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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

um im angrenzenden sogenannten Tempelgarten seine Abende in einer Art von halboffenem Tempel mit seinen Freunden und Officieren des Regiments zuzubringen. Herr Gentz, Bruder des bekannten Malers in Berlin, der jetzige Besitzer dieses reizenden, höchst malerischen Gartens, hat es sich angelegen sein lassen, die historischen Erinnerungen, die sich an dieses Fleckchen Erde knüpfen, in pietätvollster Weise zu pflegen. Der Tempel ist im Innern mit Reliquien und Möbeln jener Zeit ausgestattet, und die Umgebung desselben hat Herr Gentz im Geiste der Zeit mit plastischen Marmor- und Sandsteingruppen, Einzelfiguren und Vasen zu bevölkern gewußt, so daß der überraschte Beschauer eine Schöpfung aus der Blüthezeit der Allongeperrücke und des Zopfes vor sich zu sehen glaubt. Für den Maler der Zeit des vorigen Jahrhunderts ist dieser Garten ein reicher Fundort für Motive und Detailstudien, und hat Herr Gentz sich schon dadurch ein bleibendes, nicht zu unterschätzendes Verdienst erworben.

Rheinsberg selbst ist ein Städtchen von etwas über zweitausend Einwohnern; bisher von allem Verkehre abgeschnitten, mußte es sich selbst genügen und genügte sich selbst. Man lebt dort ruhig und harmlos und läßt die Zeiten an sich vorüberziehen, bis sie einmal etwas Neues und Besseres mit sich bringen. Solche Tage scheinen nun bald für Rheinsberg mit dem erleichterten Verkehre, mit der in’s Leben tretenden Verbindung des Ortes mit der übrigen Welt herankommen zu wollen; ob es dann noch so gemüthlich und idyllisch sein wird, wenn die schattigen Kastanienalleen des Marktes und des Triangelplatzes von staubigen Berlinern durchwimmelt werden, wenn in Rheinsberg Wohnungsnoth die ewige Parole des Tages sein wird? Wir lieben das Rheinsberg, wie wir es gefunden haben, einsam, etwas verkommen, wie einen Ort, der einst bessere Zeiten gesehen, aber umwebt von jenem elegischen Hauche dahingegangener, unwiederbringlicher Tage des Glanzes und des Glücks. –

Ueber das Schloß und den herrlichen Park ist schon Manches bekannt geworden, wie auch die Gartenlaube in der letzten Nummer des Jahrgangs 1862 dem Leben in Rheinsberg zur Zeit Friedrich’s, des Kronprinzen, einen eigenen Artikel gewidmet hat. Nach allen diesen Schilderungen und Fontane’s liebenswürdigem Führer durch die Mark noch etwas über Rheinsberg sagen zu wollen, wäre unnöthig; darum verzichten wir darauf und beschränken uns, die einzelnen Bilder, die unsere heutige Zeichnung uns vorführt, zu erläutern.

Während das Mittelbild uns die Ansicht des Schlosses in seiner heutigen Gestalt von der Seeseite wiedergiebt, zeigt uns die einem gleichzeitigen Kupferstiche entnommene Ansicht darüber das Schloß des Kronprinzen Friedrich, wo noch die Thürme frei sind von den plumpen Ziegeldächern, welche die moderne Barbarei an die Stelle der zierlichen Traillenbrüstungen gesetzt hat; überhaupt ist und wird an dem reizenden Schlößchen viel gesündigt durch sogenannte Reparaturen, die leider mehr zerstören, als sie repariren, durch den beliebten, wo möglich alljährlich wiederholten fingerdicken Anstrich selbst der Sandsteinsäulen, der Verbindungscolonnade, ja sogar der darin in Nischen aufgestellten Amorettengruppen.

Das Herz des Kunst- und Alterthumsfreundes möchte bluten, wenn er sieht, wie auf Schritt und Tritt muthwillig zerstört und modernisirt wird, wo es doch im Interesse der Sache läge, in Pietät für die Bedeutung des Ortes Das zu erhalten, was leicht und mit geringen Opfern zu erhalten wäre.

So sind z. B. in dem in reizenden Verhältnissen von Knobelsdorf, dem Erbauer des Schlosses, geschaffenen Concertsaale, von dem wir rechts vom Mittelbilde eine kleine Skizze geben, die figürlichen Thürfüllungen, welche ursprünglich vergoldet gewesen, plump mit dicker grauer Farbe überstrichen und dadurch fast unkenntlich gemacht worden. Das noch ziemlich gut erhaltene Deckengemälde dieses Saales, von Pesne gemalt, ist groß gedacht. Pesne hat in seinem Bilde, das den Sieg des Sonnengottes und des Lichts über Nacht und Finsterniß darstellt, in prophetischer Weise der Geschichte, die sich damals noch nicht erfüllt hatte, vorgegriffen, indem er dem Sonnengotte die Züge Friedrich’s lieh und hiermit die neue Aera vorausgesagt hatte.

