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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)


„Don Juan“, „Trajanus und Domitianus“, „Die Mordnacht in Aethiopien“, „Fanny und Durman“ (eine englische Geschichte) u. a. Der nun auch schon verstorbene Schütz war zuletzt alleiniger Besitzer dieser Bühne und spielte immer mit größtem Erfolge den durch alle Stücke gehenden und auch in einem eigenen Stücke („Kasperle und seine Familie“) verherrlichten lustigen Diener (vor Gottsched, der ihn unbarmherzig von der Bühne verbannte, „Hanswurst“ genannt) und zugleich die Haupthelden, wie Faust, Don Juan etc. Das Haupt- und Zugstück blieb aber immer Doctor Faust, wie wir es auch bei späteren bekannten Puppenspielern, wie Thieme, Eberle, Gebrüder Lorgin, sowie bei den gegenwärtigen Principalen Bonneschky, E. Wiepking, Schwiegerling, C. Dietrich u. A. finden.

Lange Zeit hindurch erfüllte das Marionetten- oder Puppentheater die Aufgabe, das dramatische Bedürfniß des deutschen Volkes zu befriedigen. Es ersetzte während des dreißigjährigen Krieges die Darstellungen der aus Deutschland verschwundenen englischen Schauspielertruppen und rettete in jener bedrängten Zeit das deutsche Drama vor dem gänzlichen Verfall und Untergang. Die früher von den Marionettenbühnen vorzugsweise aufgeführten und gerne gesehenen biblischen Stücke und Burlesken bezeugen, daß die Puppenkomödie es ist, welche die directe Erbschaft des geistlichen Schauspieles und der Fastnachtsbühne angetreten hat, und Stücke wie „Der Sündenfall“, „Goliath und David“, „Haman und Esther“, „Judith und Holofernes“, „König Herodes“, „Der verlorene Sohn“ etc. sind sicherlich unmittelbar von dem geistlichen Theater unter die Marionetten gegangen. Das übrige weltliche Repertoire bestand vorzugsweise aus den vorhin bereits genannten Stücken.

Wenn auch nicht alle, so doch wohl die besten der angeführten Puppenspiele sollen uns jetzt gerettet und durch den Druck bleibendes Eigenthum des deutschen Volkes und der Literatur werden. Es ist dies das Verdienst des kaiserlich russischen Concertmeisters außer Diensten Karl Engel in Dresden, eines Oldenburgers, den sein gründliches Studium der Faustsage und unermüdliches Sammeln der Faustliteratur – er hat eine „Bibliotheca Faustiana“ von nahezu achthundert Nummern zusammengestellt – naturgemäß auch auf das Sammeln der alten deutschen Puppenspiele lenkte. Theils auf stenographischem Wege, theils mit vieler Mühe direct aus den Händen der Puppenspieler, „als Heiligthum vermacht“, sind ihm eine Reihe alter Volksschauspiele zu eigen geworden, die er jetzt nebst seinem größeren Faustwerk im Verlage der Schulze’schen Buchhandlung in Oldenburg erscheinen lassen und damit der Oeffentlichkeit übergeben wird. Der regsten Theilnahme aller Freunde deutscher Dichtung und kernigen deutschen Humors kann er sicher sein.

