Seite:Die Gartenlaube (1873) 538.JPG

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

mit Entzücken füllt, so oft es in einiger Pracht auftritt. Es würde vergebliche Mühe sein, das zusammengesetzte Farbenproblem eines solchen Schauspiels oder die Tinten des Alpenglühens physikalisch erklären zu wollen. Wir versuchen nur wenige Andeutungen.

Zunächst darf man nicht vergessen, daß bei der Morgen- und Abendröthe sowohl directes als zurückgeworfenes Sonnenlicht im Spiele ist, und die beim Durchdringen der Dunstschichten des Horizontes orangegelb bis hochroth gefärbten Strahlen durch das zurückwerfende Mittel beeinflußt werden. Denn da dieser röthliche von der hinter dem Horizonte verschwundenen Sonne emporgesendete Lichtstrom auch Strahlen von anderer Brechbarkeit enthält, so bilden sich durch Mischung mit den blauen Tinten des Fernenduftes und Himmelsgewölbes violette, purpurrothe, rosige und orangefarbige Tinten, die durch Goldgelb sogar zuweilen in Grün übergehen und alle Nüancen der Farbenscala durchlaufen können. Indem sich das von fernen Bergspitzen uns zugestrahlte farbige Licht gleichsam verdichtet, und die kleinen Rauhheiten verschwinden, erscheinen Jene auf dem dunklen Grunde der Dämmerung gleichsam selbstleuchtend, durch und durch glühend, ebenso wie sich das zurückgeworfene Sonnenlicht der nicht selbst leuchtfähigen Planeten und Monde durch die Entfernung zu einem blendenden Glanze verdichtet. Die dunkel oder beschattet liegenden Faltungen des Gebirges werden von dem Reste des blauen Himmelslichtes erleuchtet, und der Contrast mit dem glühenden Roth hebt diese an sich sanfte Färbung zum lebhaftesten Glanze, und auf geneigten Flächen, die ihr Licht von mehreren verschieden gefärbten Quellen zugleich empfangen, bilden sich die unbeschreiblichsten zartesten Mischtöne. Wir sehen also, daß die Ursache der blauen Farbe des Himmels und der purpurnen Säume der Nacht von der Gegenwart desselben dunstförmigen Stoffes in der Atmosphäre hervorgebracht wird, welcher, sich verdichtend, die weißen Wolken bildet, oder in noch dichterer Gestalt als Schnee die ganze Landschaft mit einem blendend weißen Leichentuche bedeckt.

Nächst den Färbungen des Himmels und des Wassers ist wohl die grüne Farbe der Vegetation der wichtigste Factor im Landschaftsbilde. Auch diese Farbe mit ihren mannigfaltigen Abänderungen nach Pflanzenart und Jahreszeit ist kein einfaches, noch auch ein blos aus Blau und Gelb zusammengesetztes Grün. Ebenso wie das blaue Himmelsgewölbe eine Menge andersfarbigen Lichtes neben den vorwaltenden blauen Strahlen zurückwirft, so reflectirt das Pflanzenblatt mancherlei nichtgrüne Strahlen, und namentlich, was man am wenigsten erwartet, eine reichliche Portion lebhaft rothen Lichtes. Es sind dies jedenfalls diejenigen Antheile des weißen Sonnenlichtes, welche die Vegetation zu ihrem Gedeihen nicht verbraucht, sondern als unbrauchbar für ihren Lebensunterhalt zurückwirft. Man kann jenes für gewöhnlich unsichtbare rothe Licht des Kräuter- und Baumlaubes sichtbar machen, wenn man die Landschaft durch Zusammenstellungen gefärbter Gläser betrachtet, welche die grünen Strahlen nicht durchlassen.

