Seite:Die Gartenlaube (1873) 549.JPG

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Denkmal besonderen, altertümlichen Charakters: das Lucas Cranach’sche. Zum Schutz gegen Beschädigung wurde es im Jahre 1859 in die Haupt-, und Stadtkirche, nahe dem berühmten Altarbilde des Meisters, versetzt. Wir folgen ihm dahin und verweilen dankbar segnenden Blickes an dem Grabmal Anna Amalia’s, der Begründerin der großen Zeit Weimar’s, und an demjenigen Herder’s, welches letztgenannte den Wahlspruch des Verklärten: „Licht, Liebe, Leben“ als Inschrift trägt.

Zum alten Friedhofe zurückkehrend, werden wir an den dort bestatteten, im Jahre 1819 verstorbenen Minister Karl August’s, Christian Gottlob von Voigt gemahnt, den ausgezeichneten Staatsmann und Gelehrten, der zugleich für die weimarischen wissenschaftlichen und Kunstanstalten viel gethan hat, wie er denn auch die ersten Geister zu seinen engsten Freunden zählte. Welche Hochachtung vor Allen Goethe ihm zollte, geht aus dem von Otto Jahn herausgegebenen Briefwechsel desselben mit Voigt hervor. – An der südlichen Kirchwand tritt uns das Grabmonument von Johann Karl August Musäus, dem lieben Dichter der klassischen Volksmärchen der Deutschen, entgegen. Jean Paul nennt ihn einen „echten Humoristen“, und er eben durfte ihn so nennen. Mit Wieland und Herder innig befreundet, von seiner Fürstin Anna Amalia hochgeschätzt, erfreute er, der gutmüthige, wohlwollende und immer heitere Mensch, sich der Liebe Aller, die ihn kannten. „Er hatte keinen Feind,“ durfte ihm Herder in seiner Gedächtnißrede auf ihn nachrühmen. Er starb 1787.

Der alte Friedhof nahm noch andere Kunstjünger aus Weimar’s ruhmvollen Tagen auf; so Mieding, den Theaterdecorateur und Maschinisten, den Goethe in seinem Gedichte „Auf Mieding’s Tod“, seiner besten einem, verherrlicht hat; so den Schauspieler Malcolmi, den „Unvergeßlichen“, wie Goethe ihn nennt; so Christiane Neumann, verehelichte Becker, die viel zu früh verblühete, welcher der Dichter die Elegie „Euphrosyne“ widmete, und von der Wieland urtheilte: „wenn sie nur noch einige Jahre so fortschreitet, so wird Deutschland nur eine Schauspielerin haben,“ und Iffland sagte: „sie kann Alles; denn nie wird sie in den künstlichen Rausch von Empfindsamkeit, das verderbliche Uebel unserer jungen Schauspielerinnen, verfallen.“

Auf demselben Friedhofe wurde gebettet Goethe’s Frau, Christiane, geb. Vulpius (starb 1816). Bekanntermaßen ward eine Bittschrift für ihren Bruder, die sie auf dem Wege nach Oberweimar Goethe überreichte, der nächste Eheprocurator. Nie sprach sie von ihm, ohne ehrfurchtsvoll ihm seinen Titel „der Herr Geheimbde-Rath“ zu geben. Ihren Verlust empfand Goethe sehr schmerzlich.

Wir haben nicht weit zu Friedrich Justin Bertuch, Gründer des weltberühmten Industrie-Comptoirs und des Geographischen Institutes, Herausgeber des allgemein beliebten Bilderbuches für Kinder. Auf Karl August’s Veranlassung trat er an Goethe seinen Garten am fürstlichen Park ab, wofür ihn jener durch das Grundstück am Schwansee entschädigte, das Bertuch so schön cultivirte. Er war einige Zeit Karl August’s Secretär, dabei, wo es galt, erfindungsreicher Festordner. Sein Grab hat er sich im weiten Garten seines stattlichen Hauses, umschattet von selbstgepflanzten Bäumen, mitten unter den Büsten der vier weimarischen Dichter, gewählt. Der Name des Trefflichen (starb als Fünfundsiebenziger 1822) fügt sich eng in die Kette der Männer, die das kleine Weimar groß gemacht haben. Als Gelehrter hat er uns vorzugsweise die spanische Literatur nahe gebracht; so durch seine Uebersetzung des Don Quixote.

