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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


ihm befreundet blieb, ihn nie aus den Augen ließ und selbst unterstützte, seit er seine Güter angetreten hatte. Der frühere Kuhjunge bewahrte aber auch der Miltitz’schen Familie eine unauslöschliche Dankbarkeit. Er hieß – Johann Gottlieb Fichte.

Nächst Haubold von Miltitz gehört zu den hervorragendsten Repräsentanten der Familie ein Mann von seltenen Gaben, der oben bereits als Schöpfer des Parkes zu Siebeneichen erwähnte Dietrich von Miltitz. Wir überspringen alle Privat- und Familienverhältnisse desselben und eilen jener großen Zeit zu, da jedes Patrioten Herz die schwersten Sorgen belasteten. Die Knechtschaft, in der das große deutsche Vaterland unter französischem Joche seufzte, und dabei die Versunkenheit des kleinen sächsischen Vaterlandes bewegten Dietrich von Miltitz auf das Schmerzlichste und nahmen einen großen Theil seiner Thätigkeit in Anspruch. Der wärmste Vaterlandsfreund, gesellte er sich jenen Deutschen zu, die anfangs zwar nur im Geheimen arbeiteten, sich aber später offen durch Rath und That, zuletzt durch Opfer aller Art, ja durch Hingebung von Blut und Leben um die Befreiung des Vaterlandes Verdienste erwarben und in unvergänglichem Glanze vor ihrer Nation dastehen. Männer, wie Pfuel, Kleist, Carlowitz, Thielemann, Fichte, Kielmannsegg, Körner, Vater und Sohn[1], De la Motte-Fouqué, G. Geßler und Andere, waren seine Freunde und fanden zu Siebeneichen ein Asyl für ihre stille politische Thätigkeit gegen Napoleon. Wissenschaftliche, in Gemeinschaft betriebene Arbeiten liehen hierzu den so nöthigen Deckmantel.

„Es giebt ausgezeichnete Menschen,“ sagt Adolf Peters, der Biograph Dietrich’s von Miltitz, „deren schöpferische Thätigkeit sich nicht nach augenscheinlichen Ergebnissen messen, nicht in einer Reihe glänzender Einzelthaten aufzählen läßt, wohl aber, wenn auch im Stillen, doch nachweisbar, die große Summe weltgeschichtlicher Entwickelungen bilden hilft. Zu diesen gehörte General Dietrich von Miltitz.“ Wem aber dieses Urtheil noch nicht vollwichtig und maßgebend genug erscheinen dürfte, dem citiren wir eine Stelle aus einem Briefe Stein’s an die Gräfin Reden, welche lautet: „Ich freue mich sehr, daß O. (damals Obrist) Miltitz Ihre Bekanntschaft gemacht hat. Er besitzt den edelsten Charakter, den er in dem verhängnißvollen Jahre 1813 bewährte, wo er im März und in den unmittelbar folgenden trüben Tagen Gut und Blut freudig für die gute Sache einsetzte und 1814 sehr wohlthätig durch Einfluß und Beispiel auf sein Vaterland einwirke, und er gehört zu denen sehr wenigen, die sich ohnverändert tüchtig, rein und edel bewährten. Versichern Sie ihn, meine vortreffliche Freundin, ich bitte Sie, meiner höchsten Achtung und Freundschaft“ (vom 7. Januar 1817). Im April dieses Jahres wurde von Miltitz General, und Stein fügt im Herbst desselben Jahres in einem zweiten Briefe an dieselbe Freundin noch die bekräftigende Aeußerung hinzu: „General Miltitz ist einer der edelsten vortrefflichsten Männer, die ich in meinem ziemlich erfahrungsreichen Leben kennen lernte.“

Die militärische Wirksamkeit Dietrich’s begann mit der schwierigen Aufgabe einer Mittelsperson zwischen der feindlichen Armee und der von den Durchmärschen betroffenen sächsischen Bevölkerung, wobei er sogar einmal gegen den Herzog von Braunschweig-Oels den Degen zog, als dieser sich allzu hart gegen die Sachsen aussprach. Doch der edle Braunschweiger, in Miltitz den deutschen Patrioten hoch achtend, reichte ihm versöhnlich die Hand. Im Anfang des Jahres 1813, als die Vorhut der befreienden Preußen und Russen sich Dresden näherte, sprach sich von Miltitz, wohl wissend, daß es sich hierbei um sein persönliches Sein oder Nichtsein handelte, rücksichtslos für die gute Sache aus und widmete ihr allein seine Kräfte. Mitten in den Zwiespalt zweier großer menschlicher Pflichten gestellt, fühlte er sich durch Gesinnung und ihm heilige Ueberzeugung getrieben, der Pflicht für das große Vaterland den Vorrang zu geben vor der Obliegenheit für das kleinere, und schuf deshalb seine sächsische Zwischenstellung mehr und mehr zu einer deutschen Sonderstellung um, während König und Heer noch in französischen Reihen fochten. 1814 führte von Miltitz nächst dem General Carlowitz das Banner der freiwilligen Sachsen. Als Gouvernementsrath reiste er zweimal nach Wien, um durch Denkschriften und Vorstellungen die drohende Zerstückelung Sachsens abzuwenden, und als im Februar 1815 der Congreß die Theilung Sachsens aussprach, kam von Miltitz sofort um seinen Abschied ein und trat als Oberst in preußische Dienste. 1830 nahm er als Generallieutenant seinen Abschied.

