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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


abbricht ober durch Hängenbleiben verloren geht. Angelt man auf sehr schwere Fische, zum Beispiel Karpfen, so muß das Vorfach die volle Festigkeit der Schnur selbst haben.

Für das Angeln auf Forellen und Aeschen besteht die Schnur des Vorfaches aus einem sehr festen Stoffe, welcher sich in seiner Färbung fast gar nicht vom Wasser unterscheidet, was bei den klaren Gebirgswässern sehr wichtig ist. Dieser Stoff ist der Seidendarm; er wird in der Seidenraupe gefunden, kurz bevor dieselbe zum Einspinnen in den Cocon sich anschickt. Durch Streichen mit Gummi-elasticum macht man diesen Darm wieder gerade, wenn er in Folge der Aufbewahrung eine Krümmung angenommen hat. Den einzelnen Seidendarm hat man selten länger als einen Fuß; durch Zusammenknüpfen von mehreren kann man das Vorfach verlängern.

Der Haken ist auf eine sehr feste und kunstvolle Art mit dem Darm verbunden. Die besten Haken sind die englischen und unter diesen die Limmericker. Dieselben werden aus Gußstahl fabricirt, mittelst der Feile ausgefeilt und gut polirt; ihre Form ist die allgemein bekannte.

Für das vorstehend beschriebene Angeln sind kleine Haken am passendsten; sie sind entweder bloß und zum Anstecken des natürlichen Köders bestimmt oder mit Kunstinsecten der Art versehen, daß der Haken zum Insect zu gehören scheint.

Unter den natürlichen Ködern für die hier in Betracht gezogenen Fischarten stehen die Heuschrecken (Grashüpfer) obenan. Dieselben sind vom Monat Juni an bis in den September hinein wohl überall auf trocknen Wiesen anzutreffen, und meist wird sich Gelegenheit bieten, sie auf dem Wege nach dem Angelplatz frisch einzufangen. Sie werden in einer fest schließenden starken Holzschachtel aufbewahrt, in deren Deckel sich eine mit einem Pfropfen verschlossene Oeffnung befindet. Die mittelgroßen Heuschrecken sind die besten, da sie in der Regel den ganzen Haken in sich aufnehmen können und dieser doch fest sitzt. Man setzt die Spitze des Hakens am Ende des Leibes ein und zieht das Insect über den Haken so hinweg, daß die Spitze am Kopfe oder der festen Schulterdecke gerade nur zum Vorschein kömmt. Nächstdem sind folgende natürliche Köder zu empfehlen: kleine Fischchen, rohe Krebsschwänze oder Scheren ohne Schalen, ganz kleine Frösche, Wasserspinnen, große Mücken und bei trübem Wasser auch Regenwürmer, Mehlwürmer und große Maden. Alle zur Angelzeit vorkommenden Insecten, als: größere Fliegen jeder Art, Libellen, Junikäfer, Hummeln, ferner Raupen etc., sind gute Köder.

Steckt man über den Köder, sei er natürlich oder künstlich, ein kleines Stückchen rothes Tuch oder rothe Wolle, so wird der Reiz des Köders für die Forelle und Aesche erhöht. Künstliche Köder haben den Vortheil, daß man sich mit dem Aufsuchen natürlicher nicht aufzuhalten nöthig hat und daß sie sehr lange vorhalten. Mit einer dunkeln Kunstfliege, welche jener Amerikaner an der Roßtrappe mir verehrte, habe ich, ehe sie unbrauchbar wurde, wohl an die drei Dutzend Forellen und Aeschen geangelt. Die Engländer fertigen auch künstliche Fischchen von Perlmutter, Glas und Gummi, künstliche Frösche, Käfer, Grashüpfer und Larven, an deren unterem Ende die Haken hervorstehen; am oberen Ende befindet sich eine Oese zum Befestigen an das Vorfach. Von den künstlichen Ködern verdienen jedoch die Kunstfliegen bei dem Angeln auf Forellen und Aeschen, und von ihnen die englischen, entschieden den Vorzug. Sie sind den natürlichen Fliegen der verschiedensten Arten täuschend ähnlich gefertigt. Bei den französischen, meist aus Chenille und ohne Kunst hergestellten Fliegen, fehlt die Nachahmung der Natur. Das Dutzend englische Kunstfliegen kostet fünfzehn Groschen, wobei die Hakengröße nicht in Betracht kommt.

