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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Nach dem Tode des Letzten von der Duba kam Hohnstein am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts an Herzog Albrecht zu Sachsen, der es 1480 seinem Marschall Heinrich von Schleinitz schenke, dessen Söhne es einem von Schönburg überließen, bis es 1543 an Herzog Moritz von Sachsen fiel, seit welcher Zeit es beständig dem Kurhause gehörte. Im dreißigjährigen Kriege berannten es vergeblich die Kaiserlichen, wie die Schweden. Mehrmals wurde es vom Feuer, wenn auch nur theilweis, zerstört, zuletzt 1604 durch den Blitz, wobei der älteste Theil des Schlosses nebst allen Urkunden völlig zerstört wurde. Auf diesen Trümmern wurden in neuester Zeit eine Kirche im Anschluß an die Reste der alten, sowie ein großes dreistöckiges Gebäude nebst Aussichtsthurm aufgeführt, nachdem das ganze Schloß, bis 1860 Sitz eines Gerichtsamtes, 1858 für eine Männer-Corrections-Anstalt hergerichtet wurde, wodurch allerdings vielfache Umgestaltungen nöthig wurden, die leider manche alterthümliche Ueberreste verdrängten. Jedoch ist man hiebei mit möglichster Schonung verfahren, wie der noch ziemlich unversehrt gebliebene gothische Chor der früheren St. Annacapelle bezeugt. Der Zweck der Anstalt ist, die sittliche Besserung solcher Leute anzustreben, die sich durch die geordneten Polizeistrafen von ihrer unregelmäßigen Lebensweise nicht abbringen ließen, und dieser Zweck wird ebenso umsichtig als energisch und human verfolgt.

Hohnstein ward sonst, gleich dem Königstein, als Staatsgefängniß benutzt, woher sich noch das bekannte: „Wer da kommt nach dem Hohenstein, der kommt selten wieder heim“ im Volksmunde fortgepflanzt hat. So drohte zum Beispiel der Bürgermeister Rauscher in Leipzig dem bekannten Dr. Peucer, als er, des Kryptocalvinismus verdächtig, auf der Pleißenburg saß, man werde ihn, wenn er seinen Sinn nicht ändere, „nach Hohnstein führen und ihn da in einem unterirdischen Gefängnisse und finsteren Loche durch Gestank, Unflath und giftiges Gewürm elendiglich umkommen lassen.“ Ueberhaupt saßen hier mehrere in der Kirchengeschichte denkwürdige Gelehrte, wie der bekannte Gegner Luther’s, Hieronymus Emser, der berüchtigte Wittenberger Professor Joh. Mayor, und der in der Geschichte des dreißigjährigen Krieges bekannte Dr. Craz. Auch verwahrte man hier viele Edelleute, darunter den bekannten Baron Klettenberg, dessen Gefängniß, ein finsteres feuchtes Loch, in dem der Gefangene bald den Scorbut bekam, nur für die schwersten Verbrecher bestimmt war. Zuletzt saß hier der Mörder Hahn, an dem (wenn wir nicht irren, 1770) die letzte Tortur vollzogen wurde.

Der von einer steilen Felswand hinter’m Schlosse und Mauerresten gebildete große Raum heißt jetzt noch der Bärenzwinger und ward als solcher 1609 feierlich eingeweiht. Fast hundertundfünfzig Jahre pflanzten sich hier Bären fort, wurden aber 1756 alle erschossen, da sie nicht selten die Mauern überkletterten und die Umgegend unsicher machten. (In diesem Bärenzwinger sehen wir auf unserem Mittelbilde, das vom gegenüberliegenden Felsen, dem „Großkäs“, aufgenommen ist, die ganze Breitseite des Schlosses mit dem neuesten und alten Theil. Das Gebäude in der gesonderten Abtheilung links, mit dem Thurm, das so kühn in die Luft hinausragt, hängt achtunddreißig Ellen über dem Loth.) Unter jenen Bären befand sich auch des Kurfürsten Friedrich August des Ersten bekannter Liebling, der zur Strafe hierher geschickt worden war, weil er sich thätlich an seinem fürstlichen Herrn vergriffen, der ihn geneckt hatte. Doch sollte Freund Petz nicht hier seine Tage beschließen, sondern im nahen Sedlitz bei einem Thiergefechte enden, wo er von einem Auerochsen an die Wand gespießt wurde, nachdem er noch vorher einem andern die Hörner nebst dem Hirnschädel abgerissen hatte. So berichten uns Merkel und Engelhardt.

