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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874)

von den Ihrigen nicht überleben mochte, alle Nahrung von sich und starb nach wenigen Tagen.

Lange Zeit führte die Granitkuppe am Ufer des Atabapo zur Erinnerung an diese rührende Mutterliebe einer Wilden den Namen „Fels der Guahiba-Indianerin“ oder „Piedra de la madre“ – sie hätte noch eine zweite Inschrift tragen müssen: „Der Fels eines Jesuiten“. –

Die Leser werden sicherlich glauben, daß diese erschütternde Skizze übertrieben sei, daß die Tendenz sie gefärbt habe; sie werden sich nicht vorstellen können, daß ein Mensch so sehr entarten könne. Der Verfasser nennt als Bürgschaft der Wahrheit seine Quelle: er hat diese Skizze aus den Reisen Alexander’s von Humboldt geschöpft und ist bemüht gewesen, die Darstellung des großen Mannes möglichst getreu wiederzugeben. Chamisso hat denselben Stoff bekanntlich einem seiner schönsten Gedichte zu Grunde gelegt.




Blätter und Blüthen.


Schneckenburger’s Grab. Nachdem uns zur würdigen Ausschmückung von Max Schneckenburger’s Grabstätte zahlreiche Gaben aus vielen Gegenden Deutschlands zugegangen, haben wir uns wegen zweckdienlicher Verwendung derselben an Herrn F. Edinger, einen bewährten Kenner der Schweizer Verhältnisse, Vorstand des deutschen Hülfsvereins in Bern, gewandt. Derselbe schreibt uns in dieser Angelegenheit Folgendes:

Meinem Versprechen gemäß begab ich mich an einem der ersten Tage meiner Neujahrsferien nach Burgdorf, wo mir einer meiner Freunde bei den einflußreichsten Personen schon glücklich vorgearbeitet hatte. Was ich dort gesehen und erfahren, will ich Ihnen heute kurz mittheilen; in nächster Zeit sollen Sie, falls Sie mit meinem Plane im Allgemeinen einverstanden sind, specielle Vorlagen mit Zeichnungen erhalten.

Der Friedhof, auf welchem M. Schneckenburger begraben liegt, ist aufgegeben und wird zwar noch etwa zwanzig Jahre in seinem jetzigen Zustande belassen werden, dann aber sicherlich dem Burgdorfer Unternehmungsgeiste weichen und zu Bauplätzen oder anderen profanen Zwecken dienen müssen. Nun könnte man freilich, wenn man sich durchaus an die Grabstätte halten will, diese während der noch gegebenen Frist bestmöglichst in Ehren halten, um sie später doch eingehen zu lassen. Denn auch ein Ankauf der Stätte würde, selbst wenn er noch so gut verbrieft wäre, dieselbe vor anderweitiger Verwendung nicht sichern, wie ich an mehreren Beispielen in Betreff des Berner Friedhofs Monbijou bestimmt erfahren habe. Eine nur vorübergehende, nach etwa zwanzig Jahren aufhörende Pflege des Grabes kann aber den Gabenspendern, welche dem Sänger der „Wacht am Rhein“ ein bleibendes Andenken wahren wollen, kann dem deutschen Volke, aus dessen Herzen und zu dessen Herzen der Sänger so mächtig gesungen, nicht genügen. Es bleibt darum, wenn man demselben an dem Orte wo er gewirkt und gesungen, ein sichtbares Andenken gründen will, kaum ein anderer Rath übrig, als ein einfaches, jedoch des Sängers würdiges Denkmal zu setzen, etwa einen Obelisk oder sonst einen architektonischen Denkstein aus Solothurner Marmor, wobei das schlichte Kreuz, das ihm die Pietät seiner Freunde auf das Grab gepflanzt hat, wohl auch erhalten werden könnte. Von einer Büste, oder selbst von einem bloßen Reliefbilde Schneckenburger’s kann, abgesehen von anderen Gründen, schon deshalb nicht die Rede sein, weil das einzige Bild des Dichters, das seinen Freunden bekannt ist, nach deren Aussage nichts als eine Carricatur ist, einige Wochen nach des Dichters Tode aus dem Gedächtniß angefertigt von einem unglücklichen Künstler, der später sein Leben in der Berner Irrenanstalt beschloß. Doch ich will über die Form des Denkmals dem Künstler, welcher heute nach Burgdorf gefahren ist, um sich die Oertlichkeit anzusehen und danach seine Vorlagen zu entwerfen, nicht vorgreifen und Ihnen lieber über den Platz, wohin ein Denkmal gestellt werden könnte, einige Worte schreiben.

