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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


gewesen, für eines seiner Kinder einen besonderen Aufwand zu machen, so daß eine gleiche Vertheilung des bei dem Tode vorhandenen Vermögens zu einer Bevorzugung des einen und Benachtheiligung des Anderen führen würde, so muß er in Form einer letztwilligen Verfügung die für eine solche Ausgleichung ihm billig erscheinenden Normen festsetzen.

Besondere Beachtung verdient das Verhältniß der Ehegatten, namentlich wenn dieselben mit Kindern bei der Erbschaft betheiligt sind. Wer erinnert sich nicht der Geschichte von der in dem Thore einer kleinen deutschen Stadt aufgehängten eisernen Keule mit der Inschrift:

„Wer theilt mit seinen Kindern Brod,
Und leid’t am Ende selber Noth,
Den schlagt mit dieser Keule todt!“

Kein Wort ist wahrer, als das, daß eine Mutter eher sieben Kinder ernährt, als sieben Kinder eine Mutter erhalten. In Berücksichtigung dieser Thatsache ist es in den entsprechenden Fällen eine Verpflichtung des Ehemannes, das Loos seiner überlebenden Ehefrau thunlichst sicher zu stellen. In vielen Gesetzgebungen ist das Erbtheil der Wittwe, wenn sie mit Kindern zusammentrifft, nur ein geringes Bruchtheil des ehemännlichen Nachlasses, und so ist die Wittwe, namentlich wenn sie nicht eigenes Vermögen besaß und dasselbe in den Ländern, wo die eheliche Gütertrennung gilt, mit dem Zeitpunkt der Trennung der Ehe zurückerhält, häufig auf eine kümmerliche Existenz angewiesen und muß zuweilen mit Mangel kämpfen. Für solche Fälle ist es gewiß Pflicht des Ehemannes, seine Ehefrau thunlichst sorgenfrei zu stellen, indem er ihr einen größeren Theil seines Nachlasses testamentarisch hinterläßt, und nach dieser Richtung ist derselbe, sofern nur das Pflichttheil der Kinder nicht verletzt wird, keiner Beschränkung unterworfen.

Für diejenigen Fälle, wo die Wiederverheirathung der Wittwe nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit liegt, kann, um den Kindern das väterliche Vermögen zu sichern, testamentarisch eine Bestimmung dahin getroffen werden, daß für diese Falle der Wittwe nur ihr Erbtheil, alles Uebrige dagegen den Kindern zufällt.

Ein nicht selten vorkommender Fall ist es ferner, daß, wo es sich um den Besitz von Grundstücken handelt, der Wunsch des Erblassers dahin geht, es möge dieses oder jenes Grundstück, oder auch vielleicht der gesammte Grundbesitz, um eine gewisse, dem wahren Werthe gegenüber gewöhnlich niedrig bemessene Summe in eine bestimmte Hand übergehen. Auch in diesen Fallen wird, sofern nicht, was von den Umständen abhängt, diese Absicht vielleicht einfacher und zweckmäßiger durch einen Vertrag unter Lebenden erreicht werden kann, durch ein Testament der letzte Wille sich realisiren lassen.

Hat Jemand nur entfernte Angehörige, so wird es immer zweckmäßig sein, durch ein Testament über die Erbfolge Bestimmung zu treffen. Nicht nur, daß dadurch die langwierigen und kostspieligen gerichtlichen Erörterungen zur Ermittelung der Erben vermieden werden, es kommt in solchen Fällen sehr häufig vor, daß das Vermögen des Verstorbenen an Personen fällt, die nur ihm außer aller Verbindung standen, ja ihm wohl persönlich und dem Namen nach völlig unbekannt waren, und daß dagegen Personen, welche dem Verstorbenen nahe standen, vollständig leer ausgehen, weil sie entweder gar nicht, oder in entfernterem Grade mit ihm verwandt waren.

Besonders häufig findet in dieser Beziehung ein Irrthum bezüglich der Verschwägerten statt. Die Schwagerschaft ist dasjenige Verhältniß, in welchem die Verwandten des einen Ehegatten mit dem andern Ehegatten stehen. Dies ist wenigstens der juristische Begriff, der aber im gewöhnlichen Leben nicht festgehalten, sondern sehr weit ausgedehnt wird. Ebenso wird auch häufig nicht berücksichtigt, oder ist auch nicht hinlänglich bekannt, daß juristisch dieses Verhältniß mit seinen rechtlichen Folgerungen nicht länger dauert, als die Ehe zwischen den beiden Ehegatten selbst. So kommt der Fall nicht selten vor, daß kinderlose Ehegatten dem Ueberlebenden ihr ganzes Vermögen hinterlassen, dabei jedoch zur Bedingung machen, oder als Wunsch zu erkennen geben, daß das von ihnen herrührende Vermögen oder doch gewisse Theile desselben nach dem Tode des überlebenden Ehegatten auf Verwandte des zuerst verstorbenen Ehegatten gehen sollen. Eine solche Bestimmung wird, wenn sie nicht in gesetzlicher Form beurkundet ist, gar nicht beachtet, denn wenn der überlebende Ehegatte dann stirbt, werden nur seine Verwandten zur Erbschaft berufen, und die Verwandten seines Ehegatten, welche zu ihm nur in dem Verhältnisse einer durch den Tod juristisch unwirksamen Schwagerschaft gestanden haben, gehen vollständig leer aus.

