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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


ihre Kammer, um in der Einsamkeit sich selbst wiederzufinden. In ihrer Hast gewahrte sie nicht, daß in der dunklen Ecke am Fuße der Stiege, wo ihre Kammer lag, eine dunkle Gestalt lehnte und sich vorsichtig an die Mauer drückte, wie um ja nicht bemerkt zu werden oder etwas auszuspähen. So war es auch in der That. Kaum war Th’res achtlos auf die Stiege gekommen, als der Mann hervorstürzte, sich so stellte, daß ihr der Rücken abgeschnitten und sie in die Ecke gedrängt war.

„Wer ist da?“ rief sie zusammenschreckend. „Du bist es, Dickl? Was hast im Sinn, daß Du Einem nachschleichst wie der Dieb in der Nacht?“

„St! schrei’ nit so!“ entgegnete Dickl mit gedämpfter Stimme. „Es trifft sich gut, daß die Dirn’ just nit in der Kuchel ist – es braucht Niemand zu hören, was wir Zwei miteinander haben …“

„Was wir Zwei miteinander zu reden haben, darf die ganze Welt hören,“ rief Th’res laut. „Was willst von mir? Wenn Du mich aus dem Haus jagen willst, so scham’ Dich nit und thu’s, daß es alle Leut’ sehn …“

„So sei doch still!“ entgegnete Dickl näher tretend, daß sein heißer Athem ihr die Wange streifte. „Es fallt mir ja nit ein, Dich aus dem Haus zu jagen, ich möcht’ ja vielmehr, daß Du’s drinn’ recht gut haben solltest, und wenn ich anders red’, so ist es ja nur wegen dem lieben Hausfrieden. Ich muß auswendig so thun; aber das weißt Du ja schon lang’, daß ich inwendig ganz anders gesinnt bin gegen Dich … Mein Weib ist immer gleich obenaus; aber wenn Du nur gescheidt sein und mit Dir vernünftig reden lassen wolltest, nachher wollt’ ich sie schon dahin bringen, daß sie nichts mehr gegen Dich hat –“

„So?“ stammelte Th’res, welcher Scham und Zorn beinahe die Sprache hemmten.

Dickl fühlte sich dadurch ermuthigt und fuhr noch kecker fort. „Gewiß!“ flüsterte er. „Weiß der Teufel, wie mein Weib es erträtscht hat, daß Du mir gefallst; da eifert sie nun in der Still’ – aber wenn Du ihr ein wenig nachgeben und schön thun wolltest, dann ließe sie sich’s schon ausreden und wir könnten –“

„Bist Du bald fertig, nichtsnutziger Mensch?“ rief Th’res in ausbrechendem Zorn. „Ist es Dir nit genug, daß Du mich aus dem Haus jagen willst? Mußt’ Du mir auch noch eine solche Schand’ anthun? Hab’ ich Dir noch nit deutlich genug gezeigt, daß ich Dich nit ausstehn kann? Was hab’ ich denn schon Unrecht’s gethan in meinem ganzen Leben, daß Du mich für Deines Gleichen zu nehmen ’traust, Du ausgeschämter Mensch?“

„Du willst also nit?“ rief Dickl doppelt wüthend, denn ihr längeres Schweigen hatte ihn mit der kühnen Hoffnung geschmeichelt, daß sie seiner Werbung nicht mehr so abgeneigt sei wie früher. „Willst auf Deinem Eigensinn bleiben?“

„Laß mich hinaus!“ rief sie wieder. „Oder ich zeig’ Dir durch die That, was Du meinen Worten nit glauben willst!“

„Oho!“ schrie Dickl, nun ebenfalls jede Rücksicht vergessend, daß das Gespräch vielleicht Zeugen gefunden haben könne. „Darauf will ich’s wohl ankommen lassen …“ Er suchte sie vollends in den Winkel zu drücken; aber Th’res, alle ihre Kraft sammelnd, hatte ihn rasch um die Mitte gefaßt und warf ihn mit solcher Gewalt von sich, daß er zu Boden gestürzt wäre, hätte nicht der Brunngraber, der unbeachtet zur Hausthür hereingekommen war, ihn mit offenen Armen aufgefangen, während Th’res in ihre Kammer schlüpfte, die Thür zuwarf und den Riegel vorschob.

„Das muß ich sagen,“ rief der Brunngraber mit rohem Gelächter, „ich hab’ schon ein eignes Glück, daß ich allemal dazu komm’, wenn’s scharf heruntergeht. Kannst es halt nit lassen,“ fuhr er dann fort, indeß Dickl sich wieder aufraffte, „mußt Dir immer wieder die Finger verbrennen bei dem Dirnl und weißt doch, daß sie nichts von Dir wissen will.“

„Weiß der Teufel, wie das ist,“ grollte Dickl, „sie muß mir’s angethan haben, aber ich will es ihr schon eintränken! Ich find’ doch schon etwas aus, daß sie klein beigiebt!“

„Bin dabei,“ sagte Sepp, „ich hab’ Dir schon gesagt, daß sie mir auch ein Dorn im Aug’ ist, und wenn Du ihr was anhängen kannst, hilf’ ich Dir dabei, wie ich Dir sonst überall geholfen hab’ – wär vielleicht gerade jetzt eine gute Gelegenheit dazu: wie ich neulich in Rosenheim war, hab’ ich gehört, daß dieselben Komödianten, die Luftspringer wieder da sind … Du weißt schon, welche … vielleicht könnt’ man da was herausbringen!“

