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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Ob der letzte ihm in Aussicht gestellte Gewinn Herrn Wilberg wirklich so beneidenswerth dünkte, mochte dahingestellt bleiben, aber im Entzücken über den ersten vergaß er alles Andere, und eilte den neuen Schwiegervater zu umarmen, der diese Formalität ziemlich kurz abmachte.

„Nur keine Rührung!“ sagte er sehr entschieden. „Ich kann das nicht leiden, und wir brauchen uns damit nicht aufzuhalten. Jetzt kommen Sie mit zu Melanie! Ihr habt die Geschichte ja doch längst hinter meinem Rücken abgekartet, aber das sage ich Ihnen, finde ich Sie einmal beim Versemachen und mein Kind mit rothgeweinten Augen, dann gnade Ihnen Gott!“ – –

Während sich der Herr Oberingenieur auf diese Weise in ein unabwendbares Geschick ergab, standen drüben auf der Terrasse des Landhauses Arthur Berkow und Curt von Windeg. Der Letztere, der bereits von seiner Schwester Abschied genommen hatte, wartete auf das Vorführen seines Pferdes.

Die tiefe und mächtige Umwandlung, die Arthur’s Inneres erfahren, gab sich zum Theil auch in seinem Aeußeren kund. Er war nicht der zarte, schlanke und blasse junge Mann mehr, dessen beste Jugendkraft und Jugendfrische im Residenzleben zu Grunde zu gehen drohte, seine Erscheinung entsprach jetzt völlig dem Bilde, das man sich von dem Chef machte, der ein solches Unternehmen mit einer solchen Energie zu leiten wußte. Die Linien freilich, welche schon einst auf seiner Stirn standen und welche die Jahre der Sorge und Arbeit noch tiefer dort eingegraben hatten, waren nicht verwischt worden durch das jetzt sicher und dauernd gegründete Lebensglück. Solche Spuren weichen nicht wieder, wenn sie erst einmal da sind, aber sie kleideten diese Stirn und diese Züge nicht schlecht, wo Alles erstarkt war zu fester ernster Männlichkeit. Curt war der junge übermüthige Officier geblieben, dessen muntere Augen und frische Lippen von ihrer Heiterkeit und Lebenslust nichts eingebüßt hatten.

„Und ich sage Dir, Arthur,“ versicherte er eifrig, „Du thust dem Papa Unrecht, wenn Du bei ihm noch irgend ein Vorurtheil in Bezug auf Dich voraussetzest. Ich wollte, Du hättest es mit angehört, wie er neulich dem alten Fürsten Waldstein antwortete, als dieser meinte, die Bergherren hätten bei den jetzigen Arbeitsverhältnissen und Bewegungen gerade keine beneidenswerthe Stellung. ‚Auf meinen Schwiegersohn findet das keine Anwendung, Durchlaucht!‘ sagte Papa mit vollem Aplomb. ‚Er steht zu fest in seiner Stellung und hat eine zu unbedingte Autorität bei seinen Leuten, die mit förmlicher Begeisterung an ihm hängen – und mein Schwiegersohn ist überhaupt jedem Conflict gewachsen!‘ Deshalb aber vergiebt er es Dir noch immer nicht, daß Du ihm damals das Adelsdiplom ausgeschlagen hast, und er kann es durchaus nicht verwinden, daß sein Enkel einfach bürgerlich Berkow heißt.“

Arthur lächelte ein wenig spöttisch. „Nun, ich denke, der Name soll ihm gerade keine Schande machen, wenn er einst damit in’s Leben tritt, und hoffentlich erlebt es Dein Vater noch, ihm einen Windeg an die Seite gesetzt zu sehen – wie steht es denn mit Deiner Verlobung, Curt?“

Der junge Officier verzog das Gesicht. „Nun, die wird wohl nächstens erfolgen,“ versetzte er etwas gedehnt, „wahrscheinlich, wenn wir wieder in Rabenau sind. Graf Berning’s Güter grenzen ja an die unsrigen und Comteß Alma ist im Frühlinge achtzehn Jahre alt geworden. Papa meint, es wäre für mich in meiner Eigenschaft als Stammhalter und künftiger Majoratsherr jetzt Zeit, ernstlich an’s Heirathen zu denken. Er hat mir befohlen, mich noch in diesem Sommer der Comteß zu erklären.“

„Befohlen!“ lachte Arthur. „Du heirathest also auf Befehl!“

„Nun, was thatest Du denn bei Deiner Vermählung?“ fragte Curt etwas ärgerlich.

