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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Ist es der Vermittlerin gelungen, einen Bräutigam einzufangen, so findet meistentheils sehr bald die Ceremonie des Fatiha statt, das heißt, der Ehecontract wird von zwei Notaren vor dem Kadi verlesen und dann das erste Capitel des Koran, Fatiha genannt, in der Moschee für das neue Paar gebetet. Dies ist eigentlich der wirkliche juristische Eheschluß, denn später findet keine religiöse Ceremonie, kein gesetzlicher Act mehr statt. Der Mann verpflichtet sich dadurch zur Zahlung der Morgengabe, welche die Eltern der Braut in Empfang nehmen und für sie verwalten. Das hat zu dem Gerücht Anlaß gegeben, daß der Muselmann seine Frau kaufe. Das ist nun zwar unrichtig, aber die Araber selbst tragen dazu bei, dieses Gerücht zu beglaubigen. Nicht selten wurde ich von Arabern gefragt, ob ich verheirathet sei und wie viel ich für meine Frau gegeben habe. Sie selbst hielten gar nicht hinter dem Berge mit der Summe, welche die Ehehälfte (wie sie sich ausdrückten) sie gekostet hatte. Die Summen schwankten zwischen vierzig und achtzig Thalern, und dabei wurde stets in Anschlag gebracht, ob die Braut Jungfrau oder Wittwe gewesen. Auch hörte ich nicht selten den Ausruf: „Das war zu theuer!“ oder „Das war ein gutes Geschäft!“ etc. Es ist dem Europäer deshalb sehr zu verzeihen, wenn er zu dem Glauben kommt, daß die Orientalen ihre Gattinnen käuflich erwerben.

In der Stadt und bei wohlhabenden Orientalen ist übrigens die Morgengabe ein Nichts neben der meist reichen, oft sehr reichen Aussteuer, welche die Eltern der Braut bestreiten. Die Aussteuer aber ist den Frauen bei Weitem das Wichtigste bei der ganzen Sache. Von welcher Pracht diese oft ist, konnte ich mich einmal im Laden eines algierischen Schneiders überzeugen. Da lag ein Dutzend vollständiger Anzüge, jeder aus Weste, Jacke und sehr stoffreichen, bauschigen Beinkleidern bestehend, alle von schweren gewässerten Seidenstoffen (moiré antique), weiß, blau, gelb, von allen Farben, mit Goldstickereien beladen. Aber dies war nicht das Prächtigste. Daneben bemerke ich ein großes Paket von anderem, noch viel kostbarerem Stoff, so daß ich unwillkürlich zu der Frage kam, ob wohl der arabische Schneider etwa auch Meßgewänder mache? Es war nämlich Gold- und Silberbrocat, silber- und golddurchwirkter Atlas, zu Kirchenschmuck geeignet. Der Schneider sah mich schmunzelnd an und sagte:

„Ja, ja, diese Stoffe tragen allerdings die Papas (katholischen Priester), aber bei uns wäre es Schande für einen Mann, Gold- oder Silberstoff zu tragen. Wir schmücken damit unsere Heiligthümer.“

Letzteres Wort spielte auf die doppelte Bedeutung der Wurzel „Haram“, die zugleich „Heiliges“ (Verbotenes, Unnahbares), und „Frauen“ bedeuten kann, an. In der That waren diese Stoffe von einem Hause in Lyon bezogen, das gewöhnlich nur Lieferungen an die Kirche macht. Und von diesem Meßgewandstoff wurden auch die Anzüge gewählt, Alles für eine und dieselbe Braut! Daneben dann noch die vielen andern Toilettengegenstände, welche Frauen machen, oder die man fertig im Laden kauft, der viele oft sehr kostbare Schmuck, und der Augenzeuge all’ dieser Pracht wird sicher gestehen, daß den Arabern für ihre Bräute nichts zu gut ist.

Leider sind sie nicht zufrieden damit, die Braut durch Schmuck und Kleiderpracht zu putzen, sie wollen auch noch ihre natürliche Hautfarbe verschönern. Zu diesem Zweck hat sich ein eigenes Gewerbe gebildet, das von alten Weibern ausgeübt wird, welche man „Hananna“ nennt. Das Wort kommt von Henneh, einer Pflanze (lawsonia inermis), mit deren Saft den Mädchen Hände und Füße röthlich gefärbt werden. Dies ist gewöhnlich die erste Operation, welche die Hananna vornimmt, nachdem sie die Braut auf den Marterstuhl gesetzt hat, auf dem sie nun vier bis fünf Stunden aushalten muß, um am ganzen Körper geölt, gesalbt, parfümirt, dann im Gesicht erst weiß, wie Kreide, und auf den Wangen roth, wie Mohnrosen, geschminkt zu werden. Darauf folgen andere Toilettenmysterien, wie das Färben der Nägel mit einem bräunlichen Kraut, der Augenränder und Lider mit Antimonium, das Schwärzen und Verlängern der Augenbrauen etc. Bis dahin kann man noch von einer gewissen, wenn auch hyperbolischen Nachahmung der Natur reden. Was aber nun folgt, ist eitel phantastische Kunst. Gold ist ein Metall, das der Araber, je seltener es in seinen Cassen weilt, desto lieber sieht. Damit er dessen geliebten Schimmer nun auch auf dem Angesicht seiner Braut finde, nimmt die Hananna ein Stück dünnsten Goldblechs, schneidet davon zwei Dreiecke und klebt diese auf die Wangen der Braut; auf der Stirn befestigt sie drei alte, meist werthvolle Münzen vom feinsten Zechinengold, auf der Unterlippe ein goldenes Sternchen und auf dem Kinn eine Goldblume.