Im Jahre 1818 wurde der neue Friedhof angelegt. Der ältere Theil desselben bietet zugleich die wichtigeren Erinnerungen und Anhaltspunkte. Vom Eingange (durch das Portal des Leichenhauses) aus erstreckt sich eine mit Linden eingefaßte, sanft aufsteigende Allee, durchschnitten von einem Quergange, bis zur Höhe. Nach allen Seiten hin theils majestätische Laub- und Nadelholzbäume, theils wohlgruppirtes höheres oder niederes Gesträuch, unter dessen Rasenflächen und Blumeneinfassungen die Gräber offener oder versteckter hervorschauen. Die Fürstengruft begrenzt den Blick. Dahinter die sogenannte griechische Capelle, im Jahre 1862 in morgenländischem Stile erbaut. Um sie und weiter hinauf ein neues Leichenfeld. In sich schließt diese dicht an die Fürstengruft stoßende und unterirdisch mit ihr verbundene Capelle, deren Kuppeln weithin strahlen, das neben dem ihres Gemahls ruhende Irdische der Großherzogin Maria Paulowna, Großfürstin von Rußland (starb 1858), der erhabenen Gönnerin und Pflegerin der Kunst und Wissenschaft, die jahrelang noch die weimarische Glanzzeit gesehen und zu ihrer Förderung und Verbreitung so Manches beigetragen hat. Zur Einzugs- und Vermählungsfeier der hohen Frau in Weimar dichtete Schiller bekanntlich seine herrliche „Huldigung der Künste“. Der so begrenzte Blick wird aber festgehalten von jenem massiven Gebäude, dem denkwürdigen Todtentempel, in dessen dem Tageslichte verschlossenen Hallen ein ewiges Schweigen herrscht, und die doch so laut und beredt erzählen von vordem hochgestellten Menschen, die, als sie noch dem vollen Leben angehörten, durch die irdische Gewalt, die in ihre Hände gelegt war, und durch ihr ausgebreitetes Wirken über die gewöhnliche Menge weit hervorragten.

Aber auch von Herrschern im Reiche des Geistes wissen sie zu berichten, deren wunderbare Macht einen bestimmenden Einfluß auf die Bildung und Gesittung der Welt ausübte und auf Jahrhunderte hinaus behaupten wird. Unter jenen fürstlichen Häuptern befinden sich gefeierte Namen, vor allen der eines Karl August (starb 14. Juni 1828), dessen Bedeutung zu schildern wir viel zu spät kommen würden. Aus seinem von zwei Gebrüdern Straube, die der Fürst hatte ausbilden lassen, kunstvoll gefertigten Zinnsarge treten uns die Worte entgegen: Tapfer und weise, gerecht und milde. Ihm zur Seite ruht seine Gemahlin Luise (starb 1830), der Schutzgeist von Stadt und Land in schwerer Zeit (1806), und sein Sohn Karl Friedrich (starb 1853), einer der gütigsten und edelherzigsten Fürsten Weimars.

Um in die Gruft zu gelangen, betritt man, nachdem von der Allee aus eine breite Freitreppe erstiegen ist, durch die Eingangspforte des Gebäudes zunächst die „Capelle“, welche zur Abhaltung von Leichengottesdiensten dient, und in deren Mitte die Oeffnung zum Hinablassen der Särge sich zeigt; von da zur Linken führt eine Treppe in das Gewölbe selbst hinab. Diese Todtenstätte ist nun auch das Heiligthum, welchem aus Karl August’s Anordnung die Ueberbleibsel seiner zwei Dichter, Schiller und Goethe, übergeben worden sind, „einstweilen“ nur, wie er dies zunächst in Bezug auf Schiller’s „Relicten“ in einem Handbillet an Goethe vom 24. September 1827 hervorhob, auch an die Landesdirection verfügte, bis ein für Beide später auf der Anhöhe des neuen Friedhofs zu errichtendes gemeinsames Grabmonument, wie es der Bürgermeister Schwabe dem Großherzoge vorgeschlagen hatte, hergerichtet sein würde. Die Ausführung des schönen Gedankens, den auch Goethe günstig aufnahm und zu dessen Verwirklichung er schon einleitende Schritte gethan hatte, scheiterte, man weiß nicht recht an welcher Klippe. Für Schiller’s Gebeine, die von Goethe aufgefunden, unter Beihülfe von Fachmännern zusammengesetzt und dem Schädel angefügt worden waren, ward, um sie der fürstlichen Gruft einzuverleiben, ein angemessener Sarkophag gefertigt und derselbe am 16. December 1827 in feierlicher Morgenstille von der großherzoglichen Bibliothek aus nach dem Friedhofe gebracht. Fünf Jahre darauf folgte Goethe seinem Freunde in dieselben Räume nach. Dort in dem Todtengewölbe der fürstlichen Personen, links vom Eintritt in dasselbe, ruhen denn die Beiden neben einander, jeder in einem auf steinernen Postamenten stehenden Zinnsarge mit einem Futteral von gebeiztem Eichenholze; an den Seitenwänden der Särge liest man die in Metall gegossenen Namen der Dichter; ganz in deren Nähe schläft eine im Jahr 1858 in noch nicht vollendetem achtem Lebensjahre verstorbene Tochter des jetzt regierenden Großherzogs.

Vom Plateau und den Stufen der Fürstengruft aus halten wir Ueberschau über die Gräber einer Anzahl anderer Schläfer, viele unserer vollen Beachtung werth. Auf der rechten Seite vom Eingange zum Friedhofe her, dicht beim Eintritt in die andere Abtheilung desselben, stoßen wir auf das von Schardt’sche Familienbegräbniß; in ihm befindet sich neben zwei anderen der Sarg der Frau Charlotte von Stein, gebornen von Schardt (starb 1827), Goethe’s berühmter Freundin, die, obwohl mehrere Jahre älter als er, ihn länger als irgend eine der Frauen, die seinem Herzen theuer waren, zu fesseln wußte. Zu bedauern ist

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 549. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_549.JPG&oldid=- (Version vom 3.8.2020)