„Ja freilich, da hast Du Recht. Aber bei uns war das auch ein Ausnahmefall.“

„Bei uns gar nicht,“ meinte Curt gleichmüthig. „Das ist gewöhnlich so in unseren Kreisen. Papa will mich durchaus bald und standesgemäß verheirathet wissen und er leidet keinen Widerspruch, ausgenommen etwa von Dir. Du hast ihm so imponirt, daß er sich von Dir schlechterdings Alles gefallen läßt. Ich habe übrigens im Grunde gar nichts gegen die Heirath, nur wäre ich gern noch länger frei geblieben.“

Berkow schüttelte den Kopf. „Ich glaube, Curt, Du thust in diesem Falle ganz gut daran, Dich dem Plane des Vaters zu fügen. Alma Berning ist, so viel ich bei unserem letzten Besuche in Rabenau bemerken konnte, ein liebenswürdiges Mädchen, und für Dich ist es wirklich an der Zeit, den künftigen Majoratsherrn etwas mehr herauszukehren und dem jungen wilden Lieutenant den Abschied zu geben. Er hat etwas tolle Streiche gemacht, dieser Herr Lieutenant.“

Curt warf schmollend den Kopf zurück. „Ja wohl! Und sein Herr Schwager wurde ihm bei solchen Gelegenheiten immer von väterlicher Seite zum Muster aufgestellt und zwar mit so überschwänglichen Lobeserhebungen, daß meine ganze Vorliebe für Dich dazu gehörte, das gepriesene Muster nicht gründlich zu verabscheuen. Daher stammt überhaupt der ganze Heirathsplan. Ich habe mich einmal bei einer solchen Gerichtsscene verleiten lassen zu sagen: ‚Arthur hat es früher weit ärger getrieben; er ist erst als Ehemann so äußerst vortrefflich geworden,‘ und da ist Papa schleunigst auf die Idee gekommen, auch einen solchen aus mir zu machen. Meinetwegen! Ich habe eigentlich nichts gegen Alma einzuwenden und im Uebrigen werde ich mir ein Beispiel an Dir und Eugenien nehmen. Ihr seid mit völliger Gleichgültigkeit, ja mit einem förmlichen Haß gegen einander in die Ehe gegangen und habt sie schließlich zu einem Roman gestaltet, der noch heute nicht zu Ende ist. Vielleicht glückt es auch bei uns so.“

Ein unverkennbarer Ausdruck von Spott zuckte um Arthur’s Lippen. „Daran zweifle ich, lieber Curt; Du scheinst mir ganz und gar nicht zu einem Roman nach der Trauung geschaffen, und vor allen Dingen bedenke: es ist nicht jede Frau eine Eugenie.“

Der junge Baron lachte laut auf. „Dachte ich’s doch, daß wieder so etwas herauskommen würde. Genau derselbe Ton, mit dem mir Eugenie heute Morgen, als wir über ein ähnliches Thema sprachen, sagte: ‚Du wirst Arthur doch nicht in eine Reihe mit anderen Männern stellen wollen?‘ Ihr dehnt die Flitterwochen wirklich etwas lange aus.“

„Wir haben sie zu Anfang entbehren müssen, und das Versäumte pflegt man stets doppelt nachzuholen. – Du kannst also wirklich nicht bleiben?“

„Mein Urlaub reicht nur bis zum Abend. Ich kam ja auch hauptsächlich, um Euch den Papa und die Brüder anzukündigen. Auf Wiedersehen, Arthur!“

Er schwang sich auf das inzwischen herbeigeführte Pferd, warf dem Schwager noch einen Gruß zu und sprengte davon. Arthur war im Begriff, in das Haus zurückzukehren, als ein alter Bergmann auf der Terrasse erschien und vor seinem Chef den Hut zog.

„Ah, Schichtmeister Hartmann!“ sagte Berkow freundlich. „Wollten Sie zu mir?“

Der Schichtmeister näherte sich ehrfurchtsvoll, aber doch zutraulich. „Mit Verlaub, ja, Herr Berkow. Ich war gerade drüben beim Bestellen, und sah, wie Sie dem jungen Baron das Geleite gaben. Da möchte ich mich denn gleich bedanken dafür, daß Sie den Lorenz zum Steiger gemacht haben. Das hat große Freude gegeben in unserm Hause.“

„Der Lorenz hat sich in den letzten Jahren so tüchtig bewiesen, daß er den Posten verdient hat, und er kann ihn brauchen bei seiner immer mehr anwachsenden Familie.“

„Nun, er hatte genug für Frau und Kinder; dafür sorge ich schon,“ meinte der Schichtmeister gutmüthig. „Es war ein gescheidter Gedanke von der Martha, daß sie ihm die Bedingung stellte, zu mir in’s Haus zu ziehen; so bin ich doch nicht so ganz allein auf meine alten Tage und habe die Freude an ihren Kindern. Sonst habe ich ja auch nichts mehr auf der ganzen Welt.“

Das Gesicht des alten Mannes hatte sich bei den letzten Worten umdüstert, und die Augen wurden ihm feucht. Arthur sah mitleidig auf ihn nieder.

„Können Sie denn Das immer noch nicht verwinden, Hartmann?“

Der Schichtmeister schüttelte den Kopf: „Ich kann nicht, Herr Berkow. Er ist mein Einziger gewesen, und wenn er mir auch oft mehr Kummer als Freude gemacht hat, wenn er mir zuletzt mit seinem unbändigen Wesen ganz und gar über den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_375.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)