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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


Hündinnen. Dazwischen stolperten und kugelten sich die jungen Hunde herum, sich selbst und den anderen, auch uns, fortwährend im Wege mit dem tölpischen blinden Darauflosrennen ihrer ungehobelten Jugend.

Als nun alle diese Begrüßungen zur Genüge ausgetauscht waren und die Hunde mehr anfingen, sich ihrer Kraft und Freiheit zu erfreuen und herumzuspringen, schien es Herrn Bergmann Zeit, ihnen noch mehr Raum zu schaffen. Die Thür zum Gras- und Obstgarten wurde geöffnet, und – ein neues prachtvolles Bild – mit gewaltiger Kraft sich gegenseitig wegdrängend und überspringend, suchten alle mit freudigem Gebell die Freiheit im Grünen zu gewinnen, wo ein rechtes Austummeln erst möglich war. Cäsar selbst, bisher der Gemessene, durch Kraft und Größe den Andern überlegen, brach sich Bahn durch alle und war einer der Ersten im Grünen, und nun begann das fröhliche Getümmel dieser schönen Gestalten, fast jeden Augenblick sich anders gestaltend. Hier jagten sich einige herum, mit langgestreckten Sätzen in wenigen Augenblicken die ganze Länge des Gartens durchmessend; dort spielten andere, sich im hohen Grase wälzend und gegenseitig überstürzend; anderswo saß hingegen Cäsar, im Gefühle, um nicht zu sagen Bewußtsein, seiner Würde sich von solchem leichtsinnigen Treiben fernhaltend, aber wiederum geliebkost von der oder jener Hündin.

Der Leser wird schon errathen haben, daß das Herauskommen aus dem Zwinger auf dem Bilde dargestellt ist; nur schlug ich zu diesem Zwecke noch vor, irgend ein Hinderniß zu errichten, über welches nach Oeffnung der Thür die Hunde springen müßten, und dies gelang vollkommen. In prachtvollem Schwunge und mit offenbarer Freudigkeit über diese Bethätigung ihrer Kraft übersprangen die Hunde dichtgeschaart die vortrefflich angebrachten Knüppel, gleich einer Gruppe Wettrenner, welche ein Hinderniß „nehmen“, und eine lebendigere Scene konnte daher kaum gewünscht werden.

Wie war es möglich, diese Scene zu malen? Diese Frage wird bei Vielen auftauchen und ist auch schon gestellt worden. Sie soll daher in aller Kürze hier beantwortet werden. Zuerst mußten eben stundenlang die Hunde zusammen die Sprungübung machen, damit man sich eine Vorstellung von der möglichst günstigsten Auffassung und Gruppirung bilden konnte. Nachdem dies geschehen und die Vertheilung der einzelnen Hunde auf dem Bilde festgestellt und skizzirt war, mußte jeder Hund einzeln springen und wurde dabei gemalt, d. h. die Stellung und Haltung beim Springen mußte im Umrisse nach schneller Beobachtung des springenden Thieres erfaßt werden; die eigentliche Ausführung geschah aber nach dem ruhig dastehenden Thiere, welchem dabei die einzelnen Glieder nach Bedarf gehalten wurden. Die Sache war also sehr einfach.

Und nun mögen mir die vierbeinigen Schönen erlauben, daß ich sie dem geneigten Thierfreunde einzeln vorführe. Da ist vor Allem Minka, die erste und bevorzugteste Stammhündin, welche, wie schon gesagt, mit Cäsar allein den vordern Hof bewohnt und sich dieser Bevorzugung, wie es scheint, als vollberechtigt sehr wohl bewußt ist.

Ist z. B. eine der anderen Hündinnen in ihrer Hütte gewesen oder gar vorübergehend hineingesperrt worden, so weigert sich Minka stets entschieden, wieder hineinzugehen, und kann nur mit dem größten Ernste dazu gezwungen werden. Vor einiger Zeit, als eine ähnliche Entweihung geschehen und sie, da sie im Begriff war, Junge zu bekommen, in die geräumige Hütte nebst Vorraum gesperrt worden war, zerbrach sie in der Nacht nicht durch Durchfressen, sondern durch Anstemmen mit aller Kraft die drei und einen halben Centimeter starken Latten ihres Vorraums und lag früh, als sie entdeckt wurde, mit einem bereits geborenen Jungen in der Aschengrube des Hofes, welche ihr gewiß nicht bequemer, aber unentweihter erschienen war. Jetzt wurde ihr das Junge genommen und in die Hütte zurückgetragen, so daß sie nothgedrungen folgte, aber nur so lange sie bewacht wurde, blieb sie in dem verhaßten Raum, und im ersten freien Augenblick war sie, eins der nachgekommenen Jungen im Maul, bestrebt wieder zu entweichen.

Das Durchbrechen der Thüren scheint für Minka etwas Selbstverständliches zu sein; als ihr von den Jungen die Weibchen entrissen wurden, um, wie dies üblich, getödtet zu werden, hatte sie sehr bald ausgekundschaftet, wo die kleinen Leichen gelegen, denn fast drei Wochen lang sprengte sie die immer von Neuem reparirte Thüre des Hofschuppens auf, um genau an der Stelle, wo ihre Kinder gelegen, tiefe Löcher in den Boden zu wühlen und nach denselben zu suchen. Solche Macht der Mutterliebe hat selbst bei den Thieren etwas Tiefrührendes.

