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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


aussah, der sich auf seinen Reichthum etwas zu Gute thut, und dessen weichlich dicke Hände mit den schweren Goldringen daran deutlich verrathen, daß er sich die Arbeit nicht sehr anliegen und durch den Fleiß Anderer Das erwerben läßt, was er verschleudert.

„Was giebt’s denn da?“ rief er hinzutretend in rauhem Tone. „Ich bin der Lindhamer Bauer; ich bin der Herr im Haus’, und Du bist mein Weib – ich und Du haben zu befehlen. Ist das Jemand nit recht? Hat Jemand was einzuwenden dagegen?“

„Niemand will Dir was einreden,“ entgegnete der Alte, „Niemand macht Dir oder der Schwieger die Herrschaft streitig auf dem Lindhamerhof, wenn Du’s auch nicht nöthig hättest, gegen mich so den Herrn herauszukehren – ich mein’, Du hättest ihn schon gezeigt all’ die Zeit her. Das Ganze ist nicht so viel Gered’ werth. Ich hab’ von der Th’res verlangt, daß sie mit ihrer Cither zu mir kommen soll; das ist der Schwieger nit recht und sie will haben, daß die Th’res ihr die Cither giebt.“

„Und sie will sie nit hergeben?“ rief Dickl mit höhnischem Lachen. „Ja, mein’ liebe Kath’rin’, das hätt’ ich Dir gleich sagen können, daß Du da den Kürzeren ziehst – die Cither giebt sie nit aus der Hand, die ist ja ein Andenken von ihrem saubern Schatz, von dem Loder, dem lüderlichen …“

„Dickl,“ rief der Alte in aufloderndem Zorne und trat ihm mit der ganzen Würde des einstigen Gebieters so entschieden entgegen, daß der junge Mann trotz seiner Frechheit vor dem Blicke des Blinden die Augen niederschlug und sich abwendete. „Schäm’ Dich in’s Herz hinein, daß Du so red’st! Ich mein’, Du hättest am allerwenigsten Ursach’ dazu.“

(Fortsetzung folgt.)




Ein Muster gesundheitlicher Baukunst.

Das neue Universitätsgebäude zu Glasgow.

Die modischen Miethscasernen mit Hintergebäuden, welche Luft und Licht ausschließen, und die Villa’s, wie sie sich jetzt um Berlin und andere Großstädte herum in unschöner Zerstreuung nach allen Seiten kokettirend einfinden, entsprechen nur sehr selten den Anforderungen der Schönheit, noch weniger denjenigen innerer Bequemlichkeit und Gesundheit. Von Ventilationseinrichtungen bemerkt man selten etwas; dagegen scheinen die Gifttrichter, welche die Wohnungen aus Senkgruben oder aus unterirdischen Spülcanälen fortwährend tückisch mit Typhusluft und sonstigen Krankheits- und Todesgiften versorgen, diese Waterclosets zu den unerläßlichen Erfordernissen sogenannter herrschaftlicher Häuser und Wohnungen zu gehören. In England sind wenigstens kluge und belehrungsfähige Leute durch Schaden klug geworden und lassen nicht nur neue Häuser ohne diese Gifttrichter bauen, sondern diese auch aus alten herausreißen. Und in England können diese Hausdrachenrachen wenigstens nicht so viel Schaden thun wie bei uns, weil es hier noch fast durchweg an guten Ventilationseinrichtungen fehlt, die der Engländer für unerläßlich hält und ohnehin auch mittelbar in den stets luftreinigenden Kaminfeuern besitzt.

Ja, in der Baukunst und in häuslichen Einrichtungen können wir viel von den Engländern lernen. Dort giebt’s noch keinen Casernenstil, und Ventilationseinrichtungen, an welche bei uns Baumeister und Bauherren kaum denken, gelten dort für ebenso nothwendig wie Thüren und Fenster. Da nun nach Rittershaus das neue deutsche Reich „der Freiheit Tempelhalle und nicht eine Reichscaserne“ werden soll, empfiehlt sich das militär- und miethscasernenarme England mit seiner Ventilationspraxis der deutschen Cultur und Baukunst um so mehr zum Vorbilde, als es wirklich höchste Zeit geworden ist, in diesem Reiche der Casernen und der Wohnungsnoth ausreichend bequem, gesund und schön bauen zu lernen. Deshalb wird zunächst ein Musterbau, der, so weit wir es verstehen, allen praktischen und ästhetischen Forderungen der architektonischen Kunst genügt, wie er hier in Wort und Bild zur Anschauung kommt, nicht unwillkommen, wenigstens nützlich sein. Das Reich und die Reichen haben ja ohnehin die höhere Verpflichtung, für Läuterung des Geschmacks und Förderung der Cultur nicht sowohl prächtig, als schön und zweckentsprechend zu bauen. Dafür sind viele englische monumentale Bauwerke, wenn nicht unbedingt Muster, so doch im höchsten Grade anregend.

Zu den gelungensten und großartigsten Kunstwerken dieser Art gehört jedenfalls das von Professor G. G. Scott entworfene

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_435.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)