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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

No. 45.   1873.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 16 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Das Ende vom Liede.
Eine Berliner Geschichte von Albert Moedinger (Max Alt).
(Fortsetzung.)


3.

Einige Wochen später (es war über die Medaille noch nichts entschieden und die Aussichten waren meiner Meinung nach verzweifelt dürftig), einige Wochen später tauchte das Gerücht auf, daß die Firma „Friedrich Mannstein’s Gummiwaarenfabrik“ fallirt habe. Es bestätigte sich nur zu bald durch die öffentliche Bekanntmachung des Concurses. Natürlich kam Robert Fürst zu mir und war sehr erregt über die Nachrichten, die er mitbrachte.

„Sie haben ihn tüchtig heranbekommen, den armen Eduard,“ sagte er; „nicht etwa, daß er Geld in das Geschäft gegeben hätte, das er verliert, nur insofern, als er jetzt sicher ist, keinen Pfennig von der in Aussicht gestellten Mitgift seiner Frau zu erhalten.“

„Nun, das ist ein Unglück, für das Niemand kann,“ sagte ich beschönigend; „und er wird es tragen müssen.“

„Er wird es tragen müssen, gewiß,“ fuhr Robert Fürst fort, „und es wird ihn nicht umbringen. Aber glauben Sie, daß sehr viel Tröstliches für ihn in der Entdeckung liegen wird, daß das brave Haus schon bankerott war, als wir jene Hochzeit mit dem Couvert zu drei Thaler und allem sonstigen unnützen Luxus feierten?“

„Aber das wäre ja fast Betrug!“ antwortete ich zweifelnd.

„Es ist Betrug,“ fuhr der Schöngeist erregt fort; „ganz beweisbarer Betrug, gegen ihn wenigstens. Sie haben ihm eine Falle gelegt, und er ist einfältig genug gewesen hineinzugehen.“

„Glauben Sie, daß er sie des Geldes wegen geheirathet hat?“

„Gewiß nicht, aber Geld verdirbt nie etwas, selbst die beste Sache nicht. Sie haben ihn getäuscht, schlau getäuscht, und ich bin überzeugt, daß der adelige Artilleriehauptmann nicht daran gedacht hat, sie heirathen zu wollen. Es war nur eine für meinen schönen Vetter berechnete Attrape.“

„O, o!“ mußte ich lachen; „Sie gehen wieder zu weit. Glauben Sie, daß diese jedenfalls nicht angenehme Entdeckung Einfluß haben wird auf das Verständniß Ihres Vetters zu seiner Frau?“

„Was ist da noch viel Einfluß nöthig?“ sagte der Schöngeist, mit den Achseln zuckend; „von Seiten der Geldfrage glaube ich nicht. Eduard hat sehr viel Glück gehabt in seinen Unternehmungen und wird in kaufmännischen Kreisen für sehr ‚fein‘ gehalten. Das Geld würde er gern entbehren, wenn er damit den Schein des Dupirtseins von sich abwenden könnte. Wenn ich ihn richtig beurtheile, so wird er in der nächsten Zeit sich mehr als je mit seiner Frau zeigen und sie auffallend artig und liebevoll behandeln. Lassen Sie sich durch diese Veränderung nicht täuschen; es geschieht nur, um jenen lächerlichen Schein von sich abzuwenden. Der Zwang, den er sich auf diese Art der Welt gegenüber auferlegen muß, wird eine Reaction in seinem Betragen ‚zu Hause‘ naturgemäß hervorrufen, und ich glaube nicht, daß der häusliche Friede dabei besonders gewinnen wird.“ –

Der Schöngeist schien ein recht guter Menschenkenner zu sein, denn seine Vorhersagungen trafen auf den Buchstaben ein. Eduard trug den „Schlag“ mit großer Resignation und nichts deutete darauf hin, daß er die Nebenumstände aus jenem für ihn unangenehmen Lichte betrachte. Zum Glück war das eigene Vermögen der Frau Mannstein für sie und ihre noch unversorgten Kinder ausreichend. Es waren ein paar große Festlichkeiten in seinem Hause, bei denen die junge Frau sich wieder von ihrer vortheilhaftesten Seite zeigte. Es sollte nicht lange währen.

Die einzige Leidenschaft, welche Eduard hatte, war das Billardspiel, und da er das Wirthshaus nicht liebte, hatte er in seinem Hause dafür Sorge getragen, ihr fröhnen zu können. Es war ein Tag in der Woche festgesetzt, wo seine Freunde bei ihm zusammenkamen, um ein paar Partien Boule zu spielen. Die junge Frau war an diesem Tage regelmäßig in ihrer Familie; die Männer blieben unter sich, und es wurde um neun Uhr kalt gespeist und Bier dazu getrunken. Diese Abende waren natürlicherweise sehr lustig und es wurde an ihnen manch tüchtiges Gelächter erweckt, das nie an den Tag gekommen sein würde, wenn die Herren nicht „unter sich“ gewesen wären. So war es an dem Abend, der ein neues Licht in das geheimnißvolle Dunkel des Verstecks werfen sollte, in das sich das Ungethüm, die Schlange, schon so lange zurückgezogen hatte. Robert Fürst war sehr ausgelassen; die Nase juckte ihm fortwährend, und er knüpfte daran, daß ihm der Sage nach aus diesem vulgären Umstand „etwas Neues“ kommen müsse, ein paar kleine Berichte von Erlebnissen, die er bei derselben Gelegenheit gehabt hatte. Sie waren sehr komischer Natur, riefen große Heiterkeit hervor und die Zeit zur Abendmahlzeit war auf diese Art schneller herangekommen als sonst. Die Boule war zu Ende, und als wir in das Speisezimmer traten, fanden wir zwar den Tisch gedeckt, aber nichts

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 723. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_723.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)