A. Sch.

Die Procession am Fridolinstage. (Mit Abbildung, S. 759.) Joseph Victor Scheffel’s anmuthiger und naturfrischer Romanzencyklus „Der Trompeter von Säkkingen“ mit seinen gesunden und kernigen Gestalten, seinen lebensvollen Genrebildern aus Deutschland und Italien und seinen neckischen und launigen Liedern voll Humor und Witz ist längst ein Lieblingsbuch des lesenden Publicums geworden. Um so mehr darf ein Unternehmen freudig willkommen geheißen werden, welches sich die Aufgabe stellt, die trefflichen Charaktere und reizenden Gemälde, die der Dichter des „Trompeters“ uns vor die Seele führt, auch unserm sinnlichen Auge zu vermitteln. Der rühmlich bekannte Meister Anton von Werner, besonders durch seine Illustrationen zu Herder’s „Cid“ und Schiller’schen Dichtungen in weiteren Kreisen gefeiert, hat bereits früher die Scheffel’schen Poesien mit prächtigen Zeichnungen geschmückt, welche dieselben dem Verständnisse der Leserwelt um ein gut Stück näher rückten. Nunmehr tritt er mit einer illustrieren Prachtausgabe des Scheffel’schen „Trompeters von Säkkingen“ vor’s Publicum (Stuttgart, J. B. Metzler), einem Werke, in welchem Dichter und Zeichner sich zu dem denkbar schönsten Bunde die Hand reichen, so daß Wort und Bild dem Quell einer Schöpferkraft zu entstammen scheinen. Anton von Werner hat den Geist dieser Scheffel’schen Dichtung mit einer Feinheit nachempfindender Phantasie wiederzugeben gewußt, welche Bewunderung erweckt, und in diesem Gefühle haben wir geglaubt, es nicht unterlassen zu dürfen, unseren Lesern eine Probe aus dem Scheffel-Werner’schen Buche mitzutheilen.

Unser Bild stellt die Procession (Drittes Stück: Der Fridolinstag) dar. Es ist der sechste März. Jung-Werner ist eben aus dem Pfarrhof geritten, und die Stadt des heiligen Fridolin schimmert ihm in heiterem Sonnenlichte entgegen. Als er durch das Thor reitet, klingen Orgeltöne an sein Ohr – und siehe da! feierlich kommt die Procession dahergezogen. Jung und Alt, Vornehm und Gering war im Zuge vertreten; den Matronen folgten die Jungfrauen.

Ein Madonnenbildniß trugen
Sie voraus; es war geschmückt mit
Purpurschwerem Sammtgewande,
Das als Weihgeschenk zum Danke
Für des Kriegs Beendigung
Sie dem Bild einst dargebracht.

Als die Vierte in der Reihe
Schritt ein schlankes blondes Fräulein,
Veilchenstrauß im Lockenhaare,
Drüber wallt’ der weiße Schleier,
Und er deckte halb ihr Antlitz
Wie ein Winterreif, der auf der
Jungen Rosenknospe glänzet.
Mit gesenktem Blicke schritt sie
Jetzt vorüber an Jung-Werner.
Der ersah sie – war’s die Sonne,
Die sein Auge jäh geblendet?
War’s der blonden Jungfrau Anmuth?

Viele zogen noch vorüber,
Doch er schaute festgebannt nur
Nach der Vierten in der Reihe,
Schaut’ – und schaute –, als der Zug schon
In die Seitenstraße einbog,
Schaut er noch, als müßt’ die Vierte
In der Reihe er erspähn. – –
– „Den Mann hat’s!“ so nennt der Sprachbrauch
Dortlands jenen Zustand, wo der
Liebe Zauber uns gepackt hat;
Denn der Mensch nicht hat die Liebe,
Nein – er ist von ihr besessen.
Sieh Dich vor, mein junger Werner.
Freud’ und Leiden birgt das Wörtlein:
Den Mann hat’s!“ – Nichts sag’ ich weiter.

„Nichts sag’ ich weiter!“ damit schließt der Dichter das Capitel vom Fridolinstage, und damit schließen auch wir heute. Was dann ferner kam, wie Jung-Werner und die schöne Margaretha ein Paar wurden, das möge Jeder in dem prachtvoll ausgestatteten Buche, das Victor Scheffel gedichtet und Anton von Werner mit kunstreicher Hand ausgeschmückt, selber lesen – und schauen!


