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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Dampfmaschine zur Verwerthung kommt, eintretend, bemerken wir eine hölzerne, vom Speicher herabkommende Rinne, durch die der Senfsamen in ununterbrochenem Strome zwischen die Walzen des Quetschwerkes fließt, um von ihnen zu einer pulverigen Masse zerdrückt zu werden. Das Senfmehl wird in einen starken eisernen Cylinder in dünnen Lagen geschichtet, jede Schicht von der andern durch ein starkes Gewebe von Pferdehaar getrennt. Ist der Cylinder so gänzlich gefüllt, so bringt die Drehung eines Ventils die beiden Pumpen einer hydraulischen Presse in Thätigkeit. Der Boden des Cylinders hebt sich allmählich, preßt die Füllung gegen ein starkes Widerlager; das fette Oel fließt aus, dringt durch zahlreiche feine Oeffnungen der Cylinderwand und wird durch eine Rinne in einen Sammelbehälter geleitet. Allmählich zeigt das mit der Presse verbundene Manometer einen Druck von fünfhunderttausend Kilogrammen an. Der Abfluß des Oeles wird spärlicher; der Inhalt der Presse verbleibt noch während einiger Minuten unter diesem gewaltigen Drucke, bis alles Oel entfernt ist. Gleichzeitig dient die benachbarte hydraulische Presse dazu, um aus mit Spiritus extrahirten Kräutern die letzten Mengen von Tinctur herauszuquetschen, aus der der Liqueurfabrikant seinen Malakoff und ähnliche bittere und süße Stärkungsmittel bereitet.

Unsere Senfpresse ist mittlerweile durch einen besonderen Mechanismus entleert. Statt des Senfmehls, mit welchem sie gefüllt war, liefert sie dichte, feste, scheibenförmige Kuchen. Diese wandern in Mörser, deren Stößel schwere, durch die Dampfmaschine gehobene Stampfen sind, von denen nicht viele Schläge erforderlich sind, um die Kuchen wieder in Mehl zu verwandeln. Während dies geschieht, beobachten wir zwei Maschinen, deren Aufgabe es ist, Kräuter und Wurzeln, aus denen jene Tincturen gewonnen werden sollen, fein zu zerschneiden.

Das entölte Senfmehl kommt in den Destillationsraum. Hier wird es zunächst mit lauwarmem Wasser übergossen und sorgfältig mit demselben durchmischt. Sofort tritt das Myrosin in Wirkung. Der scharfe Geruch des Senfteiges giebt sich zu erkennen. Wenngleich sich momentan Senföl bildet, so ist doch zur Zersetzung der Gesammtmenge der Myronsäure eine gewisse Zeit erforderlich, die abgewartet werden muß, um die höchste Ausbeute an Oel zu gewinnen. Der scharfe Brei wird in eine eigens für seine Verarbeitung bestimmte Blase geschüttet und in derselben durch von außen wirkenden Dampf rasch zum Sieden erhitzt. Wie bei den anderen Oelen, so geht auch hier ein Gemisch von Wasser und ätherischem Oele über. Beide werden in röhrenförmigen Kühlapparaten verdichtet und in großen gläsernen Flaschen gesammelt. Nach beendigter Destillation bleibt die Sammelflasche ruhig stehen. Das Oel und das Wasser trennen sich in zwei gesonderten Schichten, von denen das Oel abgezogen wird. Eine zweite Destillation wird mit dem Senföle nicht vorgenommen. Es wird durch chemische Mittel getrocknet und ist dann für den Versand fertig. Berücksichtigt man, in wie kleinen Mengen ein so drastisch wirkendes Mittel, wie das Senföl, gebraucht wird – der Senfspiritus der Apotheken enthält nur ⅟₆₀ seines Gewichtes davon – so begreift man kaum den Consum für eine Fabrikation, die Jahr aus Jahr ein in drei eigens für diesen Zweck construirten Apparaten ununterbrochen betrieben wird, die zu Zeiten von Epidemien aber die Nachfrage kaum befriedigen kann. An Großartigkeit der Production kommt überhaupt wohl keine andere ähnliche Fabrik derjenigen der Herren Schimmel und Comp. gleich. Nach uns gemachten Mittheilungen beträgt die jährliche Erzeugung nur einiger von den zweiundsiebzig in dieser Fabrik dargestellten Oelen folgende Größen:

15000    Kilogramme    Kümmelöl,
2000 Fenchelöl,
750 Calmusöl,
500 Corianderöl,
500 Angelicaöl,
150 Baldrianöl,
1500 Sandelholzöl,
1000 Cedernholzöl,
300 Senföl,
120 Ingberöl,
1200 Wachholderbeeröl,
400 Copaiva-Balsamöl,
200 Linaloeöl.

Die Bedeutung dieser Zahlen wird verständlicher, wenn wir die Verwendung und Werthe einzelner der Oele anführen. Das Kümmelöl wird fast ausschließlich in der Liqueurfabrikation gebraucht. Die obige Menge genügt, um 60,000,000 Liter „Kümmel“ zu bereiten. Das billigste der Oele, das Cedernholzöl, hat einen Preis von zwei und einem halben Thaler pro Kilogramm, während das theuerste, das Irisöl, welches außer dieser von keiner anderen Fabrik in Deutschland hergestellt wird, mit achthundert Thalern pro Kilogramm bezahlt wird.