Da die Fische ein feines Geruchsorgan haben, so betupft man besonders die künstlichen Köder mit einer sie reizenden Witterung. Moschus, Bisam oder Zibet, in sehr geringer Quantität verwendet, reizen besonders an. Auch Anisöl, Honig, Steinöl, Bibergeil, Gewürznelken, Kampher etc. sind dazu dienlich. Besondern Ruf genießen auch das Reiher- und das Maikäferöl, jedoch muß man sich diese Substanzen selbst bereiten. Anleitung dazu findet man in dem sehr renommirten Werke des Baron von Ehrenkreuz, „Das Ganze der Angelfischerei und ihre Geheimnisse etc.“ In den größeren Handlungen mit Fischereigeräthen bekommt man auch einen Liqueur, das Fläschchen zu neun Groschen, welcher eine gute Witterung abgeben soll. Außerdem wird das Anbeißen befördert, wenn man an die Spitze des Hakens der Kunstfliege noch ein Naturinsect, eine gewöhnliche Fliege oder Made, steckt. Im Allgemeinen ist bei Benutzung der Kunstfliegen noch als Regel zu beachten, daß man am hellen Tage dunkle, in der Dämmerung oder Nacht rothe, respective weiße Fliegen verwendet. Zum Aufbewahren der Kunstfliegen nebst Darm dient ein Fliegenbuch von Leder mit Pergamenttaschen; ein einfaches Buch der Art kostet fünfzehn Groschen.

Für den Ausgang zum Angeln sind ferner zu empfehlen: dauerhafte dunkle Kleidung mit vielen und großen Taschen, derbe Stiefeln, mit denen man nöthigenfalls durch flaches Wasser gehen kann, eine Umhängetasche mit Abtheilungen zum Heimtransport der gefangenen Fische und Aufbewahrung von ein Paar Reservestrümpfen sowie eines Netzbeutels, welcher, während des Angelns in’s Wasser gehangen, die lebendigen Fische enthält, und eventuell eines kleinen Fischhamens, zu dem der Stock an Ort und Stelle geschnitten wird. Außerdem versehe sich der Angler mit einem starken scharfen Messer, mit Bindfaden, Garn, Reserveschnuren, Gummi-elasticum und etwas Fenster- oder Tabakblei zum Umwickeln an das obere Ende des Vorfaches, wenn das Wasser trübe ist und der Köder gesenkt werden soll.

Ein Dilettant, der unter Beachtung der vorstehend gegebenen, nach eigener Erfahrung aufgestellten Regeln seine Angeloperationen in den Monaten Mai bis inclusive September ausführt, kann sich eines lohnenden Erfolges versichert halten, wird diese angenehme Unterhaltung bald sehr lieb gewinnen und nach Schluß der Saison mit Sehnsucht dem Beginne der nächstjährigen entgegensehen.

A. T.




Der letzte Adept.
Eine Jugenderinnerung von Ferdinand Dieffenbach in Darmstadt.


„Excellenz, der Barometer steht auf Wunderlich!“ sagte der Kanzleidiener zu dem Präsidenten des Oberappellationsgerichts zu Darmstadt, Geheimerath von Arens, denn Excellenz pflegten ihre wichtigen Dienstverrichtungen an jedem Morgen durch ein Gespräch über das Wetter mit dem Kanzleidiener zu beginnen. – An jenem Morgen aber, wo der Kanzleidiener also sprach, stand der Barometer ungewöhnlich tief, weit unter Sturm, so daß das Niveau der Quecksilbersäule fast bis dahin hinabgesunken war, wo der Verfertiger des Instruments – er hieß Wunderlich – seinen Namen verewigt hatte.

Karl Wunderlich war großherzoglich hessischer Rath, wurde aber bereits, als er kaum das fünfunddreißigste Jahr erreicht hatte, im Jahre 1804 pensionirt. Er füllte von seinen vierundzwanzig täglichen Freistunden immer einige mit der Verfertigung von Barometern und Thermometern aus, welche Instrumente er beinahe für alle Kanzleien unserer Residenzstadt lieferte. Auch als Schriftsteller ist er auf dem Gebiete der Technik aufgetreten, und es existirt von ihm eine Schrift, in welcher die Construction eines von ihm „zum Zwecke höchstmöglichster Ersparung des Brennstoffes erfundenen Stubenofens (Darmstadt, 1821)“ beschrieben wird. Dieses Buch beginnt folgendermaßen: „Wenn es Pflicht der Staatsregierung ist, für die Unterhaltung der Forste zum Besten künftiger Geschlechter zu sorgen, so ist es nicht weniger Pflicht der Staatsbürger, durch Ersparniß des Holzes den Intentionen einer hohen Behörde entgegenzukommen.“ Er motivirt hierauf weiter seine Erfindung. „Die Zeit, wo der Menschen so viele sein werden, daß keiner wegen des anderen mehr leben, keiner etwas verdienen kann, weil jeder verdienen will, die alle kochen, die alle sich wärmen wollen, wo die ungeheuer vermehrte Consumtion nicht allein allen älteren Holzvorrath nach und nach wegraffen, sondern auch kein nachkommendes aufkommen lassen wird, kann nicht ausbleiben. Dieses furchtbare Extrem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_279.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)