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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


auf das bei uns in höchster Blüthe stehende dramaturgische Räuberthum, als Herman Schmid in Nr. 28 unseres Blattes ausdrücklich gegen eine Dramatisirung seiner Novelle „Der Loder“ Protest einlegte. Ist nun, Dank unserer leider noch immer ungeordneten Gesetzgebung über geistiges Eigenthum, die Frage über die Befugniß der Dramatisirung von Novellen juristisch auch heute noch eine offene, so darf doch behauptet werden, daß die öffentliche Moral längst dahin entschieden hat, daß eine Aneignung fremder Geistesproducte, wie eine solche in dem erwähnten Falle vorliegt, in das Gebiet der allergewöhnlichsten und unverschämtesten literarischen Wegelagerei gehört.


Nach Ungarn weiter hinein wanderte gegen Ende September 1868 ein Trüppchen Deutscher aus der erzherzoglichen Maschinenfabrik in Ungarisch-Altenburg, wo sie bis dahin gearbeitet; darunter befand sich auch der Schlossergeselle Karl August Büttner aus Deuben bei Dresden, jetzt dreiundzwanzig Jahre alt, der seitdem für seinen bekümmerten Vater völlig verschollen ist. Vielleicht giebt es für Diesen noch eine beruhigende Kunde.



Kleiner Briefkasten.


K. in L. Leider sind wir auch heute nicht in der Lage, Ihnen eine bestimmte Zusage geben zu können. E. Marlitt, deren Erzählung Sie und viele Andere mit Spannung erwarten, fühlt sich durch ein betrübendes Familienereigniß seit langen Wochen bereits so schwer bedrückt, daß es ihr durchaus unmöglich ist, an der längstbegonnenen Erzählung weiter zu arbeiten. Sie selbst schreibt uns Ende August darüber: „In Bezug auf meine Erzählung muß ich – so peinlich mir auch diese meine Unzuverlässigkeit ist – abermals um Aufschub bitten. Ich bin außer Stande, den von mir selbst festgestellten Ablieferungstermin einzuhalten; ich kann nicht schreiben und fühle mich im Augenblick geradezu unfähig, den Gang der Erzählung wieder aufzunehmen, den das schwere Erkranken und der Heimgang eines theuren Familiengliedes so jäh unterbrochen hat. Haben Sie Geduld mit mir – ich werde mich redlich[WS 1] bemühen, die nöthige Fassung möglichst bald wieder zu gewinnen.“ –

M. in Berlin. Zu einer nochmaligen Abbildung der Siegessäule, die wir bereits in Nr. 3 des Jahrgangs 1872 veröffentlichten, können wir uns doch nicht entschließen, auch wenn in der damaligen Zeichnung die Figur der Siegesgöttin nicht ganz correct war. Es wird indeß in der übrigen illustrierten Presse an Abbildungen nicht fehlen.



Auch ein Geschädigter unseres Kriegs.

Der Aufruf zu einer „Ehrengabe für einen deutschen Dichter“, mit welchem die Unterzeichneten am 10. Mai 1870 vor die Leser der Gartenlaube getreten sind, muß, als ein durch die Donnerstimmen des Krieges übertäubter und aus dem Gedächtnisse der Gegenwart verdrängter, nun im ruhmvollst errungenen Frieden von Neuem erlassen werden.

Es gilt dem verdienstvollsten vaterländischen Lustspieldichter der neuesten Zeit. Roderich Benedix vollendet am zwölften Januar 1874 sein dreiundsechszigstes Jahr und feiert zugleich sein vierzigjähriges Dichterjubiläum. Nahe an hundert Stücke sind in dieser Zeit aus seiner rastlosen Feder geflossen; an Tausenden von Theaterabenden haben Hunderttausende an den erquickenden Gebilden seines Geistes sich gelabt, und noch vergeht keine Woche, wo nicht deutsches Publicum im Theater einem Benedix’schen Stücke lauscht. „Wie muß dieser Dichter verehrt und glücklich sein!“ werden unsere Leser denken. Aber hat man denn wirklich im Publicum schon danach gefragt? Ist das überhaupt Sitte in Deutschland? Wir wollen annehmen, die Frage sei gethan; so erfolge denn auch die Antwort.

Roderich Benedix, der den Ehrentitel unseres dramatischen Volks- und Familiendichters verdient, hat aus reiner Liebe zu seiner Kunst und zu seinem Volke auf diesem Felde dichterischer Thätigkeit zu einer Zeit sein Bestes geschaffen, wo der Lohn dafür noch eben so gering als unsicher war, wo kein Gesetz ihn schützte, wo der deutsche Dramendichter so oft am Hungertuche nagen mußte, während seine Kunstgenossen in Frankreich und England Reichthümer erwarben. So war es auch Roderich Benedix nicht möglich, mit seinen besten Schöpfungen sich einen Nothpfennig für die alten Tage zu erringen, und jetzt, wo auch in Deutschland bessere Zeiten für den Dramendichter anbrechen, kommen sie für ihn zu spät.

Rastlos schuf der fleißige Dichter mit dem fruchtbaren Geiste noch so lange, als er es vermochte. Die Ueberanstrengung hat schon mehrmals durch Schlaganfälle sich gerächt, und nun liegt das greise Haupt schon seit sieben Monaten auf dem Krankenbette; die Hälfte des Körpers ist gelähmt; jeder Versuch zur Arbeit erfordert die äußerste Anstrengung – und zu alle diesem Leid der Gegenwart tritt noch der sorgenvolle Blick in die Zukunft.