Missionslehren. Es dürfte dem größten Theile der Leser der „Gartenlaube“ nicht geringes Interesse bereiten, zu erfahren, in welcher Weise die frommen Sendboten der Norddeutschen Missionsgesellschaft an der Westküste Afrikas christliche Lehren verbreiten und wie frappant aus dem Vorliegenden sich ergiebt, daß selbst die geringe Dosis gesunder Vernunft bei dem rohen, unwissenden Negervolke sich aufbäumt gegen die beklagenswerthe religiöse Beschränktheit jener „erleuchteten“ Verkündiger des sogenannten wahren Heils.

Missionär Illg sagt in seinem Berichte von der Station Waya in dem „Monatsblatte der Norddeutschen Missionsgesellschaft“ (Redacteur Pastor Victor in Bremen) wörtlich:

„Eines Sonntags wurde über 2. Petri 3, 7–12 gepredigt und als Grund dafür, daß die Erde einst verbrennen müsse, unter Anderem angegeben, sie sei durch die Sünde der Menschen verderbt und verunreinigt, jeder Fleck Erde sei mit Blut befleckt etc. Abends kam ich in die Stadt und grüßte unter Anderen auch die alte Dorfmutter Vuleno. Ich sagte ihr, sie sei heute nicht im Gottesdienst gewesen und habe das Wort nicht gehört, das sie gewiß sehr interessirt haben würde. Sie brachte die gewöhnliche Entschuldigung vor, sie hätte wegen Arbeit nicht kommen können, doch ließ sie sich gern das nicht gehörte Wort jetzt erzählen. Als sie nicht verstehen und glauben wollte, daß die Erde, weil so verderbt, einst verbrennen müsse und Gott eine neue schaffen werde etc., war gleich ein Negermädchen bei der Hand, das ihr das Gesagte wiederholte und bestätigte; gerade so sei heute aus dem Worte Gottes vorgelesen und gepredigt worden.

Die Frau gab nun ihrer Verwunderung in ihrer naiven Weise Ausdruck und rief, ob denn auch ihr Haus und alle ihre Sachen verbrennen werden; das sei nicht gut, wir sollten zu Gott beten, daß dies nicht geschehen möge. Ich sagte ihr, dies wäre ganz unnütz, denn Gott könne die Sünde nicht ungestraft lassen und thue das, um für die guten Menschen eine neue Erde zu schaffen, aber dafür beten wir und sagen den Leuten das gute Wort, damit sie und alle Wayaer sich zu Jesu bekehren, Vergebung der Sünden suchen, sich ein neues Herz und einen neuen Geist schaffen lassen und neue Menschen werden, die da taugen, jene neue schöne Erde zu bewohnen. Darum stehe gleich auch in demselben Worte Gottes dabei: Gott will nicht, daß Jemand verloren werde, sondern daß Jedermann sich zur Buße kehre. Dies müsse sie thun, dann habe sie sich nicht vor jenem großen Brande zu fürchten und bekomme ein neues und viel schöneres Haus und schöne gute Sachen, auch Frieden und Freude in’s Herz, so daß sie an ihre jetzigen Sachen gar nicht mehr denke.

Unsere Unterredung hatte eine Anzahl Leute herbeigezogen, die das Vorgefallene den Ihrigen wiedererzählten.“




Herman Schmid’s gesammelte Schriften.
Volks- und Familienausgabe.
Zweite Auflage in Heften à 3 Sgr.

Dieselbe bringt im 59. und den folgenden Heften die in der ersten Auflage nicht enthaltenen neueren Erzählungen des beliebten Verfassers:

Die Mordweihnacht – Die Gasselbuben – Das Münchener Kindel – Der Bergwirth – Die Zuwiderwurzen,

und bildet demnach von diesem Abschnitte an ein Supplement zur ersten in 27 Bändchen erschienenen Ausgabe, auf welches die Besitzer derselben, zu deren Vervollständigung, nicht versäumen wollen, zu subscribiren.

Das 59. Heft ist soeben erschienen und kann davon in allen Buchhandlungen Einsicht genommen werden.

Die Verlagshandlung von Ernst Keil in Leipzig.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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