Das Bild der Grabstätte, das die Gartenlaube seiner Zeit gebracht, liegt mir leider nicht vor; soweit ich mich erinnern kann, hat aber dasselbe die sehr schlichte Localität nicht wenig idealisirt. Ein Denkmal an der Stelle, wo des Dichters Gebeine ruhen, ist nach meiner Ansicht, welche von Allen, die ich darüber gesprochen, getheilt wird, eine reine Unmöglichkeit, denn das Grab lehnt sich unmittelbar an die nichts weniger als ästhetische Hinterseite eines Oekonomiegebäudes, das die eine Seite des Friedhofs begrenzt. „Wo aber könnte man,“ schreibt mit Recht einer meiner Burgdorfer Freunde, „einen schöneren Platz finden, als vor dem Gymnasium unter den schattigen Kastanien der sogenannten Grabenpromenade? Max Schneckenburger soll den Schülern ja immer als das Bild eines warmen Patrioten, eines ideal gesinnten Menschen vor Augen schweben, und unseren jungen Kaufmannssöhnen wollen wir sagen: werdet einst so, wie der dort gewesen ist! Und haben nicht seine deutschen Freunde in Burgdorf Vieles gethan, haben sie nicht in den dreißiger Jahren einen idealen Zug in unsere Schulen gebracht, der in anderen Schweizerstädtchen vergeblich gesucht wurde, einen idealen Zug, welcher in den Leitern unseres kleinen Gemeinwesens noch heute fortwirkt und unsere neue Anstalt, das Gymnasium, geschaffen hat?“ So mein Burgdorfer Freund über die im Innern der Stadt gelegene und dabei doch eine ungemein liebliche Aussicht gewährende Grabenpromenade.

Sollte dieser Platz, etwa aus Besorgniß, es möchte durch das Denkmal der Spiel- und Tummelplatz für die Schuljugend zu sehr geschmälert werden, nicht eingeräumt werden können, so steht ein anderer, fast noch schöner gelegener zur Verfügung. Derselbe liegt, einen weiten Ausblick auf die Ebene und den Jura gewährend, nicht weit von der Grabstätte, am Aufstieg vom Bahnhofe zur oberen Stadt und bildet ein durch die Straße, welche sich in tief eingeschnittener Schlangenlinie um ihn herumwindet, rings abgegrenztes, mit Bäumen bepflanztes Rondel, das zu einem Denkmal eigens geschaffen scheint und den nicht zu unterschätzenden Vorzug hat, daß es unter keinen Umständen zu einem anderen Zwecke verwendet werden wird. Bei den Gemeindebehörden in Burgdorf und zumal bei dem Gemeindepräsidenten, Herrn Nationalrath Bucher, einem persönlichen Freunde Max Schneckenburger’s, findet der Gedanke an ein Denkmal für den Dichter, der in Burgdorf „keinen einzigen Menschen zum Feinde gehabt“, vielen Anklang und freundliches Entgegenkommen.

Die Ausführung desselben würde zwar eine bedeutend höhere Summe erfordern, als bis jetzt zur Verfügung steht, aber hoffentlich bedarf es nur der Veröffentlichung dieser Mittheilungen, um die Gaben recht zahlreich strömen zu machen; auch ich hoffe bei den deutschen Hülfsvereinen in der Schweiz, mit denen ich als Vorstand des hiesigen seit Jahren im Verkehre stehe, einen erklecklichen Beitrag aufzubringen.




