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Verschiedene: Die Gartenlaube (1873)

heranreicht. Wird nun die Spirale durch einen vertikalen Erdstoß in Schwingung versetzt, so kommt das Magnetstäbchen hierdurch nothwendiger Weise mit den Eisenfeilstäubchen in Berührung, von welchen letzteren alsdann um so mehr daran hängen bleiben, je tiefer dasselbe durch eine mehr oder weniger kräftige Erschütterung in dieselben eingetaucht wurde. Allerdings vermag dies nur annähernd einen Maßstab abzugeben; allein es liegt darin immerhin eine nicht zu unterschätzende Controle der Angaben der übrigen Instrumente, worauf es zur Vermeidung von Irrthümern hier in hohem Grade ankommt.

Einen bemerkenswerthen Gegenstand der in Rede stehenden Beobachtungen bilden außerdem die regelmäßig durch Erderschütterungen bedingten Störungen und Abweichungen in den täglichen Variationen der Magnetnadel oder mit anderen Worten der Einfluß vulcanischer Vorgänge auf den Erdmagnetismus, und ist deshalb für diesen Zweck neben den eigentlichen seismographischen Apparaten in einer besonderen Abtheilung des Observatoriums auch eine Reihe magnetischer Instrumente aufgestellt.

Professor Palmieri inspicirt sämmtliche Apparate selbst regelmäßig dreimal am Tage, und außerdem ist neben ihm stets noch ein Assistent zur Ueberwachung der Apparate anwesend, um sofort beim Schalle der Glocke des elektrischen Läutewerks nachzusehen, die gemachten Wahrnehmungen zu registriren und die Instrumente für neue Beobachtungen wieder auf ihren normalen Stand zurückzuführen.

Was nun die Leistungen der letzteren anbetrifft, so sind dieselben wirklich erstaunlich. Nicht wenig trägt hierzu allerdings die vorzügliche Lage des Observatoriums auf dem Rücken des alten, ewig kochenden und qualmenden Feuerberges bei, in dessen unterwühlten Flanken jede Bewegung, jedes Aufwallen des glühendflüssigen Erdinnern noch aus ganz enormen Entfernungen, wenn auch oft nur in leisen, kaum fühlbaren Schwingungen, nachzittert. So war zum Beispiel Palmieri bei Gelegenheit der letzten großen Eruption auf Santorin im griechischen Archipel auf Grund seiner Beobachtungen im Stande, lange bevor die Nachricht von jenem Naturereignisse nach Italien gelangt war, öffentlich zu verkünden, daß irgendwo eine unterirdische Störung stattgefunden haben müsse, und ebenso documentiren sich auch die vom Aetna auf Sicilien ausgehenden Erscheinungen und Erschütterungen regelmäßig durch die entsprechenden Veränderungen an den Instrumenten der gelehrten Warte des Vesuvs. Ueberhaupt finden erfahrungsgemäß alle vulcanischen Bewegungen in dem ganzen Bereich des mittelländischen Beckens mehr oder weniger hier ihren seismographischen Ausdruck und ergiebt sich schon hieraus zur Genüge auch die hohe praktische Bedeutung dieser ganz eigenartigen vulcanischen Beobachtungsstation.

Zu wünschen wäre dabei nur, daß dieselbe möglichst selten diesen ihren praktischen Nutzen zu betätigen und vor ernsten Katastrophen zu warnen haben möge.

Emil Sommer.





Ein Wasserbad in der Grotte von Monsummano.[1]
Von Heinrich Noé.

Einen unerquicklicheren Aufenthalt, wenn es winterlich fröstelt und nässelt, als Florenz mag es nicht geben. Im hohen Saale des Gasthauses geht die Wärme des Kaminfeuers verloren. Wenn man nicht vor den Flammen sitzt, friert es einen, vor dem Kamin aber kann man nicht arbeiten. Das graue Gespenst der Langweile droht vor den hohen Fenstern, vom löschpapierfarbenen Himmel in den ungemüthlichen Albergo herein. Und wie schaut’s draußen, in den engen, finsteren Straßen des „himmlischen Firenze“ aus? Decken wir für heute den Mantel christlicher Liebe darüber, bis ich später vielleicht einmal auf die viel gepriesene Blumenstadt zurückkomme.

Während ich mich im unheimlich kalten und finsteren Café über die Kunstwuth ärgerte, die eine Stadt mit zahllosen Palästen und Bildwerken, aber nur mit einer Jauche von Trinkwasser auszustatten weiß, fiel mein Blick auf den gegenüberliegenden Laden eines Büchertrödlers. Das war eine Erleuchtung! Ich ging hinüber und stöberte, wie Bücherwürmer zu thun pflegen, in alten und neuen Bänden herum.