Da Minka bisher als einzige Hündin Jahre lang dort gelebt hatte, so machte es ihr gar keine Freude, als auch andere einzogen und sogar, wie sie, Mutterfreuden erlebten. Mit Neid blickte sie auf deren Nachkommenschaft und hätte sie am liebsten verjagt. Da dies aber doch nicht ging, so suchte sie sich wenigstens die Oberherrschaft zu bewahren, was ihr vollständig gelungen ist; alle müssen sich ihr fügen; selbst die noch zu erwähnende halbwilde Blanca mußte nach monatelangem Hader und Kampf Minka’s Pantoffelherrschaft doch zuletzt anerkennen. – Die Farbe Minka’s ist erbsfarbig, nur die Pfoten sind weißlich. Auf Rücken und Schweif sind die Haarspitzen schwarz. Auf dem Bilde ist sie neben Cäsar nur mit Kopf und Vordertheil sichtbar.

Die langlockige, corpulente Gestalt links unten auf dem Bild trägt den Namen Diana; sie ist selbstgezogen, also echt Waldheimer Blut. Ein lichtes mattes Gelb ist, fast ohne weitere Abzeichnung, die Farbe des reichgelockten, weichen Felles, und besonders schön ist die feine Form ihres Kopfes.

Neben Diana ist auf dem Bild die jüngere Juno dargestellt, auch selbstgezogen und zur Zuchthündin ebenfalls bestimmt, aber noch nicht verwendet. Sie erinnert durch Farbe, Gestalt und erstaunliche Größe außerordentlich an Cäsar, ist aber noch ungeschliffen im höchsten Grade. Als Springerin alle anderen Hündinnen weit übertreffend, flog sie stets, allen voran, in einem ganz flachen Bogen über die Knüppel – ein höchst eleganter Anblick. Nur Cäsar, wenn er mit der Haltung eines Löwen die Barrière übersprang, übertraf sie hierin. An Cäsar und Minka hängt Juno, wahrscheinlich weil sie selbst noch keine Kinder gehabt hat, mit großer Zärtlichkeit; sie vertheidigt die Letztere bei jeder Gelegenheit, und Cäsar’s Gewogenheit ist ihr Glück. Dahingegen ist sie von einer himmlischen Plumpheit beim Spazierengehen. Indem sie sich mit Cäsar herumhetzt, kommen die Vorübergehenden, auch ihr Herr und dessen Begleitung, stets in Gefahr, von ihr umgerissen zu werden, während Cäsar durch eine letzte Wendung dies stets vermeidet. Ohne es selbst zu merken, wirft sie im Vorübersausen dem neben ihrem Herrn Gehenden, und wäre es auch ein namhafter Photograph aus Dresden, den Regenschirm aus der Hand, und ist schon weit entfernt, wenn der zerbrochene Unglückliche aufgehoben wird. Der Kopf Juno’s ist durch seine Stärke mehr der eines Hundes, als einer Hündin, was auch theilweise die Ursache der großen Aehnlichkeit mit Cäsar bildet. Die Behaarung war zur Zeit des Malens gerade nicht sehr entwickelt, in der löwengelben Farbe der angehenden, schwarzendigen Locken aber auch bereits sehr cäsarisch. Die andern großen Hündinnen sind von auswärts an den großen Hundequellen bezogen, können aber leider aus Mangel an Raum nicht weiter besprochen werden.

Obgleich es eigentlich meine Absicht war, Nichts mehr über Cäsar zu sagen, so will es mir doch als ein Unrecht erscheinen, das neuerdings an ihm Beobachtete zu verschweigen. In der That, wenn man dieses Thier (und in anderen Fällen wohl ähnliche) mit Theilnahme beobachtet, so macht sein Benehmen, wenn man bestrebt ist, sich die Thierform hinwegzudenken, fast mehr den Eindruck eines edlen und energischen Menschen, als eines Thieres. Keine Spur von dem, was wir unter hündischem Wesen verstehen. Seinem Herrn durchaus folgsam, ist er doch weit entfernt von demüthiger Unterwürfigkeit, ja oft scheint es, als sei er ernstlich darauf bedacht, nur als der Freund seines Herrn, nicht aber als dessen Untergebener betrachtet zu werden.

Beim Baden umkreist er seinen schwimmenden Herrn fortwährend, er badet also „mit ihm“, und auf dessen Ruf: „Cäsar, hol’ mich!“ schwimmt er sofort heran, und zieht denselben, wenn er sich im Fell des stierartigen Nackens festhält, ohne Schwierigkeit an’s Ufer. Auch Juno hat, von Cäsar dabei aufmerksam beobachtet, dieses Stück bereits einmal ausgeführt, aber mit großer Anstrengung; bei ihr, als Dame, immerhin höchst ehrenwerth. Es ist überhaupt ein Genuß, Cäsar einer reißenden Strömung entgegenschwimmen zu sehen. Beim Besuch der Nixenkluft, einer höchst romantisch gelegenen schönen Höhle unmittelbar an der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 652. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_652.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)