Bis dahin bleibt die Braut im Hemde sitzen. Jetzt erst wird sie in die kostbaren Gewänder gekleidet und mit Schmuck behangen. Der Schmuck der echten Algiererinnen ist fast nie falsch und von einem Reichthum, der uns ganz außer allem Verhältniß zu den Mitteln der Leute scheint. Aber die Sache erklärt sich, wenn man weiß, daß sie oft auf diese Weise ihr Capital verwahren. Die strengen Moslems dürfen kein Geld auf Zinsen geben. Statt es nun im Kasten einzuschließen, kaufen sie Schmuck dafür. Auf Façon sehen sie nicht, und so können sie im Nothfall den Schmuck fast immer wieder für den Ankaufspreis veräußern. So kommt es, daß oft anscheinend ganz ärmliche Leute Diamanten besitzen. Mit diesen schmücken sie vorzugsweise ihre Bräute. Sie sind meist nur roh geschliffen und grob in Silber gefaßt; aber man findet ganze Diademe, Halsbänder, Armbänder, Fuß- und Beinringe, sowie eine große Anzahl Fingerreife mit diesem edlen Steine reich besetzt, oft in Familien, die nach unseren Begriffen in bescheidenen Verhältnissen leben. Eine deutsche Dame, der ich die obige Beschreibung der Brauttoilette verdanke (denn wir Männer sind natürlich von solchem Anblick ausgeschlossen), erzählte mir, daß an jedem der acht Festtage einer Hochzeit, deren Zeugin sie in Algier gewesen, die Braut in einem andern Schmuck prangte, am ersten in Diamanten, am zweiten in Rubinen, am dritten in Smaragden, den einzigen wirklich geschätzten Edelsteinen. An den folgenden erschien sie mit Amethysten, Topasen, Opalen etc. Aber das galt mehr als ein buntes Spielwerk. Auf jeden Finger steckt man so viel Ringe, als er nur halten kann, und zwar (wenigstens bei vornehmen Leuten) stets nur von einer einzigen Juwelenart, wie man denn überhaupt es gern vermeidet, Steine verschiedener Farben zugleich zu tragen.

Der wichtigste Moment ist für die Braut die sogenannte „Scene mit dem Schnupftuch“. Dabei denke man jedoch nicht an das traditionelle Schnupftuch, das die Sultane ihren Odalisken zuwerfen sollen. Das Schnupftuch ist hier vielmehr ein Geschenk, welches der Bräutigam seiner Vermählten machen muß, wenn er sie zum ersten Mal entschleiert sieht und nachdem sie ihm ihren Namen genannt hat. Diesen hat er nämlich bisher eigentlich noch nicht wissen dürfen. Ist er zum ersten Mal mit ihr allein, dann erst darf er darnach fragen, und dies sind stets die ersten Worte, welche ein neues Paar wechselt. Schüchtern und mit kaum hörbarer Stimme (so schreibt es die Sitte vor, und das haben ihr Mutter und Tanten gehörig eingetrichtert) haucht die Schöne ihren Namen hin. Zum Dank dafür reicht ihr der Mann ein kostbares Tuch, in das gewöhnlich irgend ein Schmuck eingewickelt ist.

Nach dem ersten kurzen Beisammensein der Brautleute stimmt auf ein vom Manne gegebenes Zeichen der zahlreiche Chor von Verwandtinnen und Freundinnen, die während der ganzen Scene vor der Thür des Hochzeitsgemachs stehen geblieben sind, das sogenannte Sugharit (in der gewöhnlichen Sprache Jujuh geheißen) an, jene überaus hohen Kopftöne, die dem Geheul junger Schakale gleichen, und welche, wenn sie auch nicht melodisch sind, doch jedenfalls den Zweck erreichen, im ganzen Stadtviertel gehört zu werden und diesem das glückliche Ereigniß ankündigen.

Acht Tage dauern nun die Lustbarkeiten, das Festessen, Singen, Tanzen (doch nur von gewerbsmäßigen Tänzerinnen), Jubel und Freude ohne Ende, d. h. für die Gäste; denn die Braut ist dabei nicht zu beneiden. Den Morgen bringt sie in den Händen der Hananna, die sie schminkt und putzt, zu, und dann muß sie von Mittag bis Mitternacht auf einer Estrade sitzen, um sich von den Besucherinnen angaffen zu lassen; denn natürlich dürfen sie nur Frauen sehen. Jedes Geschlecht hat bei den Muselmanen sein Vergnügen getrennt. Einen größeren Contrast giebt es übrigens nicht, als der zwischen dem Alltagsleben und dem Hochzeitsjubel bei diesen Völkern. „Jeder Hochzeiter ist für acht Tage ein Sultan“, sagen die Araber und nicht ganz mit Unrecht. Das Beste bei der Sache ist, daß die Brautleute für alle Auslagen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_310.JPG&oldid=- (Version vom 21.5.2018)