Das ist „der verehrte und glückliche Dichter“! – Sollten unsere Leser an die Frage denken: „Aber wozu ist denn die Schiller-Stiftung da?“ so erlauben sie uns die Gegenfrage: „Wo sind denn in Deutschland Diejenigen, welche durch Schenkungen und Vermächtnisse das Vermögen der Schiller-Stiftung vermehren und auf eine Höhe bringen könnten, welche diese fähig machte, nicht blos der Schriftstellerarmuth genügend zu wehren, sondern auch Mittel zu Ehrengaben für wahres Dichterverdienst zu besitzen?“

So lange wir noch nicht in so schönen Zeiten leben, sind wir darauf angewiesen, zu Ehren-Dotationen für die verdienten Männer des Volkes aufzurufen und zu sammeln. Und dies geschieht hiermit für unsern Roderich Benedix! Die Unterzeichneten erwarten, daß die deutsche Nation sie in den Stand setze, unserm Dichter zu seinem dreiundsechszigsten Geburtstage und vierzigjährigen Dichterjubiläum eine Ehrengabe zu überreichen, die des Dichters und der Nation würdig ist.

Die Redactionen der „Gartenlaube“ und der „Illustrieren Zeitung“ sind bereit, jeden Beitrag in Empfang zu nehmen und zu quittiren.

Leipzig, August 1873.

General-Director Dr. Eduard Devrient in Carlsruhe. Alphons Dürr. Adolph Focke. Stadtrath Dr. Günther. Dr. Friedrich Hofmann. Hofrath Dr. Hoffmann, Ritter etc. Ernst Keil. Bürgermeister Dr. Koch, Ritter etc. Director Dr. Heinrich Laube in Wien. Hugo Scharff. Geheimrath Prof. Dr. von Wächter, Großkreuz etc. Stadtrath Franz Wagner. Consul J. J. Weber.


Dem Obigen hat die unterzeichnete Redaction hinzuzufügen, daß die Sammlungen für den Dichter-Ehrenlohn zu Gunsten unseres Roderich Benedix im gedeihlichsten Flusse waren und uns das erfreulichste Resultat erhoffen ließen, als, kaum zwei Monate nach der beginnenden Wirksamkeit des Ausrufs, unser Krieg mit Frankeich jede Herzens- und Geistesrichtung an sich und in dem großen Sturm jener Tage mit fort riß. Kaum aber hatte der Friede die Wiederkehr zu den alten Freuden und Leiden gestattet, so brach das Unglück über unsre Ostseeküsten herein und auch dieser Jammer mußte erst gestillt sein, ehe wie wieder an das Schicksal eines Dichters denken durften. Und dieses Schicksal ist ein härteres geworden, als je, und fordert nun dringend zur Hülfe auf. Darum brauchen wir Das nur zu wiederholen, was wir beim ersten Aufrufe zugesagt:

Ueberzeugt von der Opferwilligkeit unserer deutschen Hof- und Stadttheater, die gewiß jetzt diese Gelegenheit gern ergreifen werden, der Ehrenpflicht der Dankbarkeit gegen den dramatischen Volksdichter durch Benefiz-Vorstellungen nachzukommen, wenden wir uns zuvörderst an alle die einzelnen Theaterbesucher, welche seit langen Jahren sich an den lebensfrischen Gestalten der Benedix’schen Muse erfreuen und unter Thränen echten Humors das helle Lachen fröhlicher Heiterkeit aufschlagen konnten. Mögen sie, wie es das Comité will, dem alternden unbemittelten Dichter, der ihnen so oft eine Freude gemacht, durch Beisteuern zu der Ehrengabe nun auch eine Freude zu bereiten suchen.

Daß auch die deutschen Sänger und Sängervereine, deren Ehrenpräsident unser Benedix ist und die er so oft durch seine markigen Reden zur Begeisterung hingerissen, nicht zögern werden, ihren stürmischen Zustimmungen und Becherklängen jetzt auch die That folgen zu lassen, jetzt, wo es gilt, dem dreiundsechzigjährigen Greise zu den Lorbeeren vergangener Tage nun auch die Rosen eines sorgenfreien Lebensabends hinzuzufügen – das darf von uns mit Sicherheit vorausgesetzt werden. Deutsche Sänger haben ja nie gefehlt, wo es sich darum handelte, die beunruhigende Sorge von der Thür zu scheuchen – die Lieder zu Ehren ihres Präsidenten werden doppelt kräftig zum Himmel auftönen.

Und schließlich wenden wir uns an alle die Dilettanten- und Liebhabertheater, deren theatralischen Zwecken ja vorzugsweise die poetischen Schöpfungen unseres Dichters gedient haben; mögen sie durch Aufführungen und Festvorstellungen zu Gunsten des Dichters in Etwas den Lohn abzutragen suchen, den die Verhältnisse in Deutschland dem schaffenden Bühnendichter versagten. Sie erfüllen damit nur eine Pflicht der Anerkennung und des Dankes.

Die Redaction der Gartenlaube sieht abermals in freudiger Hoffnung den Resultaten des obigen Aufrufs entgegen und wird Dotationsbeiträge gern annehmen und öffentlich quittiren.

Die Redaction der Gartenlaube.
Ernst Keil.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: endlich; vergl. Berichtigung (Die Gartenlaube 1873/40)
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 622. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_622.JPG&oldid=- (Version vom 6.1.2019)