Seite:Die Gartenlaube (1873) 536.JPG

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Steuerfreiheit etc. erneuerte, der jedoch, der letzte seines Geschlechtes, noch im nämlichen Jahre starb.

Einige andere sonderbare Rechte, die nach einigen Chronisten einheimische Familien geübt haben sollen, sind schon weit früher erloschen, aber an sich merkwürdig genug. So sollen die Gradeneker das Recht gehabt haben, so lange der Herzog am Stuhle saß, wo immer im Lande Heu zu mähen und zu behalten. Die Portendorfer und nach ihnen die Mardoxe waren berechtigt, während dieser Zeit, was immer für Gut, dessen Eigenthümer sich mit ihnen nicht abfinden wollte, abzubrennen, ja denen von Rauber stand es zu, so lange der Herzog belehnte und Recht sprach, beliebig im Lande zu plündern. In der That finden sich auf das sogenannte Brennamt bezügliche Urkunden noch aus dem Jahre 1414 vor. Wahrscheinlich sollten diese Rechte das Volk die Schrecken der herrenlosen Zeit und damit das Bedürfniß fühlen lassen, demselben durch schnelle Einsetzung des Landesfürsten ein Ende zu machen.

Alle diese Rechte sind, wie das Feudalrecht überhaupt, verweht worden, von dem frischen Lebenshauche, den das wieder erstandene Recht des Volkes zur Selbstbestimmung und -Regierung durch die Thäler wehen ließ. Ueber den Boden, der nur wenige Reste des einst so reichen Lebens der römischen Pflanzstadt Virunum birgt, eilt nun fröhlich die Locomotive durch das Thal, in welches alte Thürme und Mauerreste längst zerfallener Burgen neugierig herunter schauen, in welchem aber doch wohlerhalten und in ehrender Umfriedung der Herzogsstuhl steht, wohl das älteste Denkmal constitutioneller Volksrechte.




Die Farbengeheimnisse
des Wassers, der Luft und der Vegetation.

Daß es mit den Farbentönen der Landschaft, deren immer wechselndes Spiel das Auge des Laien wie des Malers erfreut und erfrischt, deren Wandel auch der alltäglichen Aussicht unseres Fensters stets neue Reize leiht, eine andere Bewandtniß haben müsse, als mit den Farben des Tuschkastens und der Palette, begreift sich von selbst. Das Weiß des Kreidefelsens freilich, das Ockergelb eisenreicher Thonmassen und viele Farben des nackten Bodens und Gesteins sind so körperlicher Natur, daß wir mit ihnen sogar andere Gegenstände färben können. Ein Anderes gilt schon von dem Grün der Vegetation, dem Kleide der Landschaft; am duftigsten aber und erst in neuerer Zeit entschleiert sind die Farbengeheimnisse der Luft und des Wassers. Ein mit ultramarinblauer Aequator-Fluth gefülltes Glas, ein Stück Eis aus indigoblauer Gletscherspalte, ein Ballon schwarzblauer Luft vom Faulhorn, Alles das sieht, in der Nähe betrachtet, farblos aus, und wir könnten einen Augenblick geneigt sein, diese Farben für ebenso körperlos und den Dingen fremd zu halten, wie die Farben des Regenbogens, welche im Grunde dieselben bleiben würden, auch wenn es Spiritus statt Wasser regnete.

Beschäftigen wir uns zunächst mit dem Wasser, dem belebenden Elemente der Landschaft. Die natürliche Farbe des Wassers ist ein Blau von solcher Zartheit, daß es erst bei einer gehörigen Masse und Tiefe desselben zur Erscheinung kommt. Wenn das aus den verschiedensten Wärme-, Farbe- und chemischen Strahlen zusammengesetzte weiße Sonnenlicht in’s Wasser dringt, so werden die einzelnen Theile nach einander absorbirt und ausgelöscht. Zuerst gleich an der Oberfläche werden die für unser Auge unsichtbaren Wärmestrahlen, welche die Temperatur des Wassers erhöhen, aufgenommen. Ihnen folgen die schneller schwingenden rothen, dann die gelben, grünen und zuletzt die blauen und violetten Strahlen ganz in der Reihenfolge der Regenbogen- oder Spectral-Farben. Durch eine hinreichend dicke Schicht des Wassers gelangen also nur die blauen Strahlen hindurch, und so erklärt sich leicht, weshalb Höhlen, die an der Oberfläche des Meeres liegen, und hauptsächlich nur durch Tageslicht erhellt werden, welches durch dicke Wasserschichten gedrungen ist, in einem magischen blauen Lichte strahlen, wie die berühmte Azurgrotte von Capri. Da jedoch auch die blauen und violetten Antheile des Sonnenlichtes bei hinreichender Tiefe endlich verschluckt werden, so wird auf dem Meeresboden der violetten Dämmerung Finsterniß folgen, und alle Gewässer, die so tief sind, daß man trotz ihrer vollkommenen Klarheit den Grund nicht mehr sieht, müßten bei ebener Oberfläche schwarz wie Tinte, einen bloßen Glanzstreifen zurückwerfend, erscheinen. Daß das Wasser uns auch von außen gesehen farbig erscheint, ist, wie Tyndall’s neuere Untersuchungen dargethan haben, dadurch bedingt, daß alles Wasser mehr oder weniger feine, feste Körpertheilchen in sich schwimmend enthält, die aus dem Innern der Fluth das auf sie fallende Licht emporwerfen. Diese Theilchen müssen aber so fein sein, daß das Licht hinreichend tief dringen kann, um so viel von den andern Farbentheilen des weißen Lichtes eingebüßt zu haben, daß die tiefer dringenden Farben für sich zur Erscheinung kommen können. Es wird also wesentlich von der sehr wechselnden Menge dieses feinen Wasserstaubes abhängen, ob uns das Wasser grasgrün, blaugrün, grünblau, azurblau oder indigoblau erscheint.