Der Geist dieses ausgezeichneten Mannes und Patrioten lebt in den Söhnen fort, und seine Spuren finden sich noch in den schönen Räumen Siebeneichens. Selbst den Park durchweht noch heute dieser Geist, denn jene bronzene Säule mit dem Adler wurde erst vor zwei Jahren „den siegreichen deutschen Kriegern errichtet“, unsern Wächtern am Rhein.




Der Neujahrstag in Amerika.
Von George Stein.


Unaufhörliches Knattern und Dröhnen explodirender Feuerwerkskörper, ohrenbetäubendes Donnern von Kanonenschlägen und dazwischen das laute und lustige Schreien, Lachen und Jubeln Jung-Amerikas – wir feuern heute den Vierten Juli, das größte amerikanische Fest, und nur wer, wie wir, das ganze Jahr hindurch tagaus tagein an den Pflug gespannt ist, fühlt es, welch ein Zauber in den Worten liegt: wir haben einen Feiertag!

Wie gut haben’s doch die Deutschen im alten Vaterlande! Ihnen hat ein freundliches Geschick außer den zweiundfünfzig Sonntagen des Jahres, die so fröhlich und heiter gefeiert werden, noch zwei Oster-, zwei Pfingst-, zwei Weihnachts- und einen Neujahrstag geschenkt, zu denen sie sich aus eigener Machtvollkommenheit in der Regel noch den dritten, respective den zweiten zulegen. Außerdem hat es ihnen, namentlich den Bewohnern des südlichen Deutschland, eine schöne Auswahl von Heiligen beiderlei Geschlechts gegeben, welche „glaubwürdigen Berichten zufolge“, wie die Zeitungen sagen, zum Wohle der sündigen Menschheit dieses irdische Jammerthal auf etwas ungewöhnliche Art mit einem besseren Jenseits vertauscht haben sollen, ein Verdienst, welches die frommen Deutschen dadurch gebührend anerkennen, daß sie an den Namenstagen dieser Heiligen möglichst gut und viel essen und trinken und sich nach Kräften amüsiren. Schließlich hat eine gütige Vorsehung in ihrer unerforschlichen Weisheit sie noch mit einem Landesvater oder doch mindestens mit einer Landesmutter beglückt, die, in der „guten alten Zeit“ wenigstens, mit den Heiligen auf einer Rangstufe standen und deren Geburtstage daher ganz so wie die Namenstage der Heiligen gefeiert zu werden pflegten und es vielleicht hier und da auch jetzt noch werden.

Nichts von Alledem hier in Amerika! Der Amerikaner will möglichst viel Geld verdienen oder „machen“, wie er sich ausdrückt, und arbeitet daher sechs Tage in der Woche so angestrengt, daß ihm der Sonntag ein willkommener Ruhetag, ein wahrer Sabbath ist, und das einzige Amüsement, welches er sich an demselben gönnt, in einem Gange zur Kirche besteht, ein Vergnügen, welches ihm der Deutsch-Amerikaner so herzlich gönnt, daß er, nur um ihn nicht darin zu beeinträchtigen, trotz aller Sonntagsgesetze noch immer ein grünes Plätzchen im Freien zu finden weiß, wohin er mit Weib und Kind wandert, um sich beim Genusse des vaterländischen Gerstensaftes und heimathlicher Lieder auf seine eigene Art und Weise zu erbauen. Der Irländer wandelt die goldene Mittelstraße und weiß das Nützliche des Amerikaners mit dem Angenehmen des Deutschen zu verbinden. Als guter Katholik besucht er am Sonntage zwar auch fleißig die Kirche, versäumt es aber niemals, sich bereits am Tage vorher mit der nöthigen und nicht zu knapp bemessenen Quantität

  1. Theodor Körner, damals auf der Bergakademie zu Freiberg, kam gewöhnlich in schwarzem Schnurrock mit der Guitarre nach Siebeneichen. Er wird von einem Augenzeugen als ein feuriger Bursche geschildert, mit schwarzem Haar, dunklen Augen und frühzeitigem Bartwuchs.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 767. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_767.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)