünlich; der Bauch ist weißgelblich; die Flossen sind grau, Fett- und Schwanzflosse schwarz; an der Bauchflosse hat sie sechs Punkte; der ganze Körper ist mit schwarzen oder dunkelbraunen und röthlichen Punkten in hellerem Felde bestreut. Sie lebt, wie der Lachs, in der See und steigt aus dieser im Monat Mai in die Flüsse, wo sie im November und December laicht und dann in die See zurückkehrt. Ihr Aufsteigen in die Gebirgswässer geht nicht bis in die hohen Regionen; man trifft sie, stromab wandernd, erst dort an, wo der Bach, wenn er auch noch schnell fließt, doch keine Stürze mehr macht, und wo an die Stelle der großen Steine im Bett sandiger oder kiesiger Grund getreten ist. Man hat sie hauptsächlich da aufzusuchen, wo das Wasser als Stromschnelle über sandigen oder kiesigen Grund strömt; auf die Klarheit des Wassers legt sie nicht den Werth, wie die Bachforelle. Steigt eine Lachsforelle bei Hochwasser ausnahmsweise höher nach der Quelle des Gewässers an, so verbleibt sie in den tiefen Sümpfen dieses höheren Theiles bis zum nächsten Hochwasser.

Die Lachsforelle ist nicht so scheu wie die Bachforelle und man kann sich ihr gegenüber freier zeigen; namentlich wird sie oft von Brücken herab geangelt, unter denen sich ein Wehr und dem entsprechender Sumpf befindet. Sie steht sehr gern unter der Bebohlung der untersten Theile dieser Wehre. Läßt man den Köder auf der Oberfläche des Sumpfes spielen, als wenn ein Insect sich eintaucht und wieder hebt, so stürzt die Forelle aus ihrem Versteck hervor und greift gleich tüchtig zu, so daß man sie in der Regel auf die Brücke ziehen kann. Ist sie jedoch zu stark zum Herauswerfen, so muß das Drillen eintreten; bei diesem wird folgendermaßen verfahren: Geht der Fisch nach dem Anhauen des Angelhakens auf den Grund, so sitzt der Haken fest; man läßt die Schnur nach, wenn er sich weiter bewegt, doch muß dieselbe immer so straff bleiben, daß er keine gefährlichen Stellen erlangen kann. Als solche sind alte Stöcke im Wasser oder derartige Uferstellen zu bezeichnen, an denen beim Untertreten des Fisches eine Verwickelung der Schnur erfolgen könnte. In freiem Wasser läßt man den Fisch hin und her schießen und die Schnur hinter sich her schleppen, nur zuweilen hält man ihn wieder gelinde an. Ist er sehr kräftig, so folge man ihm, insofern dies das Ufer gestattet; bemerkt man eine Ermattung des Fisches durch den schwächeren Widerstand, den er leistet, so ziehe man ihn langsam an die Oberfläche des Wassers; ist er auch hierbei geduldig, so führe man ihn mittelst der Schnur langsam stromabwärts an einer Stelle zum Ufer, wo man ihn an ganz kurz gefaßter Schnur herauswirft oder mittelst eines unterfassenden Käschers oder durch Hülfe seiner Hände bequem an’s Land bringen kann. Je weniger man sich beim Drillen dem Fische zeigt, desto weniger Widerstand leistet er. Anfänger müssen sich beherrschen lernen und der Begierde widerstehen, einen am Haken sitzenden schweren Fisch sofort auf das Land zu werfen, da Haken und Vorfach der gewöhnlichen Klitschangel dem Gewicht und dem Widerstande eines starken Fisches nicht der Art gewachsen sind, um das Herauswerfen ohne häufig eintretenden Verlust zu ermöglichen. Ich verlor auf diese Weise durch das Abbrechen eines schon starken Hakens eine zehnpfündige Lachsforelle, der ich an einer Stromschnelle in der Oder, am Südharz, wo ich sie stehend wusste, schon lange nachgestellt hatte. Sie wurde kurze Zeit darauf, oberhalb dieser Stelle, in dem Sumpf eines Wehres bei Nacht mit Netz gefangen.

An solchen tiefen, mit sandigem oder kiesigem Grunde versehenen Stromschnellen, wo man Lachsforellen stehend vermuthet, lasse man, oberhalb stehend, den Köder die ganze Schnelle hinablaufen und fahre damit, von Neuem einwerfend, so lange fort, bis Anbiß erfolgt oder man die Ueberzeugung gewinnt, daß es besser sei, sein Glück an einer andern Stelle zu versuchen.

Die Aesche ist ebenfalls ein Raubfisch und hat in ihren Bewegungen und ihrer Lebensweise viel Aehnlichkeit mit der Bachforelle, versteckt sich jedoch nicht, sondern steht immer im Strom und zwar an denjenigen Stellen, die als eigenartig für die Lachsforelle angegeben sind, nur nicht in der starken Strömung der Stromschnelle selbst, sondern fast immer an der Stelle, wo diese

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_277.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)