Wahrheit oder Dichtung? Seit Herculanum und Pompeji unter dem Schutte der Jahrhunderte wieder an das Licht des Tages hervorgezogen worden sind, hat keine Bemühung, handgreifliche Zeugnisse für ein durch die Dichtkunst verherrlichtes Leben frühester Vergangenheit zu entdecken, mehr und rascher die Theilnahme der Gegenwart gewonnen, als Dr. Heinrich Schliemann’s Nachgrabungen und Funde auf der Kampfstätte des trojanischen Krieges. Die einzelnen Berichte über den Fortgang und Erfolg dieser Arbeiten fanden bereitwillige Leser und Gläubige, und fast etwas spät für die deutsche Forschungsgründlichkeit erhob die Kritik ihre Zweifel – nicht gegen den gewiß für die Alterthumskunde immer sehr werthvollen Fund von Gefäßen, Geräthen und Waffen aller Art, sondern gegen den Zusammenhang desselben mit dem von Homer besungenen Schicksale der griechischen Helden und Trojas. Seltsamerweise ist es der Sohn des berühmten „Griechenliederdichters“ für Sieg und Ruhm des neuen Griechenlands, welcher sich dagegen stemmt, den altgriechischen Sagenruhm über die Grenzlinie bezeugter Geschichte herüberzuziehen, was Heinrich Schliemann damit gewagt hat, daß er namentlich die Schätze von edeln Metallen, die er bei seinen Ausgrabungen gefunden, ohne Weiteres für den Schatz des Priamos und der Hekuba erklärt. Max Müller, unser sprach- und alterthumskundiger Landsmann in Oxford (augenblicklich in Straßburg), hat in der englischen Zeitschrift „Academy“ nachgewiesen, daß die Schliemann’schen Alterthümer mit geringen Ausnahmen von roher Arbeit und gar nicht mit den Schilderungen Homer’s übereinstimmend erscheinen; daß die wenigen Inschriften höchstens auf phönicische Schriftzüge hindeuten, aber ohne erklärbare Zusammenstellung sind. Vor Allem aber weist er nach, daß man es bei Homer nur mit Sage und Dichtung zu thun habe, ja daß, wenn man der Erzählung alles Mythologische wegnehme, nichts Faßliches mehr übrig bleibe. Die Möglichkeit, daß die Dichtung auf einer Thatsache beruhe, könne uns so wenig veranlassen, auf dem ihr vom Dichter angewiesenen Schauplatze auch geschichtliche Denkmäler zu suchen, als wir es berechtigt finden würden, wenn man bei Worms im Rheine dem Horte der Nibelungen oder im Kyffhäuser der Krone des Barbarossa nachgraben wollte.

Wir theilen diese Notiz mit, weil die Schliemann’schen Ausgrabungen auf den Feldern von Troja wohl auch vielen unserer Leser ein Interesse gewähren.




„Magazin für den deutschen Buchhandel“. Mit diesem Jahre ist unter obigem Titel ein von Aug. Schürmann in Leipzig herausgegebenes Monatsblatt in’s Leben getreten, welches, wie schon die beiden ersten Nummern zeigen, keineswegs allein für den Buchhandel, sondern auch für weitere, namentlich für literarische, juristische und volkswirthschaftliche Kreise von Interesse zu werden verspricht. Das Blatt ist durch die Thatsache hervorgerufen worden, daß über das eigenartige buchhalterische und literarische Verkehrswesen heute noch im Allgemeinen nur mangelhafte, vielfach sogar ganz unrichtige Vorstellungen herrschen, wofür unter Anderem auch der deutsche Reichstag Beispiele geliefert hat, die in seiner Mitte keine Berichtigung gefunden haben. Der auf seinem Felde gut bewanderte Herausgeber hofft, indem er sich nicht auf die Darstellung deutscher Verhältnisse beschränkt, sondern die ausländischen vergleichend heranzieht, allmählich ein Gesammtbild des buchhändlerischen und literarischen Weltverkehrs entrollen zu können. Bei der Bedeutung, welche der Buchhandel für die Entwickelung und den Fortschritt des Volks- und Culturlebens hat, darf Herrn Schürmann’s Unternehmen sicher auf eine freundliche Aufnahme in weiteren Kreisen rechnen.




Kleiner Briefkasten.


C. St. in Br. August Becker ist der wirkliche Name des Verfassers von „Des Rabbi’s Vermächtniß“. Der Dichter wohnt seit einigen Jahren in Eisenach.

W. H. in E. Artikel rein raisonnirender Art, wie der Ihrige, finden in der Gartenlaube keine Aufnahme.

G. W. in T. Wir haben Ihr Manuscript empfangen und gelesen. Näheres nur brieflich, also nach mitgetheilter Adresse.

Fräulein Clara Pfeiffer, im Sommer 1867 Soubrette am Canstatter Theater, wird dringend ersucht, ihrem Bruder Ferdinand in Amerika Nachricht und genaue Adresse anzugeben. Ferdinand ist vollständig in der Lage, seiner Familie beizustehen, und würde sich unendlich freuen, wenn durch diese Aufforderung Mutter, Sohn und Tochter wieder vereinigt würden. Die Redaction der Gartenlaube ist gern bereit, etwaige Mittheilungen weiter zu befördern.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1874). Leipzig: Ernst Keil, 1874, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1874)_088.jpg&oldid=- (Version vom 7.11.2016)