Dies sind die wichtigsten und am häufigsten vorkommenden Fälle, wo es nothwendig oder doch zweckmäßig ist, daß ein Testament errichtet wird.

Bei der Landbevölkerung begegnet man häufig und zumeist bei derjenigen, welche früher unter Patrimonialgerichtsverwaltung gestanden, dem Vorurtheile, daß man durch die Errichtung eines Testamentes es verhindern könne, daß sich das Vormundschaftsgericht in die Sache einmische und die Feststellung der Masse und Regulirung des Nachlasses in die Hand nehme.

In manchen Staaten besteht nämlich für die Gerichte die Verpflichtung, sich der Bevormundeten dergestalt anzunehmen, daß deren Vermögen gerichtlich festgestellt und verwaltet wird, und es muß solchenfalls auch die Regulirung eines Nachlasses, aus welchem dem Bevormundeten Vermögen zufällt, unter Concurrenz des Vormundschaftsgerichtes erfolgen.

Wo nun aber in einem Lande eine solche gesetzliche Bestimmung existirt, da kann sie auch durch einen Act des Privatwillens, als welchen das Testament sich darstellt, nicht aufgehoben werden. Das Testament kann deshalb wohl die Art und Weise der Vertheilung des Nachlasses regeln, das Eintreten des Gerichts bei der Feststellung des Nachlasses, bei der Vertheilung desselben und bei Verwaltung des Vermögens der Bevormundeten wird dadurch nicht ausgeschlossen.

So haben wir das Wann, Wie und Wer der Testamentsmachung wohl zur Genüge erörtert und können nur wünschen, daß damit dem Vorurtheil, der Scheu und der Saumseligkeit, den drei Hauptwidersachern der letzten Pflichterfüllung, in recht vielen Menschen ein Ende gemacht sei.

Und nun zum Schluß noch eine wahre Begebenheit, welche die Bestürzung eines plötzlich Erkrankten und seiner Umgebung kennzeichnet. Tief in der Nacht wurde bei dem Gerichte eine Deputation zur Aufnahme des Testamentes bestellt. Als dieselbe im Hause des Kranken erschien, traf sie mit dem Arzte und mit dem Geistlichen zusammen, denn derselbe Bote war von dem Kranken zu allen drei Facultäten geschickt worden. Im Hause des Kranken nun stritten die drei Facultäten um den Vortritt. Der Geistliche wollte vor Allem die Seele des Kranken in Sicherheit bringen, während der Arzt es für wichtiger hielt, die Seele im Körper zu erhalten, und der Jurist machte darauf aufmerksam, welch unersetzliche Nachtheile die Angehörigen treffen könnten, wenn der Kranke nicht mehr sein Haus bestellen könne. Schließlich mußte der Kranke selbst die Reihenfolge, in der die Facultäten Zutritt erhielten, bestimmen. Es diene aber zur Beruhigung, daß der Patient, trotz der ärztlichen Hülfe, trotz des geistlichen Beistandes und trotz der Errichtung des Testamentes wieder gesund wurde und noch heute seines Daseins sich erfreut.

–n.




Herr Müller in Tunis.


Es war im August des vorigen Jahres. Wir hatten vor Goletta, der tunesischen Hafenstadt, Anker geworfen, und ich benutzte den ersten freien Tag, um der Residenz des Beys einen Besuch abzustatten. In der Begleitung dreier Freunde, worunter unser Bordarzt, fuhr ich um vier Uhr Morgens auf einem Ruderboote nach Goletta. Man kann von dort aus sowohl zu Lande als zu Wasser nach der Hauptstadt gelangen; als Seeleute zogen wir die etwas längere, jedenfalls aber staubfreie Wasserstraße vor und begaben uns daher an Bord des kleinen Dampfers, welcher täglich, mit Ausnahme des heiligen Freitags, seine Tour nach Tunis zurücklegt.

Die Fahrt über den kaum drei Fuß tiefen Meeresarm,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_344.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)