„Sepp,“ entgegnete Dickl, indem er mit ihm durch das Fletz in die Wohnstube ging, „mach’ Dich dahinter! Wenn Du das zuwege bringen könntest, wenn Du die Th’res dahin bringen könntest, daß sie zu mir kommen und nachgeben und mich bitten müßt’ … Alles kannst von mir verlangen, was Du nur willst …“

„Ja, mit dem Versprechen bist Du leicht bei der Hand!“ entgegnete der Brunngraber. „Das Versprechen kostet nichts, aber mit dem Halten geht’s schon ein Bissel zäher! Ich werd’ schau’n, was ich zuweg’ bringen kann – aber ich bin nit deswegen zu Dir herauf … Rück’ heraus, Brüderl – ich brauch’ Vorspann!“

„Schon wieder Geld?“ rief Dickl unwillig. „Du bist der Nimmersatt! Du hast ganz recht, daß Du ein Brunngraber ’worden bist, aber Du kannst einen Brunnen auch ausschöpfen! Ich kann Dir heut’ nit helfen, ich hab’ kein Geld: die Bäu’rin ist zum Kindlmahl gefahren, da kann ich mich nit spotten lassen und hab’ ihr die letzten zehn Kronthaler zum Angebind’ mitgegeben …“

„So, so?“ entgegnete der Andere, der sich benahm, als wenn er zu Hause wäre, aus dem kleinen Mauerschränkchen die Branntweinflasche heraus nahm und sich ein Glas vollgoß. „Wenn es weiter nichts braucht, so thust Du Dir leicht auf der Welt! Aber damit ist mir nit geholfen, also schau, wo Du Geld herbekommst, oder,“ fügte er hinzu, indem er mit einem Seitenblick das Glas an den Mund setzte – „oder ich muß zu der Bäu’rin gehen und schauen, ob die kein’s für mich hat!“

„So ist’s recht, schlechter Kerl!“ schrie Dickl und schlug die Faust auf den Tisch „Zuerst bist Du überall dabei und voran, Du verführst mich und hintennach drohst Du mir mit dem Verrathen! Es ist doch kein Mensch als Du daran schuld, daß es so weit mit mir ’kommen ist … Du hast mich zum Spielen verleitet! Du hast mir die Handler und Juden in’s Haus gebracht, die mich aufgefressen haben mit ihren Wechseln! Du hast gesagt und groß gethan, daß Du das Lindenbrünnl’ fassen willst, daß es nie ausbleiben kann, und jetzt ist es über Deiner Gräberei erst ganz aus’blieben, und der Lindhamerhof ist um die Hälft’ weniger werth, als wie zuvor!“

„Dummer Teufel!“ entgegnete der Brunngraber roh. „Möchtest jetzt den Spieß umkehren, daß er mich stechen soll? Ich soll Dich zum Spielen verführt haben? Als wenn da noch was zu verführen gewesen wär’! Als wenn Du nit schon gespielt hättest wie ein Landsknecht, wie wir miteinander besser bekannt ’worden sind! … Die Juden und die Händler willst mir vorwerfen? Woher hätt’st Du denn das Geld genommen, mit dem Du Dich durchgefrettet hast bis heute, wenn ich sie nit zu Dir geführt hätt’? – Und vollends von dem Brünnl’ will ich schon gar nichts hören! Meinst, so was kann man über Nacht machen und um einen Pfifferling? Ich stell’s her, hab’ ich gesagt, und ich thu’s auch, ich lasse mich finden darum, aber Geld muß ich haben, damit ich nit mitten in der besten Arbeit aufhören muß, wie jetzt!“

„Ich soll Dir wohl jeden Schaufelstoß vergolden?“ rief Dickl. „Aber ich will mich heute nit zertragen mit Dir! In ein paar Tagen ist doch Alles anders, der Jude hat mir ein österreichisches Loos verkauft, morgen ist die Ziehung, vielleicht mach’ ich einen Treffer, dann ist mir auf einmal geholfen!“

„So? Du hast ein Loos?“ fragte Sepp lauernd. „Laß mich doch einmal sehen …“

„Der Jude hat’s in Verwahrung,“ erwiderte Dickl verlegen. „Ich mußt’ es ihm als Pfand geben zu dem letzten Wechsel, den ich ihm ausgestellt habe – damals, weißt Du, wie ich den Grauschimmel von ihm gekauft habe …“

„Der Dir nach vierzehn Tagen umgestanden ist, weil er dämpfig war und Du es nicht gekannt hast … Na, dann ist das Loos in guten Händen, das muß ich sagen … Aber wir werden ja sehen,“ fuhr er fort, indem er sich Dickl näherte und ihn auf die Achsel klopfte. „Ich hab’ eigentlich nur sehen wollen, wie Du Dich anstellst, wenn man Dir auf den Leib geht … ich bin mit Dir zufrieden! Vergiß mir nur nit, daß Du mit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 448. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_448.JPG&oldid=- (Version vom 27.8.2018)