Von Hohnstein nach Westen steht der gegen sechshundert Fuß hohe Hockstein mit seiner berühmten Wolfsschlucht und Teufelsbrücke. Durch eine fünf Fuß hohe und drei Fuß breite Höhle (Wolfsschlucht genannt) gelangt man auf die Oberfläche des Felsens, die über vierhundert Schritte im Umfang hat. Die Schlucht wird, je höher, desto enger. Das Licht fällt immer sparsamer ein, bis endlich ein von der Natur gebildetes Portal auf einen von drei Seiten mit Felsen umgebenen Platz führt, von welchem man noch ein ziemliches Stück steigen muß, ehe man den höchsten freien Gipfel des Hocksteins erreicht. Stufen, große Falze, Ueberreste eiserner Haken an der Spitze eines vorspringenden Felsenhorns lassen keinen Zweifel, daß der Hockstein einst bewohnt und befestigt war und mit dem nahen, nur durch das Polenzthal getrennten Hohnstein in Verbindung stand. Tief unten im Thale geht noch die alte malerische Mühle wie vor hundert Jahren, nur mit dem Unterschied, daß hier kein Lachsstechen mehr abgehalten wird, wie noch zu jener Zeit, als der Amtsfischpachter alle Jahre fünfzig Lachse in den Mühlgraben liefern mußte, wo man sie, wenn sie „abgestrichen“ hatten, entweder wieder fortließ oder mit großen vierzackigen Gabeln herausstach.

Der interessanteste Rückweg von Hohnstein, der nach der Festung Königstein oder direct nach Rathen führt, ist der „neue Weg“, noch immer so genannt, obwohl er bereits 1665 angelegt wurde. Nirgends sind die Felsen, umklammert von den Wurzeln himmelanstrebender Fichten und Tannen, so sonderbar gestaltet, nirgends treten sie so eng zusammen und scheinen über uns hereinzustürzen, wie hier. Endlich empfängt uns ein weites schönes Thal, aus dem, wieder bergaufsteigend zwischen Farren, Moosen und Haidekraut, ein vielfach gewundener Pfad, „Indianerpfad“ genannt, auf die jenseitigen Höhen führt, von denen wir unmittelbar den Heimweg antreten. In seiner ganzen Majestät steigt wieder der Lilienstein mit den ihn umgebenden ähnlich gestalteten Felsen vor uns auf, die wie riesige Wurzelstöcke aus der Erde ragen und sich mit ihren ernsten Formen wie Schattengeister von dem abendlichen Himmel abheben.

H. Kg.




Das alte Pfarrhaus in Pömmelte.[1]
Erinnerungen einer Pfarrtochter.


Es ist etwas Eigenes um Kindheitserinnerungen. Mögen sie noch so einfach sein, ein poetischer Duft ruht auf ihnen, den die prosaische Wirklichkeit nicht verwischen kann. So steht das alte baufällige Haus, von dem längst kein Stein mehr auf dem andern liegt, vor meinen Augen, verklärt durch die Erinnerungen aus den Tagen der Kindheit. Und wie sollte es auch nicht? Ist es doch dasselbe alte Pfarrhaus, in welchem meine Eltern zufrieden und glücklich gelebt haben, in welchem wir Geschwister, bis auf die Jüngste, geboren sind, das Haus, in welchem „Vater Uhlich“ achtzehn Jahre gelebt und gewirkt hat: das Pfarrhaus zu Pömmelte, einem preußischen Dorfe des Kreises Calbe in der Provinz Sachsen.

Sieben Hügel auf dem kleinen Dorfkirchhofe erzählen von dem Herzeleid, das meine Eltern betroffen, denn außer fünf Kindern in zartem Alter liegen meine lieben Großeltern Uhlich dort begraben, die ihren Lebensabend bei ihrem einzigen Kinde beschließen wollten. Dennoch barg das Pfarrhaus glückliche Menschen unter seinem Strohdache.

Ein absonderlich Bauwerk war es freilich, das alte Pfarrhaus. Seine Vorderseite, nach Norden gekehrt, wo des Dorfes Hauptstraße vorüberführte, der unschönen Kirche mit dem taubenschlagähnlichen Kirchthurme gegenüber, präsentirt sich wunderlich genug. Theils massiv, theils aus Lehmfachwerk erbaut, lehnt sich an den westlichen Giebel ein Anbau mit schiefem Ziegeldache. Die Fensterläden des Parterre sind hier ziegelrot, dort aschfarben angestrichen, sogar die Schornsteine sind, der eine mit Kalk beworfen, der andere die rothen Mauersteine zeigend, ein Abbild der Unregelmäßigkeit. Die Fenster selbst, wie verschieden! Hier

  1. Die Pfingstwoche vor nun gerade dreißig Jahren verdient unvergessen zu bleiben, und gerade der Kampf unserer Tage gegen jede Art von Pfaffenregiment muß an jene erste Ermannung des von muthigen Männern geleiteten Volksgeistes erinnern, der die Lichtfreunde in’s Leben rief. Eben darum führen wir unsere Leser heute vor und in die damalige Heimstätte des „Ordners“ jener Kampfschaaren: des Vater Uhlich, dessen Andenken ja in weit größeren Kreisen, als denen seiner „Freien Gemeinden“ in Ehren gehalten wird. Er gehört zu den treuesten deutschen Volksmännern. Möchte die Dankbarkeit und Liebe, die man ihm schuldig ist, seinen hinterlassenen Lieben ein segensreiches Erbe sein!
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_362.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)