Als Tyndall im Winter 1870 bis 1871 nach Algier segelte, um dort die Sonnenfinsterniß zu beobachten, sammelte er aus den verschiedenen Gegenden des atlantischen Oceans Meerwasserproben von allen Färbungen zwischen Hellgrün und Dunkelblau und füllte damit numeriere Fläschchen, um zu Hause vermittelst eines einfachen Verfahrens die Menge der in jeder Probe enthaltenen festen Theilchen zu bestimmen. Seine Methode bestand darin, daß er in einem dunklen Raume einen Strahl von elektrischem oder Sonnenlicht durch die Flüssigkeit fallen ließ. Aehnlich dem durch ein Astloch oder eine Ritze des geschlossenen Fensterladens in die staubreiche Stube dringenden Sonnenstrahl, erschien bei diesem Versuche die Lichtlinie im Wasser um so schärfer und heller leuchtend, je mehr Wasserstaub vorhanden war, und als die Reisenotizen mit den Laboratoriumsergebnissen verglichen wurden, zeigte sich, daß das hellgrüne Meerwasser bei aller äußern Klarheit am unreinsten war, das ultramarinblaue reiner, das indigoblaue am reinsten.

Aus Versuchen scheint übrigens hervorzugehen, daß erhöhte Temperatur des Wassers das Verschlucktwerden der nichtblauen Strahlen vermehrt und daher die Bläue der dem Aequator näheren wärmeren Meere erhöhen kann. Daß aber auch in solcher ultramarin- oder indigoblauen Fluth die grüne Farbe, wie es die Theorie fordert, auftreten kann, bewies Tyndall, indem er einen weißen Gegenstand, z. B. einen Porcellanteller, tief in dieselbe hineinsenkte, der sich dann ganz wie jene lichtemporschickenden Staubtheilchen oder mikroskopischen Meeresthiere verhielt und, da er eben nicht tief genug gesenkt werden konnte, auch im blauesten Meere stets meergrün, d. h. in einer aus Blau und Grün gemischten Farbe, erschien. Natürlich gilt ganz das Nämliche von der Färbung des Gletschereises, und auch hier bemerkt man in den Spalten, Klüften und Thoren der Eismasse alle möglichen Abtönungen zwischen dem lichtesten Hellblau bis zum gesättigten Azur und frischen Lauchgrün. Doch zeigt selbstverständlich nur das durchsichtige Eis diese Farben, während blasige Massen, ebenso wie Schnee und Wellenschaum, weiß aussehen, da sie das Licht unverändert zurückwerfen. Durch im Wasser aufgelöste fremde Substanzen können diese Farbenerscheinungen geändert oder erhöht werden, und man glaubt z. B., daß bei Erzeugung der lebhaft grünen Farbe mancher Gebirgsseen gelbliche organische Substanzen beteiligt seien, die, in größerer Menge vorhanden, das Wasser zuletzt bräunlich bis schwärzlich aussehend machen. Die dem reinen Wasser eigenthümliche blaue Farbe kann durch aufgelöste Mineralstoffe, z. B. durch Kieselsäuregehalt, wie sie manche Mineralquellen (namentlich die Geyserquellen Islands) zeigen, sehr erhöht werden, und ein solches Wasser erscheint dann aquamarinblau selbst in der Karaffe. Doch ist die hiervon abgeleitete Meinung des französischen Naturforschers Collas, daß die blaue Farbe alles Wassers und sogar der Luft von darin enthaltenen Kieselsäuretheilchen abhängig sein solle, keineswegs wahrscheinlich.

Man hat früher zuweilen geglaubt, daß die Spiegelung

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 536. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_536.JPG&oldid=- (Version vom 3.8.2020)