Seite:Die Gartenlaube (1873) 571.JPG

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

Ein Nest russischer Bettler in Riga.
Originalzeichnung von Ludwig Löffler.


Alles für leere Einbildungen und Lügen, so wahnsinniges Zeug aber, wie in dem 1872 gedruckten Buche des Professor Dr. Perty in Bern, habe ich in keinem dieser Berichte gefunden. Der gelehrte Rector der Stiftsschule zu Gandersheim, Christian Harenberg, ist der einzige unter den mir zu Gesicht gekommenen Autoren, welcher mit Nachdruck darauf hinweist, daß der amtliche Bericht selber den Schlüssel zur Erklärung des Sterbens der siebzehn Personen zu Meduegia enthält, indem er es auf den Genuß des Fleisches von Thieren zurückführt, die an einer herrschenden Seuche crepirt waren.

Einen ganz entsprechenden Fall berichtete vor einiger Zeit die Temesvarer Zeitung aus dem Jahre 1873, von welchem man glauben möchte, die Buchstaben der Jahreszahl seien durch ein Versehen des Setzers so zusammengefügt und sollten eigentlich 1738 heißen. In der Gemeinde Belotincz war nämlich die Cholera ausgebrochen und hatte bereits zahlreiche Opfer gefordert, so daß die Einwohner dieses Fleckens sehr bestürzt waren und in ihrer Furcht vor der Seuche ihre Zuflucht zu allerlei abergläubischen Mitteln nahmen. Als dieselben nichts fruchteten, beschloß man, zu dem energischen, vor hundertundfünfzig Jahren in diesen der serbischen Grenze nahen Gegenden oft bewährten Mittel seine Zuflucht zu nehmen. Die Einwohner von Belotincz gruben nämlich aus dem Kirchhofe elf Leichen von an der Cholera verstorbenen Personen aus, ließen dieselben durch einen gemietheten „Hexenmeister“ öffnen und ihnen die Herzen herausnehmen, über welche der Zauberer dann allerhand wahnsinnige Beschwörungsformeln sprach. Hierauf vertheilte er die Herzen unter die Bewohner als Mittel gegen die Cholera. Sie sollten natürlich genossen werden. Die Gemeinde Petirs, wo ebenfalls Cholerafälle vorgekommen waren, hörte von dieser Geschichte und dingte denselben Hexenmeister für dasselbe abgekürzte Verfahren mit ihren Cholera-Vampyrs; zum Glück erfolgte jedoch die Verhaftung desselben, bevor er in Petirs seine Kunst üben konnte.

Das Wenige, was die Naturwissenschaft zur Vampyrsage zu bemerken hat, werden wir in einem Schlußartikel zusammenstellen.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 571. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_571.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)