Da gerieth mir ein einzelnes Blatt in die Hände. Es war ein Prospect, dessen Titel auf Deutsch lautete: „Grotte von Monsummano. Anstalt natürlicher Dampfbäder im Eigenthum der Ehegatten Nencini-Giusti.“ Bei diesen Worten erinnerte ich mich, vor einiger Zeit von einer tiefen Höhle im Apennin von Pistoja gelesen zu haben. In diesen unterirdischen Räumen sollten brühheiße Luftströme wehen und grüne Tümpel warmen Wassers stehen. Ich hatte auch von der Sängerin La Grua gehört, welche in der Höhle ihre Stimme wieder erhalten haben sollte. Was war natürlicher, als sofort an eine Flucht aus der grauen, eisigen Oberwelt zu den warmen Herzkammern des Erdinnern zu denken! Wäre ich der ersten Regung gefolgt, ich hätte dort unten meinen Winteraufenthalt genommen, statt in der Trübung hier oben, in welcher die graugrünen Oelbäume aussahen, als ob es sie fröre.

Eine Stunde später saß ich auf der Eisenbahn nach Pistoja. Ohne mich in dieser langweiligsten aller Städte aufzuhalten und abermals einen Versuch zu machen, die vielgerühmte „Grazie der Pistojesen“ zu entdecken, fuhr ich sofort nach Pieve a Nievole, der Bahnstation für die Grotte. Die Haupthöhenzüge des Apennins, die Berge der Garfagnana und die erst vor wenigen Jahren entdeckten Schönheiten der Alpi Appnane bleiben dort hinter ölbewachsenen Hügeln versteckt.

Dagegen erscheint in der Ferne der sumpfige See von Vientina – den toscanischen Jägern, die auf Enten und anderes wildes Geflügel ausgehen, ein gelobtes Gestade. Doch davon soll jetzt nicht die Rede sein. Aus den Gründen, die später beim Eintauchen in die Unterwelt angegeben werden sollen, hat sich in dieser Gegend bereits das Pensions- und Curhôtelwesen aufgethan. Aber fragt nur nicht wie! Zum Thränenlachen ist’s, wenn man im Orte Pieve wie im größeren Orte Monsummano eine solche Anstalt nur von außen betrachtet und sich dabei die Einbildungskraft der Italiener vorstellt, welche meinen, für solche Quartiere werde das herbeigeeilte Europa seine Goldfüchse da lassen.

Ich begab mich also von Pieve a Nievole nach Monsummano und hörte daselbst über die wunderbare Grotte Folgendes. Vor ungefähr fünfzehn Jahren trafen Hirten, welche auf dem Hügel, den die Trümmer des Castells von Hoch-Monsummano krönen, unter den Oelbäumen im Gestrüpp ihre Schafe hüteten, unter Lavendelstauden auf ein Loch im Boden, in welchem die hineingesteckten Stäbe keinen Grund fanden. Es wurde dem Eigenthümer des Bodens hiervon Mittheilung gemacht, das Loch durch Sprengung erweitert, und zum Erstaunen der Arbeiter schlug eine Backofenhitze aus der Tiefe herauf. Jener Eigenthümer aber war kein anderer als der auch in Deutschland bekannte Dichter Giusti. Die Entdeckung wurde in Zeitungen verbreitet. Französische und italienische Aerzte geriethen auf den Einfall, die heißen Luftströmungen, die unablässig aus dem Innern der gewundenen Gänge hervorbrechen, zu Heilzwecken zu benutzen. Rheumatische und Gichtbrüchige sollten entkleidet in den Gängen umherwandeln und im Hauch der Mutter Erde gesunden. Die Verdunstung, welche von diesem Samum der Tiefe hervorgebracht wird, wurde als heilkräftig betrachtet und hierbei wurden auch verschiedene elektrische und magnetische Wirkungen in Betracht gezogen, die man sich mit dem Brühdunste verbunden dachte. Kossuth war einer der Ersten, welche herbeieilten, und fand in diesen Räumen Heilung. Er verfehlte nicht, das in öffentlichen Blättern zu verbreiten, und der Ruf des Kossuth Lájos genügte, um mehr Leute anzulocken, als es ein Dutzend wissenschaftlicher Abhandlungen vermocht hätte.

  1. Es freut uns, unseren Lesern eine Schilderung dieser durch Kossuth und Garibaldi empfohlenen Grotte mittheilen zu können. Wenn auch der Artikel nicht gerade die sanitätliche Seite der Grotte hervorhebt, so glauben wir doch, daß viele an uns gerichtete Anfragen dadurch beantwortet werden.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1873). Leipzig: Ernst Keil, 1873, Seite 778. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1873)_778.JPG&oldid=- (Version vom 7.1.2019)