Links vom Mittelbilde sehen wir das Studirzimmer Friedrich’s des Großen, des Verfassers des Antimacchiavell. Auch hier ist Manches gefrevelt worden. Die Wände sind mit einem dicken Anstrich von graugrüner Leimfarbe bedeckt; von den Möbeln scheinen uns nur der zierliche Schreibtisch, die Banquettes in den Fensterbrüstungen, sowie ein Marmortischchen links von der Thür echt zu sein. Die Consolen der Büsten gehören einer bei Weitem späteren Zeit an; die Möbelüberzüge, sowie der Ueberzug der Schreibtischplatte sind vernichtet, wahrscheinlich Opfer der Reliquiensammler geworden.

Die Aussicht aus dem Mittelfenster ist bezaubernd schön und findet ihren Abschluß jenseits des Sees in dem vom Prinzen Heinrich dem Andenken des Prinzen Wilhelm August errichteten Obelisken.

Der Umstand, daß der Kronprinz in Begleitung seiner beiden Söhne in diesem Jahre Rheinsberg einen Besuch abgestattet, dürfte wohl vielverheißend sein für die schon früher gehegte Hoffnung, daß die Tage nicht mehr fern sind, wo die Gestade des Rheinsberger See’s sich wieder der bleibenden Gegenwart eines Mitgliedes des kaiserliche Hauses erfreuen werden. Wenn man verschiedenen, durch die Zeitungen laufenden Gerüchten trauen darf, so wäre über das Schloß bereits zu Gunsten des Prinzen Heinrich disponirt, was denn allerdings den kühnsten Wünschen der Rheinsberger die Krone aufzusetzen geeignet sein möchte.

Bei Gelegenheit des eben erwähnten Besuches des Kronprinzen gewann dieses Studirzimmer Friedrich’s des Großen ein neues historisches Interesse durch eine That „unseres Fritz“, die wir, selbst auf die Gefahr hin, indiscret zu sein, uns nicht versagen können der Oeffentlichkeit hiermit zu übergeben.

Nachdem der Kronprinz in Begleitung seiner Söhne, der Prinzen Friedrich Wilhelm und Heinrich, und des Militär-Gouverneurs derselben, Generalmajor von Gottberg, gegen zehn Uhr im Schlosse zu Rheinsberg ohne vorherige Anmeldung angekommen war, hatte er die Behörden empfangen und war, so zu sagen, den im Schlosse versammelten Herren plötzlich entschwunden. Man suchte und fand schließlich den Kronprinzen im Studirzimmer Friedrich’s des Großen mit den jugendlichen Prinzen eigenhändig beschäftigt, mit Hülfe von einigen Resten der Möbelüberzüge und einem Napfe voll Wasser, die dicke, schon erwähnte, graugrüne Farbendecke der Wände unterhalb der Büsten und Consolen abzuwaschen. Zu großer Freude der emsig Arbeitenden zeigte sich auch sehr bald unter der Schicht eine Malerei, welche goldene Blumenvasen zeigt. (Auf unserer heutigen Zeichnung ist die Stelle angegeben.)

Es mag ein eigenthümlicher Anblick gewesen sein, die hohen Herrschaften bei einer solchen Arbeit zu überraschen und des Kronprinzen scherzenden Ausruf zu vernehmen: „Was nur die Hofkammer dazu sagen wird!“ Die Zeit, welche sehr knapp wurde, ließ die hohen Gäste ihr Werk nicht vollenden; die Spuren ihres Waltens werden aber bleiben und, hoffen wir, Denjenigen, die bisher nur zerstören konnten, ein Fingerzeig sein, in Zukunft zu erhalten und wiederherzustellen.

Für einen sachkundigen Künstler wäre es eine schöne begeisternde Aufgabe, das Schloß, wie auch den Park seiner Geschichte und Vergangenheit würdig wieder herzustellen, und es ließe sich wahrlich bei der ursprünglich bescheidenen Anlage des Ganzen mit verhältnißmäßig geringen Mitteln ein hübsches Resultat erzielen, wenn man frei und unbehindert von der bureaukratischen Commissionsknebelmaschinerie arbeiten könnte – ein frommer Wunsch, dessen Erfüllung unter den obwaltenden Verhältnissen wohl zu den Unmöglichkeiten dieser Welt zu rechnen sein dürfte.

Zur weiteren Beschreibung unserer Zeichnung zurückkehrend, sehen wir oben links den Eingang zum Park von der alten Ruppiner Landstraße her; die Anordnung dieses Eingangs ist dieselbe, wie bei dem zum Park von Sanssouci, welch letzterer nur in größerem Maßstabe ausgeführt ist. Rechts oben der sogenannte Salon, eine offene Halle, die, früher zu Diners und Soupers im Park benutzt, links und rechts noch kleinere Flügel hatte, welche man noch zur Zeit des Prinzen Heinrich entfernt hat. Den dieses Gebäude umgebenden, mit Anlagen und Blumengruppen geschmückten offenen Platz zieren die Marmorfiguren der vier Jahreszeiten, und von hier aus führt eine breite, schattige Allee nach der Grotte der Egeria, die wir unten links abgebildet sehen. Jeder Schmuck derselben, bestehend in Muschelwerk aller Art, sowie die Figur der Egeria sind verschwunden, und der Ort macht einen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_083.jpg&oldid=- (Version vom 27.8.2018)