Simmler hat eine derartige von Wilde verbesserte Vorrichtung erdacht, das sogenannte Erythroskop oder Erythrophytoskop, durch welche bei Uebergießung der gesammten Landschaft mit einem violetten Scheine die Vegetation leuchtend korallenroth erscheint, was einen höchst überraschenden Anblick gewährt. Diese Vorrichtung besteht einfach aus einer brillenartigen Combination eines blauen Kobaltglases mit einem gelben Eisenoxydglase. Betrachtet man eine sonnenbeschienene Landschaft durch diese kleine Vorrichtung, so erscheint jeder Halm und jedes Blatt roth wie Siegellack, der Himmel tief kornblumenblau, die Wolken röthlich violett, der See leuchtend blaugrün, der Erdboden in den zartesten violettgrauen Abstufungen. Ein wahrhaft märchenhafter, zauberischer Anblick, da die leisesten Schattirungen des Landschaftsbildes erhalten bleiben und der Reichthum der Farben bis auf die magische Veränderung der Vegetation nicht vermindert ist. Von mineralischem Grün gefärbte Gegenstände, zum Beispiel grüne Jalousien oder grüne Kleider, behalten ihre Farbe und erscheinen nur ein wenig dunkler. Wird in dem Apparate statt des gelben Glases ein rothes Kupferoxydul-Glas angewendet, so erscheint die Vegetation leuchtend karminroth und bildet den strahlendsten Theil der Landschaft. Erst durch die Erkenntniß, daß das grüne Blatt keineswegs ungeeignet ist, rothes Licht zurückzuwerfen, verstehen wir, daß die untergehende Sonne auch wohl das grünste Baumlaub zur lebhaften Rothgluth entzünden kann. Ein ähnlicher Apparat ist das Melanoskop, in welchem ein Rubinglas mit einem hellvioletten Glase verbunden ist, und durch welches die Landschaft ähnlich, wenn auch weniger prächtig als durch das Erythroskop, erscheint, während die Vegetation ein schwärzliches Ansehen gewinnt. Wir bringen also noch einmal in Erinnerung: Wer zu seinem Vergnügen reist und in einer leicht verschaffbaren Steigerung der Augenlust keine tadelnswürdige Genußsucht findet, vergesse neben dem Krimstecher oder Taschenfernrohre nicht, den wenig Raum beanspruchenden kleinen Nicol und das Erythroskop mitzunehmen.

Carus Sterne.




Fränkisches Volkslied.


Ich hab’ a Schätzla in der Näh’,
Dös ka ke Mensch wie ich versteh,
Es braucht’s ah weiter Kener.
Als unser Ener.

5
Ich hab’ noch nix mit ihr geredt,

Und doch will ich wos Andersch wett,
Dös ganz scharmanta Täubla
Wird noch mei Weibla.

In ihrn Gesichtla steht a Schri(e)ft,

10
Die hat die Sach’ schon lang verbrieft.

Zum Siegel gitt mei Schätzla
Mir wohl a Schmätzla.

Ja, wenn se mich von farn derblickt,
Potz Blitz, wie thut se so geschickt!

15
Da kriegt se den bewußten

Gemachten Husten.

Und wenn se näher bei mer steht,
Wie’s Mieder auf und nieder geht!
Wie spieln do ihre Händla

20
Am Schürzenbändla!


Aus’n Augna guckt was Freundlichs ’raus,
Sicht wie a Stückla Himmel aus;
Doch wird’s ah manchsmal trüber –
Ich schnappt’ sonst über.

25
Wenn ich m’r nur des Herz könnt’ gfaß,

So spräch’ ich: Gretla, weste was?
Dort wohnt der Pfarre König –
Mir senn ja eenig.

Der alte Hohnbaum in Rodach.


Vögel in der Wochenstube.
Von Brehm.

Diesmal trete ich als der harmloseste Schriftsteller vor meine geneigten und nicht geneigten Leser. Kein einziger der düsteren Herren, deren grimmigen Zorn das „Pestblatt“ Gartenlaube auch meinethalben erregte, wird Ursache zu namenlosen Briefen an mich oder den unschuldigen Herausgeber unseres Blattes haben, kein zimperliches Frauenzimmer Grund finden, zu erröthen. Es handelt sich um ein Stück Naturgeschichte einer Familie merkwürdiger Vögel, deren Fortpflanzung der Absonderlichkeit ihrer Gestalt zu entsprechen scheint.

So einfach der Hergang des Brutgeschäftes der Vögel im Allgemeinen zu sein pflegt, so verschiedenartig sind Nestbau und Betheiligung der Eltern. Auf ersteren hier einzugehen, würde

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 538. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_538.JPG&oldid=- (Version vom 27.6.2018)