Außer mit der Herstellung dieser natürlichen ätherischen Oele beschäftigt sich die Fabrik auch mit der Bereitung einer Anzahl chemischer Verbindungen, die in neuerer Zeit im umfänglichsten Maßstabe zur Nachahmung von wohlriechenden oder wohlschmeckenden Stoffen hergestellt werden und in der Parfümerie, Liqueurfabrikation und Conditorei Verwendung finden. Es sind dies die sogenannten Essenzen, von denen wir nur die Mirbanessenz oder das künstliche Bittermandelöl, mit einer jährlichen Production von 30,000 Kilogramm, vorzugsweise zur Parfümirung der Mandelseife dienend, die Rum- und Cognacessenz, mit deren Hülfe Spiritus in „Jamaica-Rum“ oder „echten Cognac“ verwandelt wird, die verschiedenen Fruchtessenzen, zur Darstellung der Fruchtbonbons und anderen Confituren, erwähnen wollen. Wir würden uns zu weit in chemische Studien vertiefen müssen, wenn wir die Bereitung dieser Stoffe auch nur annähernd schildern wollten. Es sei demnach nur erwähnt, daß das Rohmaterial für das Bittermandelöl der Steinkohlentheer ist; die geistige Flüssigkeit, welche unter dem Namen Rum jetzt meist im Handel vorkommt, verdankt ihre Eigenschaft, als Grog genossen Kopfschmerzen zu erregen, einem Zusatz eines aus Stärkemehl, Braunstein, Schwefelsäure und Spiritus gezogenen Destillates. Die Essenz zu nicht weniger als 4,000,000 Liter Rum geht im Lauf des Jahres aus den Destillirapparaten der Fabrik hervor. Der Cognac ist nicht besseren Ursprungs; Kartoffelfuselöl und Cocosnußfett liefern sein Aroma. Der Wohlgeruch des Apfels, der Birne, der Ananas, der Erdbeere, der Kirsche und anderer Früchte wird ebenfalls durch verschiedene aus dem Kartoffelfuselöl abgeleitete Substanzen so täuschend nachgeahmt, daß Niemand mit Sicherheit zu sagen vermag, ob das Erdbeer- und Ananas-Eis, mit dem wir uns im Sommer erfrischen, auch nur eine Spur der Früchte enthält, oder ob sein Geruch und sein Geschmack aus der Fabrik von Schimmel u. Comp. stammen.

F. St.



Blätter und Blüthen.

Illustrationen zu Herman Schmid’s Werken. (Mit Abbildung, S. 522.) Ohne Zweifel werden sich unsere Leser noch der ihrer Zeit mit so vielem Beifall aufgenommenen Erzählung aus dem baierischen Hochgebirge „Almenrausch und Edelweiß“ von Herman Schmid erinnern. Das heute von uns gebrachte Bild von L. Bechstein, dem die Gartenlaube schon so manches treffliche Blatt verdankt, entnimmt seinen Stoff der genannten Erzählung, und wir theilen aus derselben die betreffende Stelle als erklärenden Text zu dem Bilde hier mit; es ist die bekannte Scene, wo die Schwärzer im Thale der Wimbach von den Jägern überrascht werden. Herman Schmid erzählt daselbst:

Eben wollte man sich, lautlos wie man gekommen war, trennen, als eine wilde Stimme gebieterisch von einer nahen Höhe herunter rief: „Halt, Ihr Kerls! Diesmal haben wir Euch – Keiner rührt sich von der Stelle, oder er wird niedergeschossen!“

Ein einziger Schrei antwortete dem Ruf. „Die Grünen!“ hieß es, und „Lichter aus!“ und im Augenblick war von den Schwärzern nichts mehr zu sehen; nichts war zu hören, als das Knacken der aufgezogenen Hähne an den Gewehren.

„Gebt Euch gutwillig!“ rief es wieder. „Legt die Stutzen nieder – Ihr seid umringt!“

Kein Wort wurde erwidert; als einzige Antwort knallte ein Stutzen nach der Richtung hin, von welcher das Rufen kam. Verdoppelt, verdreifacht kam der Knall von allen Seiten zurück, und eine überlegene Schaar von Jägern, Grenzwächtern und Gensd’armen stürzte rings auf die Ueberfallenen ein. Viele davon hatten sich im ersten Augenblick zerstreut und kletterten im Schutze der Nacht die Felsen hinan oder unter den Latschen dahin; die Zurückgebliebenen setzten sich mit dem Muthe der Verzweiflung und Todesverachtung zur Wehre. Jedem winkte noch die Möglichkeit des Entrinnens. Jedem schien ein rascher Tod wünschenswerther, als eine lange, schwer entehrende Strafe. Ein wildes, blutiges

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_525.JPG&oldid=